Seit 2022 machen Ehrenamtliche des Freundeskreises Flüchtlinge jährlich mehr als 200 Räder flott. Klaus Schweizer ist überrascht, wie hoch die Spendenbereitschaft in der Region ist.
Die Fahrrad-Werkstatt des Freundeskreises Flüchtlinge gibt es seit 2022. Dort werden gespendete Velos auf ihre Fahrtüchtigkeit hin kontrolliert, repariert und gegen eine kleine Gebühr an Bedürftige weitergegeben. Im Interview berichtet Klaus Schweizer, Leiter des Projekts, von den Anfängen und den Schwierigkeiten des Projekts – und warum ein fahrbarer Untersatz für Flüchtlinge so wichtig ist.
Herr Schweizer, wie ist die Idee für das Projekt entstanden?
Im Frühjahr 2022 kam ich in unserem Café international mit vier türkischen Männern ins Gespräch, die sich ehrenamtlich engagieren wollten. Zwei von ihnen erzählten, dass sie gerne Räder reparieren. Also haben wir beschlossen, eine Werkstatt ins Leben zu rufen. Seitdem arbeiten wir im Schlachthof, das Projekt läuft jährlich von April bis September.
Wie viele Fahrräder wurden bereits verkauft?
Jedes Jahr bekommen wir rund 250 Räder. Die, die zu alt sind, demontieren wir, um Ersatzteile zu gewinnen. Jährlich geben wir etwa 200 bis 220 Fahrzeuge weiter. Wir verlangen mindestens zehn und maximal 40 Euro. Kinderräder geben wir allerdings kostenlos weiter. Hin und wieder erhalten wir sogar E-Bikes.
Warum sind die Räder für Flüchtlinge so wichtig?
Wenn sie nach Deutschland kommen, sind sie in der Regel nicht mobil. Viele Flüchtlinge sind in der Geroldsecker Vorstadt untergebracht, ohne ein Rad würden sie vielleicht gar nicht in unser Café international im Westen der Stadt kommen. Auch zum Einkaufen werden die Räder genutzt. Und wer arbeiten darf, hat oft einen weiten Weg zurückzulegen. Nicht jeder kann sich öffentliche Verkehrsmittel leisten.
Was bringt die Teilnahme am Projekt den Freiwilligen?
Aktuell arbeiten rund zehn Personen in der Werkstatt. Sie kommen etwa aus der Türkei, der Ukraine, Palästina, Algerien und Syrien. Es ist ein multikulturelles Team aus verschiedenen Nationen. Viele suchen eine sinnvolle Aufgabe, sie wollen sich ehrenamtlich engagieren, um sich nützlich zu fühlen. Sie suchen hier gezielt nach Möglichkeiten, um sich in der Gesellschaft einzubringen und einen Beitrag zu leisten.
Gab es auch schon Schwierigkeiten?
Im Laufe der Jahre haben wir unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Seit vergangenem Jahr bekommt etwa jedes Fahrrad einen Aufkleber mit einem QR-Code, der auf unsere Website führt. Dort kann man genau sehen, woher das Stück kommt – mit Werkstattadresse, Telefonnummer und weiteren Infos. In den Anfangsjahren hatten Flüchtlinge oft Probleme mit der Polizei, weil sie schicke Räder fuhren und bei Kontrollen keine ausreichenden Nachweise vorlegen konnten. Durch die Aufkleber weiß die Polizei nun, dass die Fahrzeuge von uns kommen.
Wie nutzen Sie das Geld aus dem Verkauf?
Wir investieren es in unser Grundschulprojekt, mit dem Nachhilfe für Migrantenkinder umgesetzt wird. Früher haben wir die Räder kostenlos abgegeben. Die Erfahrung war jedoch nicht sehr gut, die Menschen sind nicht sehr pfleglich mit ihnen umgegangen. Wenn man etwas dafür zahlen muss, ist die Wertschätzung eine ganz andere.
Ist Ihnen eine Geschichte besonders im Gedächtnis geblieben?
Ich habe beim Freundeskreis einen Mann aus der Türkei kennengelernt. Er war die ersten beiden Jahre bei der Fahrradwerkstatt dabei, doch dann reichte ihm das nicht mehr. Vergangenes Jahr hat er nun in Lahr sein eigenes Fahrradgeschäft eröffnet. Das hat mich sehr gefreut
Welche Menschen spenden ihre Fahrräder?
In der Regel sind es Deutsche, die sie spenden. Und sie kommen nicht nur aus Lahr, sondern auch aus umliegenden Gemeinden. Das überrascht mich immer wieder. Erst neulich war tatsächlich jemand da, der auf seinem Anhänger zwei Fahrräder geladen hatte. Er kam extra aus Kappel, um uns seine Fahrräder zu schenken. Wir erleben sehr oft, dass Menschen weite Wege auf sich nehmen, um die Fahrzeuge zu uns zu bringen. Das ist wirklich toll. Gerade viele ältere Menschen haben sich inzwischen ein E-Bike angeschafft und die alten Fahrräder nehmen im Keller oder in der Garage Platz weg.
Spenden
Die Werkstatt des Freundeskreises Flüchtlinge nimmt noch bis Ende September samstags von 10 bis 12 Uhr im Schlachthof gebrauchte Räder aller Art entgegen. Sie sollten noch gut erhalten und nicht zu alt sein. Willkommen ist auch Zubehör, wie Helme, Schlösser, Körbe oder Kindersitze, Ersatzteile und Werkzeug. Die Werkstatt befindet sich im Gebäude rechts des Bistros. Weitere Informationen gibt’s im Netz unter www.freundeskreis-flüchtlinge-lahr.de