Diese Windräder sind etwas zu groß für das Dach oder den Garten - an der kleinen Ausgabe sind allerdings immer mehr Häuslesbauer interessiert. Foto: dpa

700.000 Kleinwindräder sollen künftig auf deutschen Dächern ihre Kreise ziehen.

Stuttgart - Mit Kleinwindrädern auf Dächern und in Vorgärten wollen Energieexperten Deutschlands Häuslebauer unabhängiger vom Preisdiktat der Stromriesen machen. Ob sich die Technologie durchsetzt, ist allerdings unsicher.

Thomas Knapp sitzt in seinem Büro neben dem Stuttgarter Landtag und blickt auf die Stadt. "Dort könnte eine stehen", sagt er. "Und dort, und dort." Fast eine Minute geht das so. Dann wird Knapps Arm, den er gerade wie der Lehrer seinen Zeigestock über den halben Stuttgarter Kessel hat kreisen lassen, langsam schlapp, und Knapp sinkt in seinen Stuhl zurück. "Eigentlich könnte man auf fast jedem Dach eine kleine Windkraftanlage bauen."

Knapp ist energiepolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, und derzeit wirbelt er mit ungefähr der gleichen Energie durch die Landschaft wie ein Kleinkraftwerk bei Starkwind. Vor kurzem hat seine Fraktion im Landesparlament einen Antrag eingebracht, der eigentlich nur zum Ziel hat, den Nebel, den die sogenannte kleine Windkraft in Deutschland noch umwallt, zu lichten. Denn anders als bei den großen Windrädern, die mittlerweile industriell gefertigt werden, deren Standorte haarklein erfasst sind und auf die die Prüfer vom Tüv mit Argusaugen blicken, herrscht in puncto kleine Windkraft Wildwuchs.

Von den geschätzt 3000 bis 4000 Mikroanlagen in Deutschland stehen die meisten ohne Genehmigung auf irgendeinem Acker, Dach oder Hinterhof. Weil Zertifizierungen fehlen, kann es schon mal vorkommen, dass sich die Kraftwerke bei Starkwind selbst zerlegen oder zumindest so einen Krach machen, dass im Umkreis von hundert Metern an Schlaf nicht mehr zu denken ist. Solange die kleinen Windmühlen eine Spielerei von Tüftlern und Ökofreaks, irgendwo in den grenzenlosen Weiten der brandenburgischen Heide oder der nordfriesischen Tiefebene waren, war das nicht wirklich problematisch. Jetzt aber, da Experten den Mikrowindsystemen in Europa einen Boom vorhersagen, wird das Chaos zum Problem.