Vier Tenöre standen auf der Bühne. Foto: Thomas Fritsch

"Kloster in Flammen" bildet traditionell den Abschluss des Klostersommers in Hirsau. Das sollte auch 2022 nicht anders sein – nur musste die Veranstaltung diesmal ohne Flammen auskommen. Das Feuerwerk wurde abgesagt. Das musikalische Feuer indes brannte lichterloh.

Calw-Hirsau - Das "Kloster in Flammen" in Hirsau fand in diesem Jahr ohne Feuerwerk statt. Dirigent Volker Christ versprach, dass die "Bühne trotzdem, nämlich musikalisch, brennen wird". Er sollte Recht behalten. Am Ende schmetterten vier Tenöre, eine Sopranistin auf Drängen der restlos begeisterten Zuhörer ein zweites Mal das "O Sole mio" in den Kreuzgang. Die herrliche Mixtur aus Klassik und Pop ließ keine musikalischen Wünsche offen.

Wie bei jedem Klostersommer wurde auch diesmal mit "der harmonischen Verbindung von opulenter klassischer Musik und einem musiksynchronen Feuerwerk" geworben. Doch wurde in der Öffentlichkeit schon seit Längerem darüber spekuliert, ob das Feuerwerk angesichts der hohen Trockenheit überhaupt stattfinden könne. Trotz berechtigt großer Befürchtungen war es für die meisten in der Warteschlange vor dem Eingang dann doch überraschend, als sie auf einem gedruckten Plakat lesen mussten, dass das Feuerwerk nicht stattfindet. Der Veranstalter Jürgen Ott erklärte dort, dass er "lange mit sich gerungen hat; letztendlich aber aufgrund der Gefahrenlage angesichts der großen Trockenheit abgesagt hat".

Sängerische Darbietungen

Wie gesagt: Das musikalische Feuer brannte schön und lichterloh. Der Funken sprang auf die Zuhörer über. Sie waren begeistert.

Der musikalische Leiter Volker Christ zeigte sein Können nicht nur als Taktstockmeister. Durch seine Begabung zum Conferencier fühlten sich die Zuhörer im ausverkauften Kloster stets mitgenommen und bestens informiert. Nach dem "Appetithappen" der Ouvertüre zu Georges Bizets Carmen wusste Christ mit wenigen Worten einiges über die Angebetete, ihren Verehrer Don José, Glut und Begehren und das missliche Ende der Story zu berichten.

Später eröffnete der 50-jährige, in Seoul geborene Han Bo Jeon, dessen künstlerische Heimat das Staatstheather in Nürnberg ist, mit einer Tenorarie, ebenfalls aus Carmen, die sängerischen Darbietungen.

Ihm folgte der mexikanische Tenor Oscar de la Torre, der laut Moderation "alle wichtigen Partien des italienischen Fachs gesungen hat". De la Torres besondere Spezialität "sein sehr leichtes, geschmeidiges Falsett", das ihn von seinen Kollegen abhebr; er kann also "bestimmte hohe Töne viel flexibler singen". Gemäß Rossinis Thema "La Danza" brachte der Tenor bei "diesem wilden halsbrecherischen Tanz" nicht nur die Stimme ins Schwingen. Des Sängers Körper war voller Bewegung.

Lacher geerntet

Die Sopranistin Barbara Felicitas Marin, eine Sängerin die im Koloratursopran zu Hause ist, also "Partien mit halsbrecherischen Höhen und schnellen Passagen singt" (Volker Christ), machte das Publikum mit Toscas "vissi d’arte" staunend.

Ein Bravourstück ließ Theodor Browne hören. Mit Gaetano Donizettis "A mes amis" drang Browne in Hochlagen einer Männerstimme vor, die ansonsten "berüchtigt sind" (Zitate Christ). Alleine in diesem Part wurde dem Sänger neunmal "das hohe C" abverlangt. Frenetischer Beifall belohnte Browne für das Kunststück.

Mit Humor forderte Richard Wiedl "Komm mit nach Varasdin". Der gebürtige Münchner erntete manchen Lacher für seinen Streifzug in die Operette. Überzeugte auch durch große tänzerische Einlagen. Er konnte es; kein Wunder – der vielseitig Begabte war 1990 deutscher Vizemeister im Stepptanz.

Nach den Einzeldarbietungen von Tenor und Sopran ging auf der Bühne und beim Publikum so richtig die Post ab. Das folgende Programm war für das Publikum in köstliche Musikhappen filetiert und wurde feierlich zelebriert.

Gemeinsam erzeugten die Tenöre plus Sopranistin intensive Stimmgewalten. Die Stücke waren samt und sonders Ohrwürmer. "Dein ist mein ganzes Herz" sowie "La donna é mobile" machten den Auftakt. Auszüge aus der West-Side-Story ("Maria" und "I feel pretty") waren dann schon der Kategorie "moderne Musik" zuzuordnen.

Travestiestar gespielt

Volker Christ erklärte die Botschaft, die "I am what I am" vermittelt. Das bekannteste Stück aus der Broadwaykomödie "Ein Käfig voller Narren" enthielt die Verkündigung, "man solle zu sich selbst stehen". Richard Wiedl zog hohe Schuhe nebst Ohrringen an und spielte Albin, den Travestiestar aus dem Musical. Dann wurde es richtig gewaltig. Vier Tenöre mit "O sole mio" und "Funiculi Funicola" – dazu das grandiose Sinfonieorchester. Das war schon allererste Sahne.

Wer erinnert sich nicht an das Duo Freddie Mercury und Montserrat Caballé? In Hirsau nahmen Barbara Felicitas Marin und Theodor Browne das Publikum mit auf die Reise nach "Barcelona". Als dann die Sopranistinmit vier Tenören "We are the Champions" anstimmten, gab es stehende Ovationen samt dem obligatorischen Handy-Lichtermeer.

Dann war Zeit, um sich auf Wiedersehen zu sagen. Für das gelungene Ende des Abends und somit auch des Klostersommers 2022 sorgte das Frankfurter Sinfonieorchester mit Theodor Browne und der wunderbaren Barbara Felicitas Marin. Sie blickten sich in die Augen und sangen "Time to say goodbye".