Bekennt Farbe: Landesbischof Ulrich Fischer. Foto: Archiv

Der badische Landesbischof Ulrich Fischer geht in einem halben Jahr in den Ruhestand – und setzt noch mal Impulse.

Karlsruhe - Trecker fahren will er lernen, den Lechtal-Wanderweg nehmen, sich um das Posaunenspiel kümmern, mit der Frau wieder mehr tanzen gehen und für die fünf Enkel die Lebenserinnerungen aufschreiben. In einem halben Jahr wird Ulrich Fischer im Ruhestand sein. Und sich dann mehr seinem alten Bauernhof in Neulußheim im Rhein-Neckar-Kreis widmen. Dort muss ab und an der Pferdemist in die Biogasanlage gekarrt werden. Es ist am Montagabend also das letzte Kamingespräch des badischen evangelischen Landesbischofs mit Journalisten aus dem Südwesten.

Der Nachfolger ist schon bestimmt: Am 19. Juli hat die evangelische Landessynode in Bad Herrenalb den in Fulda geborenen Theologen Jochen Cornelius-Bundschuh (Jahrgang 1957) zum künftigen Landesbischof gewählt. Im Vorfeld war spekuliert worden, erstmals in Baden könnte auch eine Frau mit diesem Amt betraut werden. Doch die Synode hielt sich an das ihr Vertraute: Bundschuh, Professor für praktische Theologie in Heidelberg, leitet bei der badischen Kirche seit 2009 bereits die Abteilung Ausbildung.

Sein Vorgänger hält die lange Phase bis zum Übergang des Bischofsamtes für gut. Zumal den Protestanten in Baden im kommenden Jahr noch die Neubesetzung von Landeskirchenrat und Landessynode bevorsteht. Margit Fleckenstein (Mannheim), die langjährige Präsidentin der Synode, dem Parlament der Landeskirche, hat ihren Rückzug angekündigt.

Im geruhsamen Kaminzimmer des Oberkirchenrats in Karlsruhe nimmt Fischer – wie es Usus ist bei diesem Treffen – eine Art Rückschau auf das Jahr vor. Doch er wäre nicht Fischer, wenn er nicht auch Impulse geben würde. An Themen mangelt es schließlich nicht: Man denke an die umstrittene Orientierungshilfe der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zur Familie, an die Affäre um den katholischen Bischof Tebartz van Elst, an den im Nordschwarzwald teilweise giftigen Streit um einen Nationalpark, an die neue Regierung in Berlin, an die Papstwahl in Rom, an das Flüchtlingselend in Lampedusa und den Krieg in Syrien.

Ulrich Fischer hält es, wie er es immer in seinen 16 Jahren als Landesbischof gehalten hat. Der 64-Jährige wählt das klare Wort, freilich nicht in der verknappten, schlagzeiligen Version, sondern in der sorgfältig begründeten Variante. Und er weicht keiner Journalisten-Frage aus. Höchstens der nach dem Muster, nach dem ein Landesbischof in der benachbarten württembergischen Landeskirche gestrickt sein muss. Da belässt es der Landesbischof dabei, mit den weniger polarisierenden innerkirchlichen Verhältnissen in Baden ganz zufrieden zu sein.

Kirche darf kein Vertrauen verspielen

Es geht um die Ökumene, es geht um den Blick zu den katholischen Geschwistern, als Fischer aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther zitiert: "Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, wenn einem Glied Herrliches zuteil wird, so freuen sich alle Glieder mit". Der erste Teil ist auf die Limburger Verhältnisse, der zweite auf Papst Franziskus gemünzt. Ins Weltliche übersetzt: Kirche darf nach Fischers Überzeugung beim Umgang mit dem ihr anvertrauen Geld kein Vertrauen verspielen, muss transparent sein. Die badische Landeskirche komme dieser Offenheit nach. Ja, 2013 war die Haushaltslage gut, ja der Erhalt vieler Immobilien kann der Kirche zu viel werden. Und ja, Fischer befürwortet eine (Ab-)Lösung für die Staatsleistungen an die Kirche: "Das sollte man rasch in Angriff nehmen", sagt er. Man werde "nicht auf Maximalforderungen bestehen können". Aber auch: Die Interessenlage und Sichtweisen der christlichen Kirchen in Baden-Württemberg sind in dieser Frage nicht einheitlich.

Die Sachlage: Nach Artikel 25 des evangelischen Kirchenvertrages Baden-Württemberg zahlt das Land pauschalierte Staatsleitungen an die Kirchen. Diese gleichen die Verstaatlichungen kirchlicher Güter Anfang des 19. Jahrhunderts aus. Die badische Landeskirche etwa erhält dafür im Jahr 2015 rund 14,8 Millionen Euro, was allerdings nur 3 Prozent an deren Gesamteinnahmen ausmacht. Das Bischofsgehalt übrigens wird – im Unterschied zu anderen Ländern – nicht vom Land bezahlt. Der Staat könnte diese historisch gewachsene Verpflichtung durch einen Einmalbetrag loswerden, doch das dürfte teuer werden.

Und die Freude mit dem Katholiken? Gilt den Umbrüchen, die Papst Franziskus auslöst. "Faszinierend" nennt Fischer, wie der Papst aus Lateinamerika das europazentrierte Denken im Vatikan aufbricht, welche Kräfte das freisetzt. Dies reiche von den Strukturen im Vatikan bis an die Basis. Katholische Pfarrer schildern ihm, wie sie sich zum ersten Mal seit langer Zeit in ihrer Kirche wieder ganz zuhause fühlen. "Ich freue mich unglaublich für die Schwesterkirche", sagt der Protestant aus Karlsruhe. Dabei erwartet Fischer nun keine Umwälzungen in der Lehrmeinung. Schon allein die Einordnung der Dogmen zähle. Diese sind – zugespitzt formuliert – eben nicht das allein selig Machende für Glauben und Kirche. Also erwartet Fischer durchaus Fortschritte in der Ökumene.

Nationalpark ein Beitrag zur Schöpfung

Ein Prinzipienstreit indes hat auch das evangelische Jahr in Deutschland begleitet: der durchaus ereifernde Disput um die sogenannte Orientierungshilfe der EKD zur Familie. Die Botschaft, meint Urlich Fischer vor dem flackernden Kaminfeuer, sei falsch beim Adressaten angekommen. Deshalb müsse jetzt nachgebessert werden. Die Verfasser des Papieres wollten das Leitbild Ehe und Familie nicht kränken, so wie es Kritiker herausgelesen haben. Es gebe aber auch Familie ohne Ehe und Lebensformen des Vertrauens, die ebenfalls Unterstützung verdient haben. Die Missverständlichkeit des Papieres hätten ihm ernst zu nehmende Kritiker aus den Reihen der Landeskirche verdeutlicht. "Die Tonlage der Besserwisserei" indes, die in erzkonservativen Kreisen etwa aus der Ortenau angeschlagen werde, sei nur "schwer erträglich".

Noch ein brisantes Thema: die anhaltenden Auseinandersetzungen um den Nationalpark Schwarzwald. Wieder argumentiert der Bischof abwägend, bezieht aber doch "als Christ" unmissverständlich Position. Ein Nationalpark, Biodiversität und Artenschutz könnten ein sinnvoller Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung sein, sagt Fischer. Zwei Risiken müssten bei der Einrichtung eines Nationalparks aber "minimiert" werden: die Einbußen für die holzverarbeitende Wirtschaft und die Gefährdung angrenzender Waldgebiete durch den Borkenkäfer. Sind diese Kriterien erfüllt, "bin ich ohne Wenn und Aber dafür", sagt der evangelische Landesbischof. Und er fügt eine Überlegung an, spricht das Bild eines sauberen, schön geordneten Waldes an. Die Auffassung, dass "wir Menschen die Natur besser schützen als die Natur das selbst kann", diese Auffassung mancher Park-Gegner, teilt der badische Landesbischof ausdrücklich nicht.

Das Taizé-Treffen Elsass/Ortenau in wenigen Tagen wird noch angesprochen, die schwierigen Jahrtage in 2014 und die Flüchtlingshilfe ("Ein ethisches Gebot"). Auch die spannende Frage, ob das viel zitierte evangelische Pfarrhaus bald einem Dienstleistungsbüro mit geregelter Öffnungszeit weichen wird. Ulrich Fischer wird darauf noch zu sprechen kommen. Vielleicht öffentlich im Rat der EKD. Spätestens aber in seinen Lebenserinnerungen für die Enkel.