Würde sich in der südlichen Ortenau wohlfühlen: Engin Eroglu Foto: FW

Politik: Europa-Abgeordneter spricht über Bürokratie, Inflation und Mitbestimmung

Kippenheim - Die Freien Wähler haben ihre Bundestagskandidaten für Emmendingen-Lahr und Offenburg in Kippenheim nominiert. Zu Gast war der Europa-Abgeordnete Engin Eroglu. Die LZ hat mit dem 39-Jährigen über die Erwartungen im September, Bürokratie-Abbau, Angst vor der Inflation und Bürgerbeteiligung gesprochen.

Herr Eroglu, welches Ergebnis streben die Freien Wähler bei der Bundestagswahl an?

Das Ziel ist ganz klar, in den Bundestag einzuziehen. Wir wollen Politik auf Bundesebene gestalten, um auch dort unsere Themen und die Interessen unserer Wählerinnen und Wähler zu vertreten. Das Politikbarometer von ARD und ZDF sieht uns zurzeit bei etwa drei Prozent. Das heißt, dass wir den Löwenanteil bereits bewältigt haben.

Was trauen Sie Ihren beiden Kandidaten für Emmendingen-Lahr und Offenburg zu?

Ich habe vollstes Vertrauen in Matthias Stulz und Adolf Huber. Sie sind in der Region bekannt und verwurzelt und wissen deshalb was die Menschen in ihren Wahlkreisen beschäftigt. Ich weiß um ihre Kompetenzen und bin mir sicher, dass sie die richtigen Leute sind, um mindestens fünf Prozent der Wähler überzeugen zu können.

Die Freien Wähler setzen sich für Bürokratie-Abbau ein. Die EU ist für viele das "Bürokratie-Monster", Sie sind Teil des Europaparlaments. Wie passt das zusammen?

Ich sehe da keinen Widerspruch. Das Europäische Parlament ist genau die richtige Plattform, um beim Bürokratie-Abbau Fortschritte zu erzielen. Es war für uns Freie Wähler deshalb der logische Schritt, das Problem an der Wurzel zu packen und nicht nur im Kommunalparlament, sondern auch da, wo die Probleme häufig erzeugt werden, politisch aktiv zu werden. Systeme verändert man am schnellsten aus sich heraus. Das machen wir jetzt im Europäischen Parlament und hoffentlich ab September auch im Bundestag.

Die Menschen fürchten sich nach Corona vor der Inflation. Müssen wir uns auf steigende Preise einstellen?

Wir müssen bei der Inflation unterscheiden zwischen den Corona-Sondereffekten und dem davon unabhängigen Preisanstieg. Durch Corona war die Inflation letztes Jahr sehr niedrig, weil die Nachfrage nach einigen Gütern und Rohstoffen eingebrochen ist. Das gilt zum Beispiel für die Energiepreise. Dazu kommt noch die reduzierte Mehrwertsteuer im letzten Jahr.

Und dieses Jahr?

Diese Effekte gleichen sich nun aus – da die Inflation ja ein Preisvergleich mit dem Vorjahr ist, schnellt sie nach oben. Aber es ist klar, dass es sich um ein vorübergehendes Problem handelt. Problematischer wären davon losgelöste Inflationstendenzen. Die Geldmengenausdehnung der letzten Jahre und die niedrigen Zinsen führen zu einem Anziehen der Inflation – wenn man so will, fährt die Geldpolitik auf Vollgas. Zum Beispiel bei Immobilien sehen wir über Jahre hinweg deutlich steigende Preise. Diesen dauerhaften Effekten muss die EZB entgegenwirken.

Wie?

Wir haben eine unabhängige Zentralbank, und das ist gut so. Früher oder später muss sie die Zinsen wieder erhöhen und ihre Anleihekäufe reduzieren. Wir möchten, dass die EZB sich in erster Linie auf die Preisstabilität fokussiert.

Ein weiteres Anliegen Ihrer Partei ist die Stärkung der Bürgerbeteiligung. In der Region gibt es innerhalb weniger Wochen zwei Bürgerentscheide. Da gefällt es Ihnen in der südlichen Ortenau, oder?

Da liegen sie richtig, das freut mich sehr. Für die Legitimität und Glaubwürdigkeit der Politik ist es absolut entscheidend, dass der Bürgerwille nicht nur Thema kurz vor und nach den Wahlen ist. Die Menschen kennen ihre Region. Sie sind die Experten und wissen meist besser als die Politik, welche Entscheidung die richtige ist. Als Politiker dürfen wir dieses Expertenwissen nicht ignorieren.

Was sagen Sie zu den beiden konkreten Fällen?

Im Fall Ringsheim haben die Bürger gesprochen und wir wissen jetzt, dass der bestgeeignete Platz für das Gerätehaus neben der Kahlenberghalle ist. Auch der Bürgerentscheid in Ettenheim zur Bebauung der Badewiese ist absolut notwendig. Wenn wir zwischen bezahlbarem Wohnraum und der Lebensqualität in einer Ortschaft abwiegen, dann sollte diese Entscheidung von den Menschen getroffen werden, die direkt vom Bau betroffen sind, hier also den Ettenheimern. nDie Fragen stellte      Felix Bender. 

Engin Eroglu (39) wurde im nodhessischen Schwalmstadt geboren. Er ist Vorsitzender der Freien Wähler Hessen und stellvertretender Bundesvorsitzender. Im Mai 2019 wurde Eroglu ins Europaparlament gewählt. Der gelernte Bank- und Sparkassenkaufmann war einst Mitglied der Grünen und hessischer Landesvorsitzender der Grünen-Jugend. Mit 29 Jahren verließ er die Partei.