Vorsitzender des Fördervereins ehemalige Synagoge Kippenheim spricht über Ziele und Veranstaltungen
Kippenheim. Der Verein ehemalige Synagoge Kippenheim will Jugendliche für die Auseinandersetzung mit der Judenverfolgung während des Nationalsozialismus interessieren und den Austausch fördern. Für dieses Engagement erhielten die Mitglieder sogar die Hermann-Maas-Medaille. Wir haben mit dem Vorsitzenden Jürgen Stude über die Ziele und das Wirken des Vereins gesprochen. Herr Stude, warum veranstalten Sie einen Vortrag über das Leben von Hermann Maas?
Hermann Maas war Stadtpfarrer in Heidelberg und hat unter Gefahr für Leib und Leben während der NS-Zeit vielen Juden zur Flucht verholfen. Nach dem Krieg setzte er sich für die Versöhnung zwischen Juden und Christen ein. Die evangelische Kirchengemeinde Gengenbach hat im Gedenken 1993 die Hermann-Maas-Medaille gestiftet, die der Förderverein dieses Jahr erhalten hat. Mit der Veranstaltung am 9. März wollen wir uns dafür bedanken und an diesen mutigen Judenretter erinnern.
Warum hat der Förderverein die Hermann-Maas-Medaille erhalten?
Die Gengenbacher Jury hat die Verleihung an unseren Verein mit dem "spezifischen Gestus" unserer Arbeit begründet: Jüdische Geschichte, zumal regionale jüdische Geschichte, werde erforscht und zugänglich gemacht. Und das alles, so sei noch hinzugefügt, seit nunmehr 17 Jahren und mit einem höchst beeindruckenden Maß an ehrenamtlichem Engagement.
Wie setzt sich der Verein für die Verständigung ein?
Unser Ansatz ist zum einen die Wissensvermittlung. Mit Führungen durch die Synagoge oder über den jüdischen Friedhof in Schmieheim und anderen Veranstaltungen versuchen wir über die Verfolgung im Nationalsozialismus zu informieren aber auch Kenntnisse über die jüdische Religion und Kultur zur vermitteln. Dahinter steht die Vorstellung, dass Vorurteilen mit Aufklärung begegnet werden kann. Wir wissen aber auch: Wissensvermittlung reicht nicht aus. Wichtig ist die Begegnung. Wir wollen das Gespräch zwischen Generationen und unterschiedlichen Gruppierungen fördern, um zu mehr Dialogbereitschaft, Toleranz und Völkerverständigung beizutragen. Wichtig ist auch die Auseinandersetzung mit der ehemaligen Synagoge. An ihr und an der Geschichte ihrer früheren Besitzer, den Kippenheimer Juden, werden erst die massenhafte Ausplünderung, Vertreibung und der Mord an Millionen fassbar. Die Besucher begreifen, dass sich die Verfolgung nicht nur in Auschwitz, sondern auch vor ihrer Haustüre ereignet hat. Eine zentrale Rolle spielen die früheren Kippenheimer Juden, die als Zeitzeugen immer wieder in Schulen und Kirchengemeinden über das Schicksal ihrer Familien berichten. Sie schaffen es, aus einem Vortrag eine echte Begegnung werden zu lassen.
Wofür steht die Synagoge?
Das Synagogengebäude spiegelt das wechselvolle Schicksal der Juden von ihrer Emanzipation im 19. Jahrhundert bis zu ihrer Vertreibung und Ermordung durch die nationalsozialistischen Machthaber wider. Die ehemalige Synagoge ist auch ein Spiegel des Umgangs mit der Verfolgungsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Wir verstehen uns als eine Gedenkstätte, die sich dem Erbe des ehemals blühenden jüdischen Lebens in der Ortenau verpflichtet sieht. Ein Beispiel ist das Ortenauer Gedenkbuch, in dem wir Lebensbeschreibungen von Ortenauer NS-Opfern sammeln. Ein anderes Beispiel ist die Dauerausstellung zur Geschichte des Landjudentums in der Ortenau auf den Frauenemporen.
Was haben Sie für dieses Jahr geplant?
Unser Programm wird mit dem Vortrag über Hermann Maas eröffnet. Ein Sederabend wird am Montag, 14. April, 19 Uhr, gefeiert. Dafür ist eine Anmeldung erforderlich (Gerd.Krauss@email.de). Im Herbst wollen wir das Thema jüdische Soldaten im Ersten Weltkrieg in den Mittelpunkt stellen. Im September jährt sich der 100. Todestag des aus Nonnenweier stammenden deutsch-jüdischen Politikers Ludwig Frank. Walter Caroli hält am 3. September, 20 Uhr, einen Vortrag über dessen Leben. Frank ist ein Beispiel für den Patriotismus der deutschen Juden. Sie zogen genauso bereitwillig in den Krieg. Doch schon bereits während des Kriegs wurde ihnen Drückebergerei unterstellt und nach dem Krieg die Schuld an der Niederlage des deutschen Heeres. Diese antisemitische Stimmung spiegelte sich zum Beispiel in den Kriegerdenkmälern unserer Region wider. Auf manchen hat man einfach die Namen der jüdischen Gefallenen weg gelassen, wie beispielsweise in Friesenheim. Warum sind Sie Vorsitzender des Vereins?
Ursprünglich bin ich aus Interesse an der jüdischen Geschichte und Kultur zu den Gründern des Fördervereins gestoßen. Die Arbeit im Förderverein ist sehr vielschichtig und von daher sehr interessant. Als sehr anregend empfinde ich auch die Begegnung mit den Kunstschaffenden und den Referentinnen und Referenten, die unser Vortragsprogramm bereichern.
Was war die größte Herausforderung? Die Renovierung der ehemaligen Synagoge 2003 war die größte Herausforderung für den damaligen Vorstand. Als eine Herausforderung sehen wir es auch, die junge Generation für die Geschichte der Juden und des Nationalsozialismus zu interessieren. Einen Anfang haben wir mit dem Projekt "Die Kinder von Kippenheim" gemacht, das seinen Ausgangspunkt in einem Foto von 1935 hat, auf dem alle Kinder der jüdischen Gemeinde Kippenheim abgebildet sind. Bei dem Projekt hat die Theater-AG des Max-Planck-Gymnasiums das Stück "Unerwünscht" nach den Erinnerungen von Kurt Maier entwickelt, das sie zweimal in der ehemaligen Synagoge aufgeführt hat. Eindrucksvoll war auch der Musikabend "Weißt Du, wie viel Sternlein fehlen?" der Kompositions-AG des Clara-Schumann-Gymnasiums Lahr. Die Jugendlichen ließen sich von der Autobiografie von Inge Auerbacher inspirieren. Und das schönste Erlebnis? Die Feier des 80. Geburtstags von Kurt Maier am 5. Mai 2010. Rund 50 Mitglieder der jüdischen Gemeinden Lörrach und Freiburg waren nach Kippenheim gekommen, um mit ihm zu feiern. Zum ersten Mal seit der sogenannten Reichkristallnacht im November 1938 waren wieder hebräische Gebete und Gesänge in dem ehemaligen Gotteshaus zu hören. Wie können sich Interessierte engagieren? Da kann man einiges tun: Programmvorschläge einbringen, unsere Flyer unter die Leute bringen oder an einem Sonntag die Aufsicht übernehmen. Wir brauchen auch Unterstützung bei größeren Veranstaltungen. Natürlich freuen wir uns sehr über neue Mitglieder. Auf unserer Homepage www.ehemalige-synagoge-kippenheim.de kann man sich über die Gedenkstätte und die Aktivitäten unseres Vereins informieren und Kontakt zu uns aufnehmen. u Die Fragen stellte Saskia Schuh.
Der Förderverein veranstaltet am Sonntag, 9. März, 17 Uhr, einen Vortrag über den Heidelberger Pfarrer Hermann Maas, der vielen Juden zur Flucht verholfen hat. Der Eintritt ist frei.