Der Michael-Balint-Klinik droht das Aus. Foto: Hoffmann

Trotz schwarzer Zahlen und guter Reputation droht Schließung. Nur wenige Angebote dieser Art auf Bundesebene.

Königsfeld - Es ist eines der Vorzeigeprojekte der grün-schwarzen Landesregierung: das Sonderkontingent für besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak. Als Baden-Württemberg in einer geheimen Mission verfolgte Jesidinnen und deren Kinder nach Deutschland bringen ließ, kamen einige von ihnen auch nach Königsfeld (Schwarzwald-Baar-Kreis). Dort, umgeben von Natur und in der Nähe einer Fachklinik, die Menschen mit Traumata in ihrer Muttersprache behandeln kann, sollten sie die Schrecken des Krieges vergessen können.

Vier Jahre ist dies nun her - und erneut rücken die Rettungsmission und der 6000-Seelen-Kurort im Schwarzwald in den Fokus. Grund ist die geplante Schließung der Michael-Balint-Klinik, in der die Betroffenen unter anderem behandelt wurden. Und das, obwohl die Institution zwar auf dem Papier bereits seit neun Jahren insolvent, aber seit jeher schwarze Zahlen schreibt und landesweit anerkannt ist.

Die Krux an der Sache: Die Klinik hat derzeit 42 Akut-Betten, die für den Fortbestand notwendig sind, ihr im Zuge des Insolvenzverfahrens aber weggenommen werden sollen. Der Investor, der hierfür den Zuschlag vom Verband der Ersatzkassen erhielt, plant lieber eine dezentrale Lösung - und besiegelt damit das Aus für den Standort.

Rückschlag bei der Integration von Flüchtlingen

Für Jan Kizilhan, der nicht nur das Jesidinnen-Projekt begleitet, sondern auch die Migrationsabteilung in der Michael-Balint-Klinik ins Leben gerufen hat, ist die geplante Schließung ein gewaltiger Rückschlag bei der Integration von Flüchtlingen. "Wir müssen davon ausgehen, dass allein bei den 900.000 Menschen, die 2015 zu uns kamen, etwa 25 bis 30 Prozent traumatisiert sind", erklärt er unserer Zeitung. Einrichtungen, die sich wie die Königsfelder Klinik auf die Behandlung von Migranten mit Traumata spezialisiert haben, seien Mangelware. "Wir haben etwa acht bis zehn dieser Konzepte bundesweit", berichtet Kizilhan, der mittlerweile die fachliche Leitung für Transkulturelle Psychosomatik an der "Mediclin Klinik am Vogelsang" in Donaueschingen innehat.

Es reiche nicht, die Sprache des Patienten zu beherrschen. Vielmehr gehe es darum, kulturelle Unterschiede zu kennen und richtig zu interpretieren. Etwa das Symptom einer brennenden Leber: "Für Menschen aus dem Nahen Osten, ist es das Organ, um die Emotionen auszudrücken." Ein ungeschulter Arzt stelle schnell eine falsche Diagnose. "Bei 30 bis 40 Prozent der Patienten, die zu uns kommen, müssen wir im Nachgang die Diagnostik ändern." Beispiele wie diese verdeutlichen laut Kizilhan: Die Michael-Balint-Klinik sollte erhalten bleiben.

Das sieht auch die Gemeinde Königsfeld so, die nun in der Landeshauptstadt mobil macht. Der Bürgermeister wurde bei Sozialminister Manne Lucha (Grüne) vorstellig, plädierte dafür, für den Erhalt des Standorts weitere Akutbetten zu bewilligen. Denn für ihn geht es nicht nur um Arbeitsplätze, sondern auch um ein politisches Signal. Tenor: Man könne sich nicht damit schmücken, ein Sonderprogramm für Flüchtlinge auf die Beine zu stellen – und gleichzeitig an anderer Stelle tatenlos zusehen, wie eine auf diese Menschen und ihre Probleme spezialisierte Einrichtung zugrundegeht.