Im „Kinderland“ Baden-Württemberg, das die Landesregierung ausgelobt hat, fordern die jungen Hochschulabsolventinnen und spätere Erzieherinnen eine größere Würdigung ihrer Arbeit und ihres Engagements. Foto: dpa

Bachelor: Erste 22 Kindheitspädagoginnen sehen mit gemischten Gefühlen in die Zukunft.

Ludwigsburg - Ludwigsburg - Doppelt hält bekanntlich besser. Sie sind staatlich anerkannte Erzieherinnen und haben gleichzeitig den akademischen Titel Kindheitspädagogin (B.A.) in der Tasche. In dieser glücklichen Lage sind 22 Studentinnen, die dieser Tage an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg (EH) ihr Abschlusszeugnis erhielten.

Als Erste im Südwesten haben die Studentinnen das „integrierte Studienmodell Erzieherin und Bachelor Frühkindliche Bildung und Erziehung“ erfolgreich abgeschlossen. Seit 2009 bietet die EH Ludwigsburg in Zusammenarbeit mit den evangelische Fachschulen für Sozialpädagogik in Herbrechtingen, Reutlingen, Schwäbisch Hall und Stuttgart-Botnang und der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg den Studiengang an. Der Clou: Der Ausbildung zur Erzieherin folgt ein Studium an einer der Hochschulen. In ihrem vierten Ausbildungsjahr studieren die angehenden Erzieherinnen jeden Montag an einer Hochschule. An den übrigen Tagen steht das Praktikum in einer Kindereinrichtung an. Dann folgen drei Semester Studium. Ausbildung und Studium unter einen Hut zu bringen koste die jungen Menschen eine Menge Kraft, sagt EH-Rektor Norbert Collmar. Daher wagten überwiegend die engagiertesten Erzieherinnen den Schritt zum Bachelor. Das sei gut für die Kinder.

„Will man das Beste für die Kleinen, dann muss auch die Bezahlung stimmen“

Die enge Verzahnung von Praxis und Theorie qualifiziert die Frauen für höhere Aufgaben. „Die Gesellschaft wartet auf hoch qualifiziertes pädagogisches Personal für die Kinderbetreuung“, sagt Gabriele Beier, Schulleiterin an der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik Reutlingen. Die Professionalisierung der frühkindlichen Bildung im Land ist damit einen großen Schritt weiter. Doch in der Bezahlung spiegelt sich das nicht wider.

Im „Kinderland“ Baden-Württemberg, das die Landesregierung ausgelobt hat, fordern die jungen Hochschulabsolventinnen eine größere Würdigung ihrer Arbeit und ihres Engagements. „Will man das Beste für die Kleinen, dann muss auch die Bezahlung stimmen. Keine Anerkennung bedeutet am Ende kein Engagement“, sagte Rektor Norbert Collmar. Trotz langer Ausbildung und akademischem Titel werden die jungen Frauen überwiegend als normale Erzieherinnen bezahlt und erhalten damit in den Anfangsjahren für gewöhnlich rund 2040 Euro brutto im Monat. Denn vergütet wird nach Stelle und nicht nach Ausbildung.

Zwar wirbt das Kultusministerium damit, dass dem akademischen Nachwuchs Stellen als Leiterin oder Fachberaterin offenstehen. Doch dafür sind sie mit durchschnittlich 23 Jahren meist noch zu unerfahren, und ein akademischer Abschluss war bisher keine Voraussetzung, um Leiterin werden zu können. So fehlt dem Abschluss bislang noch die passende berufliche Perspektive. Und das, obwohl die Nachfrage nach Erziehern gewaltig ist. 7500 Erzieher fehlen bis Ende 2013 allein in Baden-Württemberg. Hintergrund ist der ab August kommenden Jahres geltende Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Ein- bis Dreijährige.

Die jungen Absolventinnen sind stolz auf ihren Abschluss

Gleichzeitig fließt derzeit viel Geld in die Imagekampagne des Landes, „Starke Typen für starke Kinder“. Mehr Männer sollen an die Kitas, doch auch Frauen fehlen. Die Ursachen für den Fachkräftemangel liegen vor allem in der schlechten Bezahlung. Die Stadt München hat in den letzten Jahren vorgemacht, wie man Erzieherinnen anlockt. Mit Geld. Hunderte Erzieher konnten so zügig an die Isar gelockt werden.

Die jungen Absolventinnen sind stolz auf ihren Abschluss. „Unsere praktische Arbeit erfährt damit eine ganz neue wissenschaftliche Basis. Wir haben ein ganz anderes Wissen entwickelt. Das hat mich auch persönlich weitergebracht“, sagt Tina von Dapper Saalfels. Sie überlegt nun, ein weiteres Studium anzuschließen. Damit ist sie nicht allein. Rund ein Drittel der Absolventinnen will einen Masterstudiengang anfügen. Diese fehlen dann dem Arbeitsmarkt.

Doch Gabriele Beier sieht auch Vorteile: Mit den Erzieherinnen kommen neue Köpfe an die Hochschulen. Diese bilden ein neues Reservoir an Fachkräften. Der Studiengang sei mittlerweile fest etabliert, und das Interesse anderer Hochschulen am Modell sei groß, denn die jungen Erzieherinnen sind hoch qualifiziert, sagt Pädagogik-Professorin Kerstin Merz-Atalik von der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Sie ist sich sicher: Der künftige Rechtsanspruch der Eltern auf einen Krippenplatz wird die Position der Erzieherinnen bald verbessern.

Gleichzeitig appelliert unter anderem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft an die kommunalen und kirchlichen Träger, die Erzieherinnen entsprechend ihrem Abschluss zu bezahlen. Nur damit werde die zunehmende Bedeutung der frühkindlichen Bildung auch honoriert. Denn mit mehr Geld würde man auch die gewachsenen Anforderungen an die Pädagogen ausgleichen. Die sind heute schon Lehrer, Erzieher, Vertrauensperson, Spielpartner und nicht zuletzt auch Elternersatz in einer Person.