Joel Schätzle ist im dritten Ausbildungsjahr. Sein Lehrmeister Edgar Seckinger hat sich im Jahr 1993 mit einer Schreinerei in Königsfeld-Weiler selbstständig gemacht. Fotos: Klossek-Lais Foto: Schwarzwälder Bote

Ausbildung im Wandel / Lehre unterscheidet sich zu früher

Seit knapp 30 Jahren hat Edgar Seckinger seinen eigenen Betrieb. Viele Lehrlinge hat er kommen und gehen sehen. Abgebrochen hat bislang nur einer. Obwohl es nicht immer leicht mit den Auszubildenden ist, will er sie nicht missen.

Königsfeld-Weiler. "Ha das weiß ich auch nicht mehr so genau." Diese Antwort gibt Edgar Seckinger auf die Frage, warum er eigentlich Schreiner geworden ist. Immerhin hat er auf das Wann sofort eine Jahreszahl parat: 1976. Damals lernte Seckinger als Teenager das Handwerk, das er bis heute ausübt, seit 1993 im eigenen Betrieb.

Schlechte Verkehrsanbindung ist ein Nachteil

Mit der Ausbildung kennt Seckinger sich aus. Nicht nur, weil er sie selbst durchlaufen hat, sondern weil er regelmäßig junge Menschen an das Handwerk heranführt. "Ich mag es, anderen etwas beizubringen, sie für die Sache zu begeistern", erzählt er.

Dass er im Zuge dessen besonders viel Engagement an den Tag legt, bestätigt ihm nun die Handwerkskammer Konstanz. Denn die Schreinerei Seckinger ist seit diesem November einer der 224 Ausbildungsbetriebe, die mit dem sogenannten Voraus-Zertifikat ausgezeichnet wurden. Vier Firmen haben 2020 im Schwarzwald-Baar-Kreis die für drei Jahre geltende Würdigung erstmals erhalten.

Dass er am Bewerbungsprozess überhaupt teilgenommen hat, hatte für den Schreinermeister nach eigener Aussage ganz praktische Gründe. "Man muss als Betrieb auch weiter für Azubis attraktiv bleiben", erzählt er.

Denn wie in vielen Branchen ist auch im Schreinerhandwerk die Zahl jener, die diesen Beruf ergreifen wollen, zurückgegangen. Allein derzeit finden sich im Gebiet der Handwerkskammer Konstanz elf offene Stellen – teilweise mit Eintrittsdaten, die schon in der Vergangenheit liegen.

"Hinzu kommt, dass es in einem Ort wie Weiler noch schwerer ist, Lehrlinge zu gewinnen, als anderswo", sagt er. Ein Beispiel sei etwa die schlechte Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. "Da braucht der Lehrling schon ein Auto", gibt Seckinger zu bedenken. Und auch die Löhne seien in der Regel in der Industrie eben höher als im Handwerk.

Es kostet Mühe, Zeit und Geld – doch bringt auch etwas

Hat man einen passenden Interessenten gefunden, habe man damit nicht automatisch für die nächsten drei Jahre ausgesorgt, so der Schreiner. Früher zog man aus seiner Sicht ohne Wenn und Aber einfach seine Ausbildung durch. Heute komme es hingegen schon einmal vor, dass man einem Lehrling bei Krankheit hinterhertelefoniere und Zeit sowie Energie investiere, um sie bei der Stange zu halten. "Früher hat es solche Mätzchen nicht gegeben", meint er.

Nichtsdestotrotz möchte Seckinger nicht darauf verzichten, in seinem Betrieb auszubilden. "Es macht Mühe, kostet Zeit und Geld – aber der Lehrling bringt einem ja auch was und gibt etwas zurück", betont er.

Derzeit hat er beispielsweise einen Auszubildenden bei sich, der im Hinblick auf seinen Lebenslauf etwas aus der Reihe fällt. Joel Schätzle befindet sich im dritten Lehrjahr und hat vor seiner Ausbildung das Abitur abgelegt.

Während sich viele in solchen Fällen für ein Studium entscheiden oder in die Industrie abwandern, hat sich Schätzle dem Trend widersetzt und sich für eine Lehre beworben. Über eine Zeitungsannonce landete der Langenbacher schließlich in Weiler bei Edgar Seckinger.

Es ist ein Schritt, den Schätzle nach eigener Aussage bislang nicht bereut hat. "Ich würde es wahrscheinlich wieder machen", sagt er. Dabei räumt der junge Mann ein, dass ihm nicht immer alles Spaß macht. So sei es Fluch und Segen zugleich, in einem kleineren Betrieb zu arbeiten. Denn dort lerne er noch jegliche Arbeiten kennen, die eine Schreinertätigkeit umfasst, und muss daher auch jene übernehmen, die ihm nicht ganz so viel Spaß machen. Große Betriebe sind derweil eher auf bestimmte Themen spezialisiert. "Es gibt wirklich wenig, was wir nicht machen." Diese große Bandbreite schätze er dennoch.

Fragt man Schätzle, warum er Schreiner werden wollte, hat er eine Antwort parat – schließlich liegt sein Ausbildungsbeginn noch nicht so weit in der Vergangenheit wie der seines Chefs: "Ich habe einfach das Holz für mich entdeckt und will am Abend sehen, was ich geschafft habe."