Sie freuen sich auf Tailfingen: Jugendreferentin Karin Bessey (links), Wolfgang Ehni und Pfarrerin Gudrun Ehmann. Foto: Silke Thiercy

Vermutlich werden nicht alle alles verstehen. „Macht aber nix“, meint Wolfgang Ehni über den Gottesdienst, mit dem die Balinger die deutsch-polnische Freundschaft feiern.

Es ist muckelig warm an diesem Vormittag in der kleinen Stube neben dem Altarraum der Balinger Stadtkirche. Hinter den dicken Mauern treffen sich Pfarrerin Gudrun Ehmann, Jugendreferentin Karin Bessey und Kirchenmusikdirektor Wolfgang Ehni. Warum? Weil ein ganz besonderer Gottesdienst ansteht.

 

Gefeiert wird die ökumenische Partnerschaft mit der polnisch-orthodoxen Diözese Lublin-Chelm und dem evangelischen Kirchenbezirk Balingen. 1200 Kilometer oder 22 Stunden mit dem Bus trennen die beiden Gemeinden – und doch sind sie sich sehr nah. Bessey zum Beispiel war im Sommer mit einer Jugendgruppe zu Gast bei den polnischen Freunden.

„Sie essen sehr kurz und beten sehr lange“

Gewohnt hat die Gruppe in einem Kloster. „Die Mönche essen sehr kurz und beten sehr lange“, erzählt die junge Frau. Sechs Minuten Zeit sei für eine Mahlzeit, bei der nicht gesprochen wird, die erste Liturgie noch vor dem Frühstück dauere zwei Stunden, an Feiertagen auch mal drei.

„Das kann ganz schön anstrengend sein“, berichtet Gudrun Ehmann, die selbst schon an einigen Gottesdiensten in Polen teilgenommen hat. Es gibt im Kirchenraum nämlich keine Stühle. „Auch die Älteren bleiben stehen.“ Schlimm sei das aber nicht, es gebe viel Bewegung, viele Kerzen, viel Weihrauch.

Wer einen Fehltritt beichten möchte, erzählt Ehmann, kann das noch direkt im Gottesdienst tun. Dann nämlich nehme der Geistliche das reuige Schaf unter seinen voluminösen schwarzen Umhang.

„Das ist ganz schön schwierig“

Die wenigsten Gläubigen, meint Wolfgang Ehni, würden verstehen, was gesungen werde in den polnischen Gottesdiensten. Und gesungen werde sehr viel, vor allem auf Kirchenslawisch. Das kann man sich wie eine Mischung aus Polnisch und Latein vorstellen.

Der Balinger Projektchor hat sich eingefuchst und ein Stück auf Kirchenslawisch einstudiert. „Das ist ganz schön schwierig“, räumt der Musikprofi ein. Und er verrät, worauf sich die Besucher des Gottesdienstes freuen dürfen: „Wir haben ein sehr schönes Programm zusammengestellt.“

Gottesdienst dauert doppelt so lange

Wie kommt der Kirchenbezirk zu einer Partnerschaft in Polen? Der damalige Täbinger Pfarrer Deetjen hatte ein persönliches Interesse an dem Land und den Leuten. „Er wollte nicht nur die Theorie lernen, er wollte die Menschen kennenlernen“, erzählt Ehni. Über die jeweiligen Bischöfe und Dekane kam es zu Begegnungen, 1994 wurde der Partnerschaftsvertrag unterzeichnet.

Dass ein orthodoxer Gottesdienst locker doppelt so lange dauert wie ein hiesiger und dass es quasi nur Gesang gibt, das hatte Ehni anfangs überrascht. „Es ist aber sehr ergreifend und etwas ganz Besonderes“, sagt er.

Zum Gottesdienst am 19. Oktober wird übrigens niemand aus Polen persönlich anwesend sein. „Das wäre zu aufwendig“, sagt Gudrun Ehmann. Wohl aber können die polnischen Freunde spickeln, denn die Messe wird im Internet gestreamt.

„Spontane slawische Art“

Wie verständigt man sich untereinander? Viele in Chelm würden Deutsch sprechen, sonst greife man auf Englisch zurück, erklärt die Pfarrerin. Und man müsse, ergänzt Ehni, auch das Vertrauen haben, dass mit der „spontanen slawischen Art“ am Ende doch alles klappe, meint er und grinst.

Denn es könne durchaus passieren, dass gemeinsame Veranstaltungen erst auf den letzten Drücker stünden. Dann aber wieder passiert es, dass ein im Bus kaputt gegangenes Dirigentenpult wie von polnischer Zauberhand klammheimlich repariert werde.

Der Gottesdienst findet statt am Sonntag, 19. Oktober, in der Pauluskirche in Tailfingen. Beginn ist um 10.30 Uhr.

Der Gottesdienst „Come and see“

Der Gottesdienst
findet statt am Sonntag, 19. Oktober, in der Pauluskirche in Tailfingen.

Beginn
ist um 10.30 Uhr.