Im Kreis Calw wird wieder um die Zukunft der Kliniken gerungen. Foto: Thomas Fritsch

Erst im Dezember hatte der Calwer Kreistag dem Medizinkonzept 2030 sowie der Klinik-Fusion zugestimmt. Was beschlossen wurde, darf aber nun vorerst nicht umgesetzt werden. Der Grund: Eine gesetzliche Frist wurde nicht eingehalten. Und es war möglicherweise nicht die letzte Klage gegen das Vorhaben.

Calws Oberbürgermeister Florian Kling und Bernd Neufang, Vorsitzender der Bürgerinitiative Gesundheitsversorgung Kreis Calw, hatten davor gewarnt.

 

Nun ist geschehen, was die beiden prophezeiten: Das Verwaltungsgericht Karlsruhe erklärte die Beschlüsse des Kreistags Calw zur Medizinkonzeption 2030 sowie zur beabsichtigten Klinikfusion für rechtswidrig. Der Grund: Eine entscheidende Frist sei nicht eingehalten worden.

Nur wenige Tage vor der Sitzung im Dezember vergangenen Jahres hatten Kling und Neufang darauf bereits hingewiesen.

Laut Paragraf 29 der Landkreisordnung des Landes müssen Tagesordnung samt Unterlagen einer Sitzung den Betroffenen „in der Regel mindestens sieben Tage vor dem Sitzungstag“ zugehen – andernfalls, so hatte Kling erklärt, gerate die Rechtssicherheit des Beschlusses in Gefahr.

Das ist nun geschehen.

Das sagt das Gericht Mit Beschluss vom 13. Februar habe die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe einem Eilantrag gegen die Beschlüsse des Kreistags stattgegeben, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts vom Mittwoch.

Der Kreistag hatte sich mehrheitlich sowohl für das Medizinkonzept als auch für die Fusion der Klinikgesellschaften ausgesprochen.

Vertagung abgelehnt

Ein Mitglied des Kreistags, namentlich Eberhard Bantel (Freie Wähler), wandte sich Ende des vergangenen Jahres jedoch mit einer Klage und einem Eilantrag dagegen – weil die Kreisräte die Unterlagen erst fünf Tage vor der Sitzung bekommen hätten.

Dies sei dem Umfang der Unterlagen und der Tragweite der Reform, die die Gesundheitsversorgung in den beiden Landkreisen für die nächsten Jahrzehnte betreffe, nicht angemessen und habe keine sachgerechte Vorbereitung ermöglicht.

Bereits in der Sitzung hatte Bantel dies bemängelt und eine Vertagung beantragt. Der Kreistag lehnte das mehrheitlich ab.

Das Verwaltungsgericht urteilte nun, Bantel sei „durch die zu kurze Vorbereitungszeit in seinem Recht auf freie Mandatsausübung als Kreisrat verletzt worden“. Dem Eilantrag wurde daher entsprochen. Die Beschlüsse seien rechtswidrig und dürfen bis zur Entscheidung über die Klage nicht umgesetzt werden.

Es bleibe dem Kreistag jedoch unbenommen, nach ordnungsgemäßer Einberufung erneut über die beiden Punkte zu beschließen. Die Beteiligten könnten gegen den Gerichtsbeschluss zudem innerhalb von zwei Wochen Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einlegen.

Das sagt Calws Landrat Für Landrat Helmut Riegger kam die Entscheidung überraschend, heißt es in einer Pressemitteilung des Calwer Landratsamtes. „Angesichts der monatelangen, sehr intensiven Beratungen in der Öffentlichkeit und in den Gremien sind wir nach wie vor der Auffassung, dass der Kreistag am 18. Dezember 2023 vollumfassend über beide Themen informiert war“, wird Riegger zitiert.

Das Calwer Landratsamt hatte zudem bereits im Dezember erklärt, dass in begründeten Ausnahmefällen von der sieben-Tage-Frist abgewichen werden könne.

„Würde alles zu lange dauern“

Um nun schnell voranzukommen, will der Landrat aber weder Beschwerde einlegen noch das Hauptverfahren abwarten. „Das würde alles zu lange dauern. Grundsätzlich richtet sich die Entscheidung des Gerichts gegen das formale Vorgehen und nicht gehen den Inhalt der Beschlüsse“, so Riegger.

Der Kreistag sei sich in großer Mehrheit einig gewesen und das Gericht habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass erneut beraten und beschlossen werden dürfe.

Daher sei geplant, „dem Kreistag nun sehr rasch die Unterlagen bezüglich Medizinkonzeption 2030 und Fusion der Klinikgesellschaften“ vorzulegen.

Ziel sei, Ende Februar oder Anfang März die Beschlüsse fassen zu können. Sowohl Medizinkonzeption 2030 als auch Fusion könnten im geplanten Zeitraum umgesetzt werden.

Das sagt Böblingens Landrat Böblingens Landrat Roland Bernhard, zugleich Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikverbund Südwest, begrüßt laut einer Mitteilung Rieggers Absicht, „mit einer zeitnah herbeigeführten erneuten Beschlussfassung des Kreistags diesen Formfehler zu heilen“.

Auch Bernhard rechnet dadurch nicht mit wesentlichen Verzögerungen. Im Kreis Böblingen werde in Kürze über nötige Baumaßnahmen an den Krankenhaus-Standorten Leonberg und Herrenberg beraten.

Medizinkonzept und Fusion „enorm wichtig“

Für die Fusion würden aktuell vorbereitende Arbeiten laufen, „damit – wenn der Formfehler geheilt ist – die Fusion, wie angestrebt, rückwirkend zum 1. Januar 2024 rechtskonform umgesetzt werden kann“.

Generell seien Medizinkonzept und Fusion „enorm wichtig, um die qualitativ hochwertige medizinische Versorgung langfristig in kommunaler Trägerschaft zu sichern“.

Das sagt die Bürgerinitiative Bernd Neufang, Vorsitzender der Bürgerinitiative, spricht mit Blick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts indes von einem „Teilsieg“. Damit sei die Angelegenheit aber nicht erledigt.

Derzeit werde der Gesellschaftsvertrag zur Fusion seitens der Bürgerinitiative von einem Fachanwalt für Gesellschaftsrecht näher in Augenschein genommen und auf Rechtsverstöße geprüft. „Wenn das Gutachten vorliegt, werden wir weitere rechtliche Schritte einleiten“, so der Vorsitzende.

Dann könne auch eine Leistungsklage auf Unterlassung zum Tragen kommen. Eine solche wiederum könnte dazu führen, dass der Kreistag nicht nochmals denselben Beschluss fassen darf. Dies wäre der Fall, wenn erhebliche Rechtszweifel am Fusionsvertrag nachgewiesen werden.

Begründung des Gerichts

Das Verwaltungsgericht hatte dem Eilantrag aus gleich mehreren Gründen stattgegeben. So hätten etwa keine besonderen Gründe vorgelegen, um die gesetzliche Frist von sieben Tagen zur Versendung der Unterlagen zu verkürzen. Die Abstimmung sei lange vorbereitet worden und nicht eilbedürftig gewesen. Die Unterlagen hätten rechtzeitig übersendet werden können. Auch die Absprache, die Beschlüsse am gleichen Tag wie der Böblinger Kreistag zu fassen, stelle keinen rechtlich zwingenden Grund dar. Auch dass der Antragsteller selbst im Vorfeld an Sitzungen der Aufsichtsräte der Klinikgesellschaften teilgenommen habe, in denen die Klinikfusion bereits Thema war, stehe dem nicht entgegen. Dabei seien nicht alle Unterlagen bekannt geworden, insbesondere nicht die konkreten Beschlussvorlagen und die endgültige Fassung des Gesellschaftsvertrages zur Fusion.