In deutschen Kindertagesstätten herrscht nach wie vor Personalnot. Während in einem Teil der Einrichtungen die Betreuungszeiten noch gut abgedeckt werden können, werden selbige in anderen Kitas gekürzt. Kommunen wie Ostelsheim müssen kreativ werden, um neue Erzieher für sich zu gewinnen.
Ostelsheim/Althengstett/Simmozheim/Gechingen - "Erzieher/in (m/w) gesucht. Die Kinder in Ostelsheim suchen pädagogische Fachkräfte" – das ist auf dem bunten Banner zu lesen, das auf Initiative des Gemeinderats an den Ortseingängen wie derzeit aus Richtung Gechingen aufgestellt wurde. Als "extremst angespannt" bezeichnet Bürgermeister Jürgen Fuchs die Situation in der Kita "Kunterbunt" im Gespräch mit unserer Redaktion. Grund sei der anhaltende Fachkräftemangel, der Markt sei leer gefegt. "Diese Not haben aber gerade alle", äußerte sich der Ostelsheimer Rathauschef weiter, die Kommunen befänden sich in einem Überbietungswettbewerb. Man sei jedenfalls kreativ geworden und habe die Idee für die Banner in die Tat umgesetzt oder mache mit pfiffiger Werbung in Verbindung mit einem QR-Code auf sich aufmerksam.
Eigentlich wird in der Kita "Kunterbunt" eine Betreuung von 7 bis 17 Uhr angeboten. An zwei Tagen in der Woche sei das momentan bis 15 Uhr möglich, den Rest der Woche würden die Jungen und Mädchen bis 13.30 Uhr betreut. Bei Krankheitsausfällen durch Corona müsse eine Notgruppe gebildet werden. "Wir suchen weiter dringend nach Erziehern und sind froh über die zwei anstehenden Bewerbungsgespräche, das ist ein positives Zeichen", berichtete Fuchs weiter. Als man das Neubaugebiet "Fuchsloch" auf den Weg gebracht habe, sei sofort auch an die Kita-Erweiterung gedacht worden. "Die Hardware, also die Räume, sind da. Wer hätte aber damals ahnen können, dass es mit der Software, dem Personal, so schnell eng werden würde", so der Verwaltungschef. Im Moment sei der Druck für alle Beteiligten hoch.
Bei Ausschreibungen im Ü3-Bereich läuft es zäh
"Wir sind in der glücklichen Lage, relativ wenig Fluktuation und ein stabiles Erzieherteam zu haben", äußerte sich der Simmozheimer Bürgermeister Stefan Feigl gegenüber unserer Redaktion. Etwaige Ausfälle könne man mit Aushilfen kompensieren. "Selbst in der ganzen Corona-Zeit konnten wir unser volles Betreuungsangebot aufrecht erhalten", berichtete er. Die Personalsituation in den Kitas sei freilich immer angespannt. "Momentan sind alle Stellen besetzt", so Feigl. Die Erzieherinnen, Verwaltung und Eltern würden gut und fest zusammenarbeiten. Es leiste jeder seinen Beitrag, vor allem, wenn es einmal zu Engpässen kommen sollte.
Als Kommune selbst viel im Ausbildungsbereich zu tun, ist für Feigl ein Schlüssel zum Erfolg. Mit Blick auf das Neubaugebiet "Mittelfeld" sollen im neuen Jahr Ausbildungsplätze für Erzieher angeboten werden – eine PiA-Stelle und eine für eine klassische Ausbildung. Momentan gibt es eine PiA-Stelle. "Die eigenen Leute wollen wir nach der Ausbildung natürlich auch halten", äußerte sich Feigl. Auch Absolventen eines Freiwilligen Sozialen Jahres seien in Simmozheim gern gesehen, "weil sie die Erzieher sehr entlasten können".
In der Nachbargemeinde Gechingen ist momentan eine Stelle in der Krippe (U3) ausgeschrieben, bei Ausschreibungen im Ü3-Bereich "läuft es eher zäh", äußerte sich Kämmerer Andreas Bastl, zugleich zuständig für die Kindergartenbedarfsplanung, im Gespräch mit unserer Redaktion. Aktuell könne man noch alle Stellen besetzen. Eher problematisch sei die Situation bei den Aushilfskräften: "Wir haben kaum Vertretungskräfte", äußerte sich Bastl. Bei Engpässen, etwa durch Krankheitsausfälle, ziehe man ungelernte Ergänzungskräfte heran. "Diese haben selbst mehrere Kinder oder sind im Verein im Kinder- und Jugendbereich tätig", berichtete der Gechinger Kämmerer.
Mit Blick auf den Neubau der Kita Wolfswiesen werde man Ende dieses Jahres auf Personalsuche gehen und Erzieherstellen ausschreiben. "Wir wollen verstärkt selbst ausbilden, werden natürlich aber nicht unendlich viele Plätze anbieten, weil sonst die Ausbildung darunter leidet." Was den Personalmangel betreffe, säßen alle Kommunen in einem Boot. Da könne es schon einmal vorkommen, dass eine Erzieherin von Gechingen in eine Kita in einem Nachbarort wechsle oder eine Fachkraft von außerhalb nach Gechingen.
Der Krankenstand reißt nicht ab
Als "angespannt" bezeichnete Franziska Binczik, Leiterin der Althengstetter Kita Nordstraße und Amtsleiterin des dortigen Familienzentrums, die derzeitige Personalsituation in den sechs Hengstetter Betreuungseinrichtungen. Allerdings nicht wegen genereller Personalnot: "Der Krankenstand reißt nicht ab", äußerte sie sich im Gespräch mit unserer Redaktion. Corona spiele weiter eine große Rolle. Das Familienzentrum Althengstett, unter dessen Dach die Kitas zusammengeschlossen sind, sieht Binczik als "sehr privilegiert an". Dass die Gemeinde vor Jahren damit begonnen habe, personell und finanziell vermehrt in die Erzieherausbildung zu investieren, "hilft jetzt". In Althengstett könnten künftige Erzieher verschiedene Wege für ihren Berufswunsch einschlagen und man könne dadurch potenzielles Personal für Kitas ganz anders ansprechen: die klassische Ausbildung, die Praxisintegrierte Ausbildung, kurz PiA, oder ein duales Studium seien möglich. An Bewerbern mangelt es in Althengstett nicht: "In den vergangenen sechs Monaten konnten wir fünf Fachkräfte gewinnen", berichtet die FAZ-Leiterin. Innerhalb des FAZ-Verbunds könne jeder die Sparte finden, die ihm zusage. Momentan befinden sich in der Gäugemeinde sieben künftige Erzieher in der Ausbildung.
"Hier wird geschaut, dass es Fachkräften gut geht", äußerte sich Binczik lobend Richtung Träger, also Kommune, und nicht zuletzt Gemeinderat, der die jeweiligen Mittel freigeben muss. "Kita-Träger müssen sich klar sein, dass sie nicht mehr einen Job von der Stange anbieten können", sagte Binczik. Heutzutage müssten die Träger Flexibilität zeigen und den Erziehern ausreichend Mitspracherecht geben, beispielsweise bei der Ausgestaltung des Dienstplans. Berücksichtigt werden müsse außerdem, "dass die Ausbildung den Alltag nicht mehr abbildet". Es seien vermehrt interne Fortbildungen notwendig, um den gestiegenen Anforderungen des Erzieherberufes gerecht zu werden. Derzeit könne man in Althengstett jedenfalls auf ein 70-köpfiges "gutes, konstantes" Team für die sechs Betreuungseinrichtungen setzen.
Info: Drei Ausbildungswege
In Baden-Württemberg gibt es zwei staatlich anerkannte Ausbildungswege zum Erzieherberuf:
Klassische Ausbildung (seit mehr als 150 Jahren): drei Jahre Schule (Berufskolleg, Unterkurs, Oberkurs), ein Jahr Berufspraktikum (bezahlt)
Praxisintegrierte Ausbildung (PiA, seit 2012): "duales System": drei Tage Schule, zwei Tage Praxis, drei Jahre lang mit bezahltem Vertrag
Ein weiterer Weg führt zum Berufsziel Erzieher: Duales Studium: Studium der Sozialarbeit und Sozialpädagogik mit dem Fokus auf Elementarpädagogik. Studienschwerpunkte sind Soziologie, Pädagogik, Philosophie, Psychologie, Frühpädagogik und Entwicklungspsychologie, medienpraktische Angebote für Kinder, Sprachentwicklung und -förderung, Methoden der Beobachtung; duale Partner sind Kindertageseinrichtungen, Ganztagsbetreuungsangebote für Kleinkinder, Horte, Familienzentren und Fachberatungsstellen; Regelstudienzeit: drei Jahre; Abschluss: Bachelor of Arts (B.A.), staatliche Anerkennung als Sozialarbeiter beziehungsweise Sozialpädagoge; Tätigkeitsfelder: Leitung einer Kindertageseinrichtung, Fachberatung oder Tätigkeit in einem Familienzentrum