Jörg Tauss am zweiten Verhandlungstag Foto: apn

Ist Jörg Tauss nun Internet-Pionier oder Pädophiler? Es bleiben viele Fragen offen.

Karlsruhe - Im Prozess gegen den ehemaligen SPD-Politiker Jörg Tauss wegen Kinderporno-Besitzes wollen Staatsanwaltschaft und Verteidigung in der nächsten Woche plädieren. Voraussichtlicher Termin sei Donnerstag oder Freitag, sagte der Vorsitzende Richter am Karlsruher Landgericht, Udo Scholl. Das Urteil soll dann noch am 28. Mai oder am 1. Juni gesprochen werden.

Die Anklage wirft Tauss vor, Bild- und Videodateien mit Kinderpornos beschafft, besessen und weitergegeben zu haben.

Der 56-Jährige räumt den Besitz ein, betont aber, das Material aus rein dienstlichem Interesse besessen zu haben - um die Machenschaften der Kinderporno-Szene aufzudecken, die sich mittlerweile eher über das Handy statt über das Internet austausche.

Verteidiger Jan Mönikes verwies am dritten Prozesstag darauf, wie wenig verlässliches Zahlenmaterial selbst die Polizei noch immer aus jener Szene habe. Tauss ist nach Einschätzung eines Zeugen unter den Politikern ein Internet-Pionier: „Er ist unter den mir bekannten Politikern mit Abstand der kundigste“, sagte Dieter Klumpp von der Alcatel-Lucent Stiftung am Freitag. Der Geschäftsstellen-Leiter der gemeinnützigen Förderstiftung für Wissenschaft traf sich mit Tauss hin und wieder zum Meinungsaustausch über Chancen und Risiken des Internets.

Nazi-Propaganda und Kinderpornografie seien Themen gewesen, die immer stellvertretend dafür standen: „Das muss verhindert werden“, so Klumpp. Tauss habe dabei auch geäußert: „Seien Sie froh, dass Sie dieses Zeug nicht angucken müssen. Da geht es nicht um Lolitas.“

Nach Meinung Klumpps hätte Tauss sich Dateien durchaus anonym besorgen können, wenn er ein anderes als ein dienstliches Interesse gehabt hätte.

Vor mehr als einem Jahr waren die Dateien in Tauss' Berliner Wohnung und auf seinem Handy gefunden worden. Eine Polizistin der Landespolizeidirektion Karlsruhe schilderte am Freitag, wie die Durchsuchung ablief.

Sie selbst habe in einem Bücherdrehregal im Schlafzimmer in zweiter Reihe eine DVD gefunden mit einem Brief. Die ungelenke Handschrift darauf kam ihr bekannt vor: Sie ordnete sie einem Mann zu, der im Rahmen der Kinderporno-Aktion „Steppenwolf“ der Polizei als Hauptverdächtiger ins Netz gegangen war. Die Fahnder waren dabei auf Tauss gestoßen.

Die Auswertung von einem Handy, das bei der Durchsuchung im März vergangenen Jahres in einem Koffer gefunden wurde, ergab, dass Tauss mit 27 Männern aus der Szene Kontakt hatte, so die Polizistin. Es seien darauf mehr als 300 Bilddateien mit Kinderpornos gefunden worden. Tauss ließ sich Material auch per Post schicken. Er nutzte dafür den Namen eines früheren Mitarbeiters und Mitbewohners; der allerdings war ahnungslos.