Hat ein Pfleger der Psychiatrie im Krankenhaus Freudenstadt einen aggressiven Patienten misshandelt? Nein, sagt er und klagt vor dem Arbeitsgericht in Pforzheim gegen die fristlose Kündigung.
Freudenstadt - Krankenpfleger Daniel M. (Name geändert) kämpft um seinen Job. Doch seine Augen lächeln hoffnungsfroh, als er sich im Arbeitsgericht Pforzheim neben seine Verteidigerin setzt. Das Krankenhaus Freudenstadt hat ihn am 29. Juli 2021 fristlos gekündigt. Der Vorwurf: Der Pfleger der Psychiatrie soll einen hochaggressiven Patienten, der in Alkohol- und Drogenräuschen schon öfter ausgerastet war, misshandelt haben.
"Total aggressiver Typ"
Die Vorgeschichte: Der Patient stammt aus dem Landkreis und gilt bei der Polizei in Horb als anstrengender Fall. Aufgefallen war er am 26. Juli vorigen Jahres wegen einer Körperverletzung. Er wollte dem fast zwei Meter großen Polizisten mit dem Fuß gegen den Kopf treten. Die Beamten brachten den Mann, der epileptische Anfälle hat und schon in psychiatrischer Behandlung war, in Handschellen ins Krankenhaus. Der Polizist aus Horb: "Der Typ war total aggressiv. Hat immer wieder um sich geschlagen, mit dem Kopf gestoßen. Das sind so Fälle, die können wir nicht in unsere Zelle bringen. Weil das Risiko viel zu hoch ist, dass sie sich dort selbst oder andere verletzen."
In der Intensivstation hat Pfleger Karsten T. (42) Dienst. "Ich wollte deeskalieren. Der Patient wollte pinkeln. Ich habe die Polizei rausgeschickt, damit er Wasser lassen kann", sagt er aus. Doch der Patient schlug um sich. Ein Polizist: "Wir sind wieder rein und haben gesagt: Der Typ muss jetzt fixiert werden, ehe noch jemand verletzt wird." Dann kam Pfleger Daniel M. aus der Psychiatrie dazu. Der Horber Polizist sagt, während der Intensivpfleger nur herumgestanden habe, habe M. sofort zugepackt. Gemeinsam mit den Helfern des Rettungsdienstes sei es mit Mühe gelungen, den Mann zu fixieren.
Daumen im Auge?
Und dann passiert das, weshalb das Arbeitsgericht die Pfleger, die Polizisten, die diensthabende Ärztin und auch die Helfer des Roten Kreuzes auf der Zeugenliste hatten. Pfleger Karsten T.: "Der Patient wurde von uns reingetragen. Er war weiter kämpfend, hat alle beleidigt." Dann habe sein Kollege Daniel M. sein Knie auf den Bauch des Patienten und ihm einen Daumen ins Auge gedrückt. Ob weitere Zeugen in diesem Moment im Raum waren, könne er nicht mehr sagen. "Diese Szene hat mich sehr berührt", sagt der Zeuge. Auf Anraten seiner Freundin habe er sich an eine Psychologin der Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt (KLF) gewandt. Die meldete den Vorgang der Personalleitung – drei Tage später erging die fristlose Kündigung für den Psychiatrie-Pfleger Daniel M. Der sagt: "Da war gar nichts."
Das bestätigen die beiden Polizisten. "Ich war die ganze Zeit mit im Raum, in dem fixiert wurde. Weil wir wissen, dass die Aggression immer wieder in Schüben kommt, bleiben wir so lange, bis der Patient auf Station kommt." Das sei auch im vorliegenden Fall so gewesen. Der jüngere Kollege bestätigte dies, sagte aber, dass er nicht mehr genau wisse, wie lange er geblieben sei. "Wir waren hinterher fix und fertig, schweißgebadet", so der jüngere Beamte.
Polizisten entlasten Pfleger
Dann die Plädoyers. Andrea Schlosser, Anwältin von Daniel M.: "Der Zeuge Karsten T. hat die Unwahrheit gesagt. Zwei Polizisten, die in dieser Situation sehr zu kämpfen hatten und die es gewohnt sind, die Menschen im Auge zu behalten, haben nichts von dieser Szene gesehen. Die Polizisten haben eindringlich geschildert, wie wachsam sie die ganze Zeit waren. Weil sie befürchtet hatten, dass trotz Fixierung jemand verletzt werden könnte. Sie waren anwesend, bis der fixierte Patient das Zimmer verlassen hatte." Veronika Klein, Rechtsanwältin der KLF: "Der eine Polizist hat gesagt, dass er mal am Kopf- und am Fußende war. Das spricht dafür, dass diese Zeugen nicht die ganze Zeit den Blick auf den Patienten hatten. Und dafür, dass sie nicht die volle Sicht auf das Bett hatten. Die Polizisten haben die Szene nicht wahrgenommen. Zeuge T. hat die Wahrheit gesagt."
KLF schlägt Vergleich aus
Richter Lutz Haßel versuchte noch, einen Vergleich auszuloten. Anwältin Klein erklärte jedoch, dass es für die KLF um die Reputation geht: "Der Gedanke, dass Patienten im Krankenhaus misshandelt werden, kann natürlich für ein Krankenhaus schwerwiegende Folgen haben." Doch Daniel M. schüttelt den Kopf. Das Arbeitsgericht will in Kürze ein Urteil fällen.