Ein Mann schaut am Computer auf eine Seite des Bundeskrimalamtes, auf der ein Stoppschild für eine Internetseite mit kinderpornografischen Inhalten zu sehen ist. Foto: dpa

Manche sind so arm, dass sie sich gegen Geld vor der Kamera ausziehen, andere gehorchen einem autoritären Lehrer: Osteuropas Kinder sind leichte Opfer für Pädophile. Das Internet verbreitet ihre Bilder in alle Welt – auch die eines Deutschen.

Manche sind so arm, dass sie sich gegen Geld vor der Kamera ausziehen, andere gehorchen einem autoritären Lehrer: Osteuropas Kinder sind leichte Opfer für Pädophile. Das Internet verbreitet ihre Bilder in alle Welt – auch die eines Deutschen.

Satu Mare - Kein Verlies, keine verkauften Kinder, keine bittere Armut. Geheimnisvoll ist nichts an diesem Fall, unklar nur Weniges. Von den Videos und Fotos der kanadischen Kinderporno-Internetseite, die jetzt dem Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy (SPD) zum Verhängnis wurde, stammen viele aus Rumänien. Auch Markus R. filmte für die Seite.

Markus R. war 23 Jahre alt und wegen Kindesmissbrauchs schon vorbestraft, als er 2001 einen Job bei der Niederlassung eines deutschen Möbelherstellers in Satu Mare bekam, einer Stadt im Nordwesten Rumäniens. Dem deutschsprachigen Johann-Ettinger-Lyzeum bot er dort an, den Jungen kostenlos Karate-Kurse zu geben – der Schule wollte er einen Kopierer schenken. „Ich hatte ein ungutes Gefühl“, sagte die Direktorin einem kanadischen Reporter von der Tageszeitung „Toronto Star“, der R.s Spuren in Rumänien verfolgt hat.

Erfolg hatte R. allerdings doch. Bei einer Volksschule in Satu Mare. Mit dem Unterricht klappte es gut. Über die Jahre besuchten etwa 200 Jungen seine Kurse, wie später ein rumänisches Gericht feststellte.

2003 entdeckte der Karate-Lehrer dann das idyllische Kleinstädtchen Seini gleich an der ukrainischen Grenze. Der dickliche junge Mann war dort ein Ereignis: Einer aus dem fernen, reichen, schicken Deutschland, der sich für einfache Jungen interessierte. Man schätzte ihn, seine Sensibilität. „Er war ein guter Psychologe“, sagte eine Mutter der kanadischen Zeitung. An den Jungen – die jüngsten acht, die ältesten 14 Jahre alt – fielen den Eltern keine Veränderungen auf.

2007 verlor R. seinen Job bei der Möbelfirma. Erst jetzt fing er an, Videos von seinen Jungen zu drehen, wie die Staatsanwaltschaft herausfand. Anfangs posierten die Jungen in Unterwäsche, dann – wenn R. ihnen fünf Euro bot – auch nackt. Seine Videos zeigten weder tatsächliche noch nachgestellte sexuelle Szenen, brachte R. im Prozess vor, und seien deshalb „keine echte Kinderpornografie“.

Es gibt aber auch anderes Material. Nach der rumänischen Anklageschrift seien auch Jungen zu sehen, „die sexuelle Handlungen vortäuschen“, darunter „gegenseitige Massage“ und „Berührungen an den Geschlechtsteilen“.

Zunächst betrieb R. eine eigene Internetseite und verdiente damit zwischen 1000 und 2000 Euro im Monat. Dann wurde der kanadische Kinderporno-Vertrieb Azovfilms auf den Hobbyfilmer aufmerksam. Dorthin lieferte R. fortan – für mehr Geld: 1000 US-Dollar (727 Euro) soll er pro Film kassiert haben. Eine Ermittlerin der kanadischen Polizei sagte, R.s Bilder gehörten „zu den populärsten und deutlichsten“ im Angebot der Internetseite, die sie und ihre Kollegen ausforschten.

In Rumänien werden im europaweiten Vergleich die meisten Kinderpornografie-Internetseiten betrieben. Immer häufiger sind die Täter Vertrauenspersonen, die ihre Autorität ausnutzen: Sport-Trainer, Lehrer, bisweilen sogar die eigenen Eltern. Allein im Jahr 2013 wurden in Rumänien drei Fälle von Lehrern publik, die ihre Schüler zum erotischen Posieren gezwungen haben sollen. Laut rumänischer Polizei breitet sich die Kinderpornografie weiter aus und ist immer schwerer zu kontrollieren. Was viel mit dem Internet zu tun hat: Auch in Europas ärmsten Regionen habe inzwischen fast jeder Zugang zum Netz. Dies senke die Hemmschwelle beim Verbreiten erotischer Kinderfotos und erleichtere den Tätern die Kontaktaufnahme zu ihren Opfern, heißt es in einem Bericht der rumänischen Tageszeitung „Romania Libera“.

Immerhin ist in Rumänien auch die öffentliche Sensibilität für das Thema gestiegen. Die Internetseite „safernet.ro“ registrierte 2013 einen Anstieg der Anzeigen gegen kinderpornografische Einträge bei sozialen Netzwerken um 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Dass etwas nicht richtig war an dem, was Markus R. mit ihnen machte, war den Jungen wohl bewusst. Der Mann verstand es aber, sie in eine Komplizenschaft hineinzuziehen: Wenn eure Väter das hier mitkriegen, machen sie Kleinholz aus uns, bemerkte er einmal. Wenn im Garten seines Häuschens gefilmt wurde, musste immer ein Junge Schmiere stehen. Am Ende kam es, wie R. es vorgesehen hatte: Zwei Väter beobachteten das Treiben im Garten, drangen durch den Zaun und versuchten den hastig flüchtenden Deutschen aufzuhalten. Von dem Moment an überwachte ihn die Polizei. Schließlich wurde R. mit vier Jungen im Auto an der ungarischen Grenze festgenommen. 2010 verurteile ein rumänisches Gericht Markus R. zu drei Jahren Gefängnis, von denen er zwei absaß.