Der wegen mehrfachen Mordes und Mordversuchs an Patienten angeklagte, ehemalige Krankenpfleger im Landgericht Oldenburg. Foto: dpa

Im Fall eines Krankenpflegers, der in einer Klinik in Niedersachsen Patienten getötet haben soll, ist es am Donnerstag zu einer überraschenden Wende gekommen. Der Angeklagte hat die Taten im Gespräch mit einem psychiatrischen Gutachter zugegeben.

Oldenburg - Es könnte eine der größten Mordserien in Krankenhäusern sein: Bis zu 30 Patienten soll ein Krankenpfleger getötet, bei 60 weiteren es versucht haben. In Gesprächen mit einem psychiatrischen Gutachter hat er die Taten erstmals zugegeben.

Dieser verlas am Donnerstag eine entsprechende Stellungnahme im Prozess am Landgericht im niedersächsischen Oldenburg. Demnach hat der Angeklagte 90 Patienten am Klinikum Delmenhorst eigenmächtig ein Herzmedikament gespritzt, das schwere Komplikationen verursachte.

Die Polizei wird trotz dieser Angaben weiterhin alle Todesfälle während der Dienstzeiten des Pflegers an der Delmenhorster Klinik und anderen Arbeitsstätten überprüfen. "Das Geständnis des Angeklagten ist ein Puzzleteil in den intensiven Ermittlungen", teilte der leitende Oberstaatsanwalt Roland Herrmann mit. In seiner Stellungnahme hatte der Pfleger allerdings angegeben, an seinen Arbeitsstätten in Oldenburg, Wilhelmshaven und bei den Rettungssanitätern Kranken keinen Schaden zugefügt zu haben.

Überraschendes Geständnis

Mit dem Geständnis nahm der Prozess gegen den ehemaligen Pfleger eine überraschende Wende. Der 38-Jährige ist wegen dreifachen Mordes und zweifachen Mordversuchs an Patienten auf der Delmenhorster Intensivstation angeklagt. Die Vorwürfe habe der Mann in den Gesprächen weitgehend eingeräumt, sagte der Psychiater vor Gericht aus. Er hatte sich im Dezember und Januar viermal mit dem Angeklagten getroffen. Dabei habe sich dieser zutiefst beschämt über seine Taten geäußert, an die er sich nicht vollständig erinnern könne.

Bis zu 30 Patienten starben laut der Stellungnahme des Angeklagten von 2003 bis 2005 in Delmenhorst, nachdem er ihnen das Medikament gespritzt hatte. Zu den Motiven äußerte er sich nicht. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft löste er die tödlichen Notfälle aus, um zu beweisen, wie gut er Patienten wiederbeleben kann. Später habe er aus Langeweile mit dem Leben der Kranken gespielt. Dem Gutachter sagte der Angeklagte, sein Handeln sei nicht entschuldbar. Er sei sich bewusst, dass er den Angehörigen großes Leid zugefügt habe.

2005 auf frischer Tat ertappt

Ein Ende nahm die Serie erst, als eine Kollegin den Pfleger im Sommer 2005 auf frischer Tat ertappte. Das Landgericht Oldenburg verurteilte ihn im Dezember 2008 wegen Mordversuchs zu siebeneinhalb Jahren Haft. Damals schon gab es Hinweise, dass das Ausmaß der Taten viel größer sein könnte. Gegen zwei damals zuständige Staatsanwälte wird deshalb wegen Strafvereitlung im Amt ermittelt.

Eine Sonderkommission der Polizei geht inzwischen mehr als 170 Verdachtsfällen nach. Das Klinikum in Oldenburg hatte im vergangenen Jahr einen Experten den Tod von Patienten während der Dienstzeit des Pflegers untersuchen lassen. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass zwölf Patienten möglicherweise nicht auf natürliche Weise gestorben sind.

Der Geschäftsführer des Klinikums Oldenburg, Dirk Tenzer, sagte, mit dem Geständnis ändere sich für sein Haus zunächst nichts. Die Klinik stelle sich der Verantwortung, dass in einem Gutachten die zwölf verdächtigen Todesfälle festgestellt wurden. Die Ermittlungsbehörden müssten klären, ob die Aussage des Angeklagten, in Oldenburg keine Taten verübt zu haben, der Wahrheit entspricht. Das Klinikum hatte angekündigt, an die Erben der möglichen Opfer Entschädigungszahlungen zu leisten. Sobald alle ermittelt seien, sollen sie angeschrieben werden, sagte Tenzer.