Es kommt nicht häufig vor, dass ein Pfarrer konvertiert. (Symbolfoto) Foto: imago images/U. J. Alexander

Eine Gemeinde im Hegau steht plötzlich ohne ihren Hirten da. Der gibt bekannt, katholisch werden zu wollen – mitsamt seiner ganzen Familie. Und was ist mit dem Zölibat?

Aach - Wer am Pflug steht, soll nicht zurückblicken. Pfarrer Thomas Kiesebrink hätte den Evangeliumstext vom vergangenen Sonntag seiner Gemeinde vielleicht so erklärt: Um Jesus nachzufolgen, muss man bereit sein, alle Bindungen zu kappen – an Menschen, an Besitz, an die Vergangenheit. Doch Kiesebrink war nicht da. Nach vier Jahren als Pfarrer der evangelischen Christuskirche in Aach (Kreis Konstanz) hat er selbst seine Verbindungen gekappt. Es ist fast wie ein Wechsel von Schalke zu Dortmund. Denn Kiesebrink verlässt nicht nur seine Gemeinde, sondern die gesamte badische Landeskirche. Er habe beschlossen, katholisch zu werden, heißt es in einer Mitteilung des Dekanats. Statt den schwarzen Talar will er nun das weiße Messgewand eines Priesters tragen.

 

Übertritte von Pfarrern sind sehr selten

Es handele sich um eine persönliche Glaubensentscheidung, die er sich nicht leicht gemacht habe, sagt der 44-Jährige. „Im Laufe der Zeit habe ich in der katholischen Kirche eine geistige Heimat gefunden.“ Er habe sich vieles über die Lektüre erschlossen. „Die monastische Tradition, die eucharistische Frömmigkeit und die sakramentische Struktur, all das hat mich angesprochen.“ Es kommt nicht häufig vor, dass ein Pfarrer in dieser Form das Gesangbuch wechselt. In den vergangenen drei Jahrzehnten seien nur drei evangelische Pfarrer zur Erzdiözese Freiburg konvertiert, erklärt der Sprecher des Erzbischöflichen Ordinariats, Michael Hertl. In der Gegenrichtung seien überhaupt keine Fälle bekannt. Immer wieder gebe es Übertritte in die alt-katholische Kirche. Sie hat eine ähnliche Liturgie, kennt aber kein Primat des Papstes und auch keinen Zwangszölibat. Um wie viele Übertritte es sich handele, lasse sich nicht genau benennen. „Der berufliche Weg ausscheidender Priester ist nicht immer bekannt“, sagt Hertl.

Und was ist mit dem Zölibat?

Er freue sich nun auf seine neue Tätigkeit im Erzbistum, sagt Kiesebrink. Die katholische Kirche kann Pfarrer gebrauchen. Vor seinem Einsatz muss Kiesebrink noch Kurse und Prüfungen im Bereich von Liturgie, Kirchenlehre und katholischem Kirchenrecht absolvieren. Dann steht sogar der Zölibat einer Beschäftigung als Priester nicht im Wege. Anders als katholischen Priestern ist es bereits verheirateten ehemaligen evangelischen Pfarrern möglich, in Rom eine Dispens von der Ehelosigkeit zu beantragen.

Allerdings könne „dieser Weg nur gut gegangen werden, wenn die Familie ihn mitgeht“, sagt Hertl. Mit anderen Worten: Schwieriger als ein verheirateter Pfarrer wäre ein geschiedener Pfarrer. Bei Kiesebrink steht die Familie voll hinter ihm. Er konvertiere gemeinsam mit seiner Frau und seinen vier Kindern. Zwei von ihnen sind sogar schon erwachsen.

In der Gemeinde hatte niemand etwas gemerkt

Die Aacher Kirchengemeinde trifft die Fahnenflucht ihres Hirten derweil völlig unvorbereitet. Während des Umbaus der Christuskirche fand der Gottesdienst eine Zeit lang in der katholischen Kirche statt. Katholische Auffassungen habe Kiesebrink aber nie durchblicken lassen, sagt der Kirchengemeinderatsvorsitzende Michael Kicherer. Die Gewissensentscheidung müsse man akzeptieren. Allerdings sei das Echo in der Gemeinde sehr geteilt, räumt er ein. „Manche verstehen das überhaupt nicht.“

Auch Kicherers Vorgänger Uwe Ziegler kann sich nicht an eine besonders ökumenische Ausrichtung Kiesebrinks erinnern. Eher sei ihm der aus Nordrhein-Westfalen stammende Geistliche wie ein typischer Lutheraner vorgekommen. Mit dem von der Schweiz beeinflussten südbadischen Protestantismus habe sich Kiesebrink wohl etwas schwergetan.