Felix Schmidt bei der Lesung in Ettenheim Foto: Decoux

Kindheitserlebnisse und Zeitgeschichte: Auf Einladung der Buchhandlung Machleid gastierte am Freitag Felix Schmidt zur Autorenlesung aus seinem in diesem Jahr erschienenen Roman "Wie mein Vater Hitler den Krieg erklärte" in Ettenheim.

Ettenhem - Die Veranstaltung im Foyer des Städtischen Gymnasiums erfuhr eine bemerkenswert große Besucherresonanz – sicherlich nicht zuletzt auf Grund der Tatsache, dass sowohl die Zeit als auch der Autor und die Hauptfiguren seines im Osburg-Verlag erschienenen Romans ganz vielen Ettenheimern noch in persönlicher Erinnerung sind. Schließlich vollzieht sich das Geschehen des rund 150 Seiten umfassenden Werks in der konsequent mit "eine kleine Stadt am Rhein" anonymisierten Geburtsstadt des inzwischen 88-jährigen Autors Felix Schmidt: Ettenheim.

Christian Machleid skizzierte in seiner Begrüßung den beruflichen Werdegang Schmidts, der zu den einflussreichsten Journalisten des Landes – sowohl im Printbereich als auch in Funk und Fernsehen – zählt.

Auch die Zuhörer erinnern sich an Schmidt und seine Familie

Vor allem für jene Besucher, die die Zeit des Zweiten Weltkriegs noch in Erinnerung haben, war die 45-Minuten-Lesung des in Berlin wohnhaften, gebürtigen Ettenheimers eine eigene Reise zurück in jene Zeit, in der Schmidts Vater aus seiner Abneigung gegen den NS-Staat, Hitler "und seine Bande" gegenüber niemandem und nirgendwo einen Hehl machte.

Viele im mucksmäuschenstill lauschenden Auditorium sehen Schmidts Vater Oskar, den Küfer aus der Luisenstraße, noch leibhaftig vor sich, können sich auch sehr gut hineinversetzen in die Rolle des kleinen Felix, der so gerne mit seinen Alterskameraden seine Freizeit in der Hitlerjugend verbringen würde, den aber die Großmutter bei den Ministranten anmeldet. Seine Klage über derlei Schicksal versuchen zwei seiner Zuhörer zu entkräften: "Du warst aber für uns Jungministranten ein toller Oberministrant." Felix Schmidt lächelt, man meint, er könne es gar nicht richtig glauben.

Die Großmutter hatte für ihn eine große Bedeutung

Ja, Schmidts Vater, der Küfer – den haben viele seiner Zuhörer noch bildlich vor Augen; wie auch andere Personen, von denen der Autor aus Datenschutzgründen und wegen der Spielräume des Romans in den allermeisten Fällen den Namen nicht nennt. Auch nicht den seines Grundschullehrers in der bekannten Uniform, der den begabten Felix vor seinem Übergang aufs Gymnasium noch einmal auf den nach seinem Empfinden rechten Weg bringen will: von den Ministranten weg zur Hitlerjugend, weg von der Denkrichtung von Vater und Großmutter. Von der Mutter schreibt Felix Schmidt ganz wenig. Über die Großmutter, die für den kleinen Jungen offenbar eine ganz große Bedeutung hat, indes viel mehr. Mehrre von Schmidts Zuhörern gestehen ihm in der anschließenden Ausspracherunde, dass sie sich an die Großmutter nicht erinnern können. Es ist einer von mehreren Punkten, an denen Felix Schmidt seinen immer wieder aufblitzenden Humor einzuflechten vermag: "Sie dürfen sicher sein: Es gab sie".

Rückkehr in die Heimatstadt

Ob sich Schmidt bei seiner ersten Rückkehr in seine Heimatstadt im Alter von 87 Jahren wohl hat träumen lassen, dass er hierher so schnell wieder zurückkehren würde? Um dem Wunsch nach dieser Autorenlesung und dem offensichtlichen Interesse ganz vieler Ettenheimer entgegen zu kommen? Damals war seine Zielsetzung, den Gefühlen von "Grauen, Lähmung, Panik und Angst", die er wohl zeitlebens in seinen tiefsten Seelenschichten empfand, dort auf den Grund zu gehen, "wo es vermutlich herkommt: "in meiner Kindheit". Dass es ihm dabei verwehrt blieb, sein Elternhaus zu betreten, um noch gründlicher sein "Erbgut zu sequenzieren – irgendwie passt das zu all dem Gehörten, was er mit ruhiger, deutlicher Stimme an Auszügen vorgelesen hat. Damals nahm er fröstelnd zum zweiten Mal "Reißaus von der Kleinen Stadt am Rhein". Wäre ihm zu wünschen, dass sein Abschied nach diesem neuerlichen Besuch gelassener ausfiel. Eine Menge Worte persönlicher Wertschätzung ihm gegenüber aus seiner abschließenden Autogrammrunde werden sicher in ihm nachklingen.