Boris Palmer und Winfried Kretschamnn: Schwarz-Grün – nur ein vorübergehendes Aus Foto: dpa

Ob Kretschmann, Palmer oder Walker: Grünen-Politiker aus dem Land loben trotz der gescheiterten Sondierungsgespräche das neue Verhältnis zur Union.

Stuttgart - Noch ist unklar, welche Farbenkonstellation die neue Bundesregierung hat. Aber so viel steht zumindest fest: Schwarz-Grün dürfte es nicht werden. In der Nacht zum Mittwoch waren die Vertreter von CDU, CSU und Grünen mit der Erkenntnis auseinandergegangen, dass es für ein Bündnis nicht reicht. Oder muss es eher heißen: noch nicht reicht.

Aus Sicht des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer ist die Absage an eine schwarz-grüne Bundesregierung kein grundsätzliches, sondern nur ein vorübergehendes Aus. „Schwarz-Grün ist für die drei beteiligten Parteien und die Gesellschaft ein ungewohntes und schwieriges Unterfangen, das nicht ohne intensive Vorbereitung gelingen kann“, sagt der Grünen-Politiker am Mittwoch unserer Zeitung. Im zurückliegenden Bundestagswahlkampf hätten aber „beide Seiten die Wände hochgezogen. Glaubwürdig kommt man da nicht mehr heraus.“ Palmers Bilanz der Sondierung: „Wenn man nur die inhaltlichen Angebote der Union betrachten könnte, dürfte man sagen: Vor allem die Merkel-CDU bewegt sich weiter auf uns zu. Koalitionen sollten und könnten in Zukunft machbar sein.“

So sieht das auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der für die Grünen an den Sondierungsgesprächen teilgenommen hatte. Es sei für beide Seiten überraschend gewesen, wie konstruktiv und ernsthaft die Gespräche geführt worden seien, sagt der Grüne am Mittwoch als Bilanz der nächtlichen Sitzung. Beide Seiten seien ernsthaft bemüht gewesen, aufeinander zuzugehen. „Das ist ein Wechsel auf die Zukunft. Darauf können wir aufbauen.“ Am Ende habe aber das Zutrauen gefehlt, eine belastbare Basis für vier Jahre schaffen zu können.

Niederlage für Kretschmann?

Die CDU wertet die Absage an Schwarz-Grün auch als Niederlage für Kretschmann. Gerade CDU-Landeschef Thomas Strobl hatte sich zuletzt wiederholt für ein Bündnis mit den Grünen starkgemacht. Offensichtlich habe sich der Wahlkampf-Spitzenkandidat Jürgen Trittin aber erneut gegen Kretschmann durchgesetzt. „Entgegen aller Ankündigungen, bundespolitisch eine größere Rolle zu spielen, ist Kretschmann erneut gescheitert“, giftet Strobl.

Im Gegensatz zu Trittin hatte sich der Stuttgarter Regierungschef wiederholt auch offen für schwarz-grüne Koalitionen gezeigt. Von einer Niederlage für Kretschmann könne überhaupt nicht die Rede sein, schallt es umgehend von der Grünen-Landesvorsitzenden Thekla Walker zurück. Der Vorwurf, Kretschmann habe sich mit seinem realpolitischen Kurs in der Sondierungskommission nicht durchgesetzt, sei unbegründet. „Die Konstellation war gut“, sagt Walker unserer Zeitung. Auch eine rein realpolitisch geprägte Sondierungskommission hätte ihrer Ansicht nach keine anderen Ergebnisse erzielt. „In den großen Linien hat sich eben gezeigt, dass es keine Übereinstimmung mit der Union gab.“ Von einem Scheitern Kretschmanns könne schon deshalb keine Rede sein, weil die Grünen im Verhältnis zur Union „einen Schritt weiter“ gekommen seien: „Die atmosphärischen Störungen sind vom Tisch.“ Walker bekräftigt zugleich die Erwartung, dass die Partei auf Bundesebene künftig stärker die Grünen-Länderinteressen berücksichtigt: „Das ist ein Prozess, der gerade erst begonnen hat.“

So sehen sich die Grünen am Mittwoch nicht als Verlierer, sondern als heimliche Sieger. Claudia Roth spricht von nun geschaffenen Voraussetzungen für einen anderen politischen Umgang der beiden Lager miteinander. Und CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe bestätigt: „Ich glaube, dass die Gespräche gleichwohl auch über den Tag hinaus einen Sinn haben.“ Wie man miteinander umgegangen sei und Sachthemen erörtert habe, „das tut dem parlamentarischen Miteinander gut“. Union und Grüne seien ein Stück zusammengerückt. Wer hätte das noch vor einigen Wochen gedacht.