Viele, die bei der Integration der Jesidinnen geholfen haben, feiern gemeinsam mit ihnen ein Fest. Foto: Klossek Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Jesidinnen feiern gemeinsam mit ehrenamtlichen Helfern die Verleihung des Friedensnobelpreises

Anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises an Nadia Murad fand in Königsfeld am Montagabend eine Feier statt. Dabei rührte die Geflüchteten auch eine besondere Verabschiedung zu Tränen.

Königsfeld. Es scheint im ersten Moment wie ein Familientreffen. Die Tische im Helene-Schweitzer-Saal in Königsfeld sind festlich gedeckt, kleine Kinder wuseln umher. Menschen begrüßen sich, fallen sich in die Arme. "Du bist aber groß geworden", sagt ein Mann, während er sich zu einem Jungen herunterbeugt.

Dass sie hier alle ein bisschen wie eine große Familie sind – das betonte später auch Hans-Beat Motel, Leiter des örtlichen Arbeitskreises für Integration, in seiner Rede. Nahezu auf den Tag genau drei Jahre hat er sich mit zahlreichen weiteren Ehrenamtlichen, der Kommune sowie Institutionen des Landkreises bemüht, die in Königsfeld lebenden Jesidinnen zu integrieren. Im Rahmen eines von der Landesregierung bewilligten Sonderkontingents waren sie 2015 nach Deutschland gekommen.

Viele stammen aus Kocho

Sie alle feierten an diesem Abend nicht nur die Integra tion der Frauen. Sie trafen sich auch, um die Auszeichnung von Nadia Murad zu feiern. Viele Hundert Kilometer weit entfernt, in der Hauptstadt Norwegens hatte sie nur wenige Stunden zuvor den Friedensnobelpreis erhalten. Murad, die ebenso wie die Mehrheit der Jesidinnen aus dem Dorf Kocho stammt, setzt sich für die strafrechtliche Verfolgung von sexueller Gewalt gegen Frauen im Krieg ein.

"Es ist ein ganz besonderer Tag", sagte Motel und blickt in die Runde der Ehrenamtlichen, Geflüchteten und Vertretern von Verbänden und der Kommune, die an diesem Abend zahlreich erschienen waren. Der Preis an Murad beinhalte eine Botschaft. "Er macht darauf aufmerksam, wie brutal gegen Frauen und Kinder vorgegangen wird", so der Ehrenamtliche.

Ebendiese Auszeichnung gebühre nicht nur Murad alleine – sie stehe vielmehr für all jene, die Gewalt durch den sogenannten Islamischen Staat erfahren haben. "Ihr seid alle Preisträger", wandte er sich an die Jesidinnen.

Frauen werden versklavt

Was die Frauen und ihre Familien durchmachen mussten, wurde durch einen Bildervortrag den Anwesenden vor Augen geführt. Zwei junge Jesidinnen beschrieben die Fotos: Männer, die wegen ihres Glaubens erschossen wurden. Frauen, die versklavt wurden. Junge Erwachsene, die noch heute als vermisst gelten. In Deutschland, so die Mädchen, habe man eine neue Heimat gefunden.

Einen großen Teil hierzu hat auch Anneliese Spangenberg beigetragen. Sie hat die Frauen seit ihrer Ankunft im Dezember 2015 in Königsfeld betreut, war deren Bezugsperson, ihr Anker. Im Rahmen der Feier wurde Spangenberg in den Ruhestand verabschiedet und ihre langjährige soziale Tätigkeit gewürdigt. "›Vielfalt leben‹ steht sinnbildlich für sie als Person", hieß es etwa vonseiten des Sozialdezernatsleiters des Landratsamts, Jürgen Stach. "Du warst für viele der Manager, die Mutter, die Lebensgeleiterin und die Freundin", schloss sich Dorothee Stoffers, Leiterin der Migrationsdienste beim DRK-Kreisverband Villingen-Schwenningen, an.

Als Zeichen dafür, dass Solidarität in Königsfeld mit an erster Stelle steht, wertete Bürgermeister Fritz Link die vergangenen drei Jahre. Als "nicht selbstverständlich" bezeichnete er das Engagement, das sich in dieser Zeit in Königsfeld gezeigt habe.

Arbeit ist ein Privileg

Als Spangenberg vor die Zuhörer tritt, sind es nicht viele Worte, die sie verliert – doch scheinen sie den Frauen aus der Seele zu sprechen. Nach und nach kommen die Jesi dinnen auf die Bühne, bringen ihre Kinder und die Männer mit. "Traurig, ängstlich, mit gebrochenem Herzen kamen sie zu uns", sagt Spangenberg und blickt in die Runde. Es sei ein "großes Privileg" gewesen, diese Frauen zu unterstützen und zu begleiten.

Als der offizielle Teil zu Ende ist, nimmt Spangenberg die Frauen in den Arm. Eine nach der anderen wird gedrückt. Eine nach der anderen beginnt zu weinen. Spangenberg und die Jesidinnen – diese Beziehung geht über ein Sonderkontingent hinaus. Sie ist mehr als eine Auszeichnung. Hier in Königsfeld sind sie eine Familie geworden.