Bis sich für Nutzer die Tür des E-Autos öffnet, müssen erst die Registrierung und die Freischaltung erfolgen. Foto: Klossek

Testfahrt mit E-Mobil. Lange Liste an Sonderkosten und Strafzahlungen. Registrierung benötigt Zeit. Mit Video

Königsfeld - Seit 2015 bietet die Gemeinde Königsfeld klimaneutrales Carsharing an. Am Kurpark steht ein Elektroauto, das von jedermann gemietet werden kann. Doch geht das so einfach? Ein Test zeigt: Es gibt einiges zu beachten.

Seit drei Jahren steht das grün-weiße E-Auto am Kurpark. Ein Renault Zoe, 88 PS stark. Wie es sich wohl anfühlt, ganz ohne schlechtes Gewissen durch die Gegend zu düsen? "Registrieren, freischalten, einsteigen, Gas geben" – so in etwa liest sich die Erklärung zur E-Auto-Nutzung auf der Königsfelder Internetseite. Klingt einfach. Meine Neugier ist geweckt. Zeit, das Angebot der Gemeinde zu testen.

Lange Sonderkosten-Liste

Bevor es auf die klimaneutrale Spritztour geht, ist eine Registrierung beim Betreiber "my-e-car" notwendig. Wie bei anderen Autovermietungen, müssen Details zur Person und zum Führerschein angegeben werden. So weit, so unkompliziert. Dokumente rauskramen, alles doppelt checken – nach einigen Minuten flattert die Registrierungsbestätigung ins E-Mail-Fach samt Nutzungsvertrag, AGBs, Nutzungsanleitung und Preisliste.

Letztere bringt bereits die erste Überraschung mit sich: Dass der Betreiber schon im Mai 2017 seine Preise erhöht hat und pro Stunde fünf Euro verlangt, ist auf der Königsfelder Seite nicht vermerkt. Zwei Euro mehr, halb so wild? Soweit der Gedanke – bis ich die möglichen Sonderkosten entdecke. Gibt man das Fahrzeug zu spät zurück, werden je angefangenen, überzogenen zehn Minuten zehn Euro fällig. Die Listeder Sonderkosten ist lang und umfasst unter anderem offen gelassene Fenster, Schäden im Innenraum oder einen Eigenanteil von bis zu 1000 Euro bei selbstverursachten Unfällen.

Angesprochen auf die teils horrenden Kosten, kommentiert Michael Nowack, Geschäftsführer von "my-e-car": "Wir möchten mit den vielleicht etwas drakonisch wirkenden Sonderentgelten einen allzu sorglosen Umgang mit unseren Fahrzeugen unterbinden." Da der Betreiber das Fahrzeug nicht nach jeder Nutzung überprüfen könne, obliege es den Kunden, das Fahrzeug auf Mängel, Schäden und Verschmutzungen zu überprüfen. "Wir folgen selbstverständlich dem Rechtsgrundsatz ›in dubio pro reo‹ und werden einem Kunden nichts zur Last legen, was ihm oder ihr nicht eindeutig zuzuordnen ist", betont er.

Ungutes Gefühl bleibt

Zurück bleibt dennoch ein etwas ungutes Gefühl. Fenster, Tank, Schäden kontrollieren – Bloß nichts vergessen, denke ich mir. Doch bevor es überhaupt zur Testfahrt kommen kann, muss die Tourist-Info die Nutzung freischalten. Vor Ort wird der Führerschein gecheckt und mit dem Vertrag abgeglichen. Was schnell gehen könnte, dauert angesichts der bescheidenen Internetleitungen und des laut Mitarbeiterin langsamen Aufbaus der Betreiberseite allerdings 20 Minuten. Zeit, die man sich nehmen muss – zumindest, bis das Breitband auch die Tourist-Info erreicht.

Über die Betreiberseite kann schnell und unkompliziert der Renault gebucht werden. Voller Vorfreude fahre ich mit meinem umweltbelastenden alten Benziner zum Königsfelder Kurpark – bereit, die Straßen rund um die Gemeinde für eine Stunde ohne jegliches schlechtes Gewissen zu befahren. Die Bedienungsanleitung habe ich mit im Gepäck. Damit ich diese Schritt für Schritt abarbeiten kann, bin ich etwas früher da.

An der Windschutzscheibe klebt von innen eine blaue Plakette, an die man die in der Tourist-Info erhaltene Kundenkarte hält. "Ob du wirklich richtig stehst, siehst du wenn das Licht angeht", lautet hier die Devise. Ein grünes Lämpchen blinkt auf und das Auto wird entriegelt – zumindest theoretisch.

Denn obwohl ich am richtigen Auto stehe und vor mir niemand das Fahrzeug gebucht hat, blinkt das Lämpchen rot. Ein Anruf bei der Kundenhotline bringt Klarheit: "Erst fünf Minuten vor der gebuchten Zeit öffnet sich das Auto", erklärt die Frau am Telefon. Das Auto nimmt es genau, keine Chance. Immerhin bleibt so Zeit, es auf äußere Schäden zu untersuchen, um diese später ins Mängelbuch einzutragen.

Kundenservice hilft weiter

15 Minuten später, die ich mit mürrischem Blick neben dem Auto verbringe, entriegelt sich dieses mit einem leisen Klickgeräusch. Jetzt geht’s endlich los – also fast. Das Ladekabel muss noch entfernt sowie der Innenraum gecheckt werden. Zudem muss bei der ersten Fahrt ein Pin in den Bordcomputer eingetragen werden – den man eigentlich vorab erhält und ich nicht besitze. Abermals der Griff zum Telefon, ein erneutes Gespräch mit dem Kundenservice. So ganz nebenbei erwähne ich noch den verschmutzten Innenraum, um einer 25-Euro-Strafe zu entgehen.

Als ich schließlich den Startknopf drücke, ist mir die Lust zugegeben schon etwas vergangen. Leise, jedoch relativ schnell beschleunigt das E-Auto. Der Fahrspaß ist trotz fehlenden "Motorsounds" nicht zu verachten – immerhin.

Während ich durch Buchenberg über Peterzell zurück nach Königsfeld fahre, lasse ich das Erlebte Revue passieren. Das Fazit: Unkompliziert geht anders, zumindest bei der ersten Fahrt gibt es vieles zu beachten. Im Hinterkopf bleibt der Gedanke, was die Fahrt kosten kann, wenn man nicht alles beachtet. Die Umwelt wird geschont, meine Nerven nicht. Neben der Zeit, die Registrierung, Freischaltung und Vorbereitung des Wagens mich gekostet haben, blicke ich – dank 20 Minuten überzogener Buchungszeit, die unter anderem dem Abarbeiten der Checkliste vor Ort vor und nach der Fahrt geschuldet waren – auf eine saftige Rechnung.

Denn laut Preiskatalog werden 37 Euro für meine Testfahrt fällig. "Die Buchung zu überziehen, ist ein absolutes No-Go", betont Nowack auf Nachfrage. Selbst schuld also. Lehrgeld, das es zu bezahlen gilt. Etwas geknickt laufe ich zurück zu meinem alten Benziner. Den habe ich für 40 Euro heute vollgetankt.

E-Carsharing: Die Bilanz

Königsfeld - Im Juli 2015 hat die Gemeinde Königsfeld ein E-Auto angeschafft. Nach nunmehr drei Jahren fällt die Bilanz ernüchternd aus: Laut Bürgermeister Fritz Link wurde das Auto im vergangenen Jahr durchschnittlich elf Mal pro Monat gebucht. Dabei wurden monatlich im Schnitt rund 300 Kilometer zurückgelegt. "Wir hätten uns insgesamt eine intensivere Nutzung gewünscht", kommentiert Link die Auslastung in der Vergangenheit.

Auf die Frage, warum das Auto so wenig genutzt wird, weiß man im Rathaus keine Antwort. "Wir können uns das nicht ganz erklären", so Link. Allerdings werde in Gesprächen mit Bürgern immer wieder angeführt, dass die E-Tankstelle am Kurpark nicht zentral genug liege. "Wir neigen dazu, sie noch zentraler zu legen", sagt er. Im Gespräch sei derzeit, nach der Umgestaltung am Zinzendorfplatz eine weitere E-Tankstelle einzurichten. Ein weiterer möglicher Standort sei der Rathausplatz.

Denn die Gemeinde hat schon aus finanziellen Gründen ein großes Interesse daran, dass das Angebot genutzt wird. Jährlich zahlt sie eine Leasingrate in Höhe von 7000 Euro. Damit abgedeckt sind die Fahrten der Rathausmitarbeiter. Etwa ein Drittel der Buchungen entfallen auf eben diese Eigennutzung, wie Link weiter ausführt.

Laut "my-e-car" sind derzeit 36 Personen mit einer Adresse in Königsfeld beim Betreiber angemeldet. "Wobei eine Nutzung des Fahrzeugs ja unabhängig vom Wohnort erfolgen kann", gibt Geschäftsführer Michael Nowack zu Bedenken. "So haben schon einige Kurgäste das Fahrzeug während ihres Aufenthalts genutzt."

In einem Jahr läuft der Vertrag mit dem Carsharing-Betreiber aus, dann müsste neu verhandelt werden. Dabei spielt auch der wirtschaftliche Aspekt bei aller Liebe zur Umwelt eine gewichtige Rolle, wie Link betont. Denn fest steht: Derzeit werden die Kosten für das E-Auto in Königsfeld nicht durch die Nutzung gedeckt. "Das bleibt ein Zuschussgeschäft", betont der Bürgermeister.