Krankhaft übergewichtige Menschen haben ein erhöhtes Risiko für Diabetes, Herzinfarkt oder Schlaganfall – und die Zahl derer, die darunter leiden, steigt – auch im Kreis Freudenstadt. ( Symbolbild) Foto: JPC-PROD - stock.adobe.com/JEAN-PAUL CHASSENET

Adipositas ist eine chronische Erkrankung, die um Akzeptanz kämpft. Zum Welt-Adipositas-Tag an diesem Montag will die Deutsche Adipositas-Gesellschaft Bewusstsein schaffen. René Hennig, Chefarzt am Klinikum Freudenstadt, unterstützt das Anliegen.

Auch in Freudenstadt gehen die Fallzahlen stetig nach oben, heißt es in einer Mitteilung des Klinikums. Bis die Patienten im Adipositas-Zentrum ankommen, haben sie meist einen langen Leidensweg hinter sich. „Körperlich und psychisch“, erklärt René Hennig, Leiter des Adipositas-Zentrums Nordschwarzwald am Klinikum Freudenstadt, das 2022 eröffnet wurde.

 

Adipositas ist eine Ernährungs- und Stoffwechselkrankheit, von der rund ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland betroffen ist – zunehmend auch Kinder und Jugendliche. Seit Jahren gehen die Fallzahlen nach oben.

In der Therapie der Adipositas ist Deutschland jedoch ein Entwicklungsland. Bereits im Jahr 2000 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Adipositas als chronische Erkrankung anerkannt, die EU 2006 – Deutschland erst 2020. „Den Betroffenen wird häufig suggeriert, dass Adipositas keine Krankheit, sondern eine Charakterschwäche und Undiszipliniertheit sei“, so Hennig.

Disziplin reicht nicht, es braucht fachliche Hilfe

Zu den körperlichen Auswirkungen von Adipositas – zu den Begleiterkrankungen gehören Diabetes mellitus, Hypertonus oder frühzeitiger Gelenkverschleiß – komme oft die soziale Isolation. „Manche Patienten konnten über Jahre kaum noch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen“, sagt Hennig.

Mit allen in der Adipositas-Medizin erfahrenen Kollegen bemüht er sich darum, Adipositas zu entstigmatisieren. „Wir müssen davon wegkommen, es als selbstverschuldetes Leiden zu sehen“, appelliert Hennig. „Adipositas entsteht nicht einfach, indem man zu viel isst. Es ist eine chronische Erkrankung mit komplexen Ursachen und einem oft fehlenden Sättigungsgefühl. Das Verhältnis von Nahrungsmittelaufnahme und -bedarf stimmt nicht. Hier braucht es eine entsprechende fachliche Hilfe.“

Chirurgische Therapien oft die letzte Möglichkeit

Da konservative Maßnahmen, auch mit ärztlich geführten Ernährungs- und Bewegungsprogrammen, häufig erfolglos seien, stellten chirurgische Therapien für viele Betroffene die letzte, auch effektivste und nachhaltigste Möglichkeit dar. „Bis jemand zu uns kommt, hat er meist schon alles andere probiert. Egal ob Diäten oder Sportprogramme“, sagt Hennig. „Diese Menschen sind nicht undiszipliniert, sie sind verzweifelt.“

Die Therapie am Adipositas-Zentrum findet in einem interdisziplinären Team aus Ärzten und Therapeuten statt. Für die Behandlung stehen verschiedene Operationsverfahren zur Verfügung, die auf eine Reduzierung der Magenkapazität und die verminderte Aufnahme von Nährstoffen zielen. Welche Therapie oder Operation für die Patienten jeweils empfehlenswert ist, entscheidet das Adipositas-Board, in dem alle Spezialisten zusammensitzen.

Gefahr von Spätfolgen kann gesenkt werden

Optische Anliegen oder Idealmaße seien dabei nebensächlich. Im Fokus stünden die Stabilisierung und Wiederherstellung des allgemeinen Gesundheitszustands der Patienten. „Gewichtsabnahme ist oft gar nicht das erste Zeichen des Behandlungserfolgs“, so Hennig. Die schnellsten und wichtigsten Erfolge zeigten sich eher in einem Absinken des Blutzuckerspiegels, dank dessen ein Absetzen der Diabetesmedikamente und des Insulins möglich werde. Damit sinke auch die Gefahr von Spätfolgen wie Durchblutungsstörungen mit Nieren- und Augenschädigungen, Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Auch ein Bluthochdruck normalisiere sich früh, so dass oft auf Blutdruck senkende Medikamente verzichtet werden könne. „Diese Begleiterkrankungen stellen oft die größere Lebensbedrohung dar und erhöhen den Leidensdruck immens“, erklärt Hennig. Für ihn und sein Team ist eine Behandlung erfolgreich, wenn die Patienten mit einer stabilen Gesundheit wieder ein normales Leben führen können.

Der Weg ins Adipositas-Zentrum Nordschwarzwald

Sprechstunde
Erste Anlaufstelle für Patienten ist immer die Sprechstunde des Adipositas-Zentrums am Klinikum Freudenstadt. Dort findet eine Anamnese statt und die Patienten erhalten umfassende Informationen zu Operationen und konservativen Behandlungsmöglichkeiten. „Wenn sich ein Patient dann zur Behandlung entschließt, folgt eine umfangreiche interdisziplinäre Untersuchung. Anschließend entscheiden wir, welche Behandlung am besten wäre“, erklärt Chefarzt René Hennig. Die Kosten einer Operation übernimmt die Krankenkasse.

Informationen
Kontaktmöglichkeiten und Angebote des Adipositas-Zentrums im Nordschwarzwald sind auf der Website des Klinikums Freudenstadt zu finden unter www.klf-web.de, Rubrik „Abteilungen finden“, Menüpunkt „Zentren“ (Klinik Freudenstadt -Adipositaszentrum).