Der Alte Chorraum der Heilig-Geist-Kirche – samt neuer Anordnung der Figuren und der neuen Farbgebung. Foto: Maier

Obwohl noch eine Baustelle, öffnet die katholische Kirche Heilig Geist in Balingen an den Weihnachtsfeiertagen für die Gottesdienste. Wer kommt, kann sich den Fortschritt der Renovierung anschauen – und den von Künstler Tobias Kammerer neu gestalteten Alten Chor.

Balingen - Dass er dem Alten Chor ein neues Gesicht geben würde, diesen Auftrag hatte der Rottweiler zunächst eigentlich gar nicht. Er sollte, so war es vorgesehen, den hinteren Teil der Kirche samt der dort befindlichen Skulpturen der "Friedensbringer" – Gandhi, Mutter Teresa, der Heilige Franziskus und Bischof Romero – neu gestalten. Kammerer hat dafür eine Glaswand vorgesehen, dahinter soll künftig der Bücher- und Infotisch stehen.

Sakralraum mit klarer Anordnung

Direkt daneben befindet sich der Alte Chor, mit Figuren an den Wänden. Dass er dort ebenfalls tätig werden würde, war zunächst nicht angedacht. Kammerer aber drängte darauf, auch diesen Bereich neu zu gestalten, daraus, wie er sagt, eine "runde Sache" zu machen, einen seiner Bedeutung angemessenen Sakralraum mit klarer Anordnung und neuer Farbgebung.

Die Figuren und Skulpturen dort – Antonius mit Jesuskind, das Kruzifix, die Heiligen Peter und Paul – sowie die im Chorraum befindlichen Stationen für die Neugeborenen und die Verstorbenen der Gemeinde seien bislang eher "ungeordnet" gewesen, sagt Kammerer. Sein Ziel: eine klare Abfolge, ein harmosches Ganzes. Samt einer Kolorierung, die die Farben der aus kunsthistorischer Sicht bedeutsamen, von den Künstlern August Blepp und Aber Birkle gestalteteten Fenstern aufnimmt und zudem an die einstige Holzvertäfelung erinnert. Große Teile dieses Werks hat Kammerer mittlerweile fertiggestellt.

Hürden zu überwinden

Bevor er damit beginnen konnte, galt es indes, Hürden zu überwinden. Die Erweiterung des Auftrags? War gar nicht so einfach, erzählt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Zahlreiche Gremien waren zu beteiligen und zu überzeugen – neben der Balinger Gemeinde und dem Kirchenvorstand auch die Liturgie-, Kunst- und Finanzkommission der Diözese. Außerdem die Denkmalbehörden – der Alte Chor des 1899 fertiggestellten katholischen Gotteshauses steht unter Schutz. Die Neuanordnung der Skulpturen, die Bemalung der Wände – für jeden Schritt brauchte es eine Genehmigung. Dass der Weg dafür frei wurde, freut Kammerer – und zufälligerweise kommt auch gerade Pfarrer Wolfgang Braun vorbei, er sagt: "Es wird richtig schön."

So hat Kammerer den Antonius mit dem Jesuskind ganz links im Chorraum mit blauer Farbe hinterlegt – der Farbe des Glaubens, wie er sagt. Dort wird auch eine von ihm neu gestaltete Spendenbox angebracht. Direkt daneben hat Kammerer der Chorwand eine gelb-orangene Farbe verpasst, die Farbe der aufgehenden Sonne, des Beginns allen Lebens, damit verbunden der Fröhlichkeit und der Hoffnung: Dort ist künftig der Ort der Neugeborenen. Für jedes Kind können die Eltern eine kleine Stele aufstellen, daran Bilder anbringen und den Namen des neuen Erdenbürgers vermerken. Auch der Taufstein soll im Chorraum wieder aufgestellt werden.

Stelen für die Neugeborenen

Zentral im Alten Chorraum ist das Kruzifix mit der Kreuzungsszene. Diese hat Kammerer mit purpurner Farbe umrahmt, symbolisch für die Bedrückung und die Zerrissenheit. Dass Jesus nach seinem Tod am Kreuz auferstanden sei, sei die frohe Botschaft – aber zunächst gehe es ums Sterben, und diesen Umstand wollte er nicht, sagt Kammerer, auch nicht in der heutigen, harmoniesüchtigen Zeit, auf "schöne Weise" farblich interpretieren.

Weiter geht’s im Rund des Chorraum an die Stelle, an der künftig Platz ist für die Erinnerung an die Verstorbenen der Gemeinde. Die Wand: in Schwarz. Auch dort kann man künftig – wie genau gegenüber für die Neugeborenen – kleine Skulpturen aufstellen als Erinnerung an die Lieben. Bisher wurden dafür Zettel angebracht.

Den Abschluss bildet der – gegenüber Antonius – gehaltene Bereich, in dem die Heiligen Peter und Paul zu sehen sind. Die beiden Apostel sind ebenfalls mit blauer Farbe hinterlegt, hier als Hinweis auf den Himmel, in den Petrus und Paulus aufgenommen worden sind und von dem aus sie auf die Welt blicken.

Künstler in fünfter Generation

Dass die Ideen Kammerers die Gemeinde und Diözese überzeugten, kommt nicht von ungefähr: Der 53-Jährige Rottweiler ist ein (Kirchen-) Künstler von Rang, in der fünften Generation. Von seinem Vater habe er die Passion dafür geerbt. Studiert hat er Malerei und Bildhauerei in Wien. Projekte hat er in ganz Europa realisiert: So gestaltete Kammerer etwa die Friedensglocke des Straßburger Münsters. Und er war 15 Jahre lang künstlerischer Leiter eines Mammutprojekts: dem Wiederaufbau nach 1989 der ehemals deutschen, von den Sowjets enteigneten Gotteshäusern auf dem Territorium der früheren UdSSR. So gab er den Kirchen St. Paul in Odessa und St. Katharinen in Kiew ein neues Aussehen.

Mit Respekt spricht der Rottweiler in Heilig Geist von den Blepp und Birkle, den Schöpfern der Kirchenfenster. Vielen Balingern sei wohl nur gar nicht bewusst, welch "kunsthistorischer Schatz" diese darstellten. Ein Restaurator hat sie gereinigt, sie erstrahlen wie neu. Wie der Alte Chorraum, gestaltet von Tobias Kammerer. Fehlen nur noch die Glaswand für die "Friedensbringer"-Figuren. Und natürlich die neue Orgel, sie soll im Frühjahr kommen. Dann ist die Heilig-Geist-Kirche wieder komplett – und eine runde Sache.

Das Buch

Eine Übersicht über Kammerers umfassendes künstlerisches Werk gibt das Buch "Orte der Verkündigung. Skulpturen für den Sakralraum", das in diesem Jahr im B. Kühlen-Verlag erschienen ist. Erhältlich ist es in Balingen bei der Neuen Buchhandlung von Jürgen Rieger.