Wer soll künftig vom Kindergeld profitieren? Foto: Fotolia

Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbunds, hält nichts von Plänen der Regierung, den Kinderzuschlag für Geringverdiener zu erhöhen. Eine solche Maßnahme führe zu einer sozialen Schieflage.

Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbunds, hält nichts von Plänen der Regierung, den Kinderzuschlag für Geringverdiener zu erhöhen. Eine solche Maßnahme führe zu einer sozialen Schieflage. Im Interview spricht er über Steuern, Familienleistungen und die unerträgliche Antragsbürokratie.

Herr Hilgers, die Bundesregierung erwägt die Erhöhung des Kindergeldes ausfallen zu lassen und stattdessen den Kinderzuschlag für Geringverdiener um 20 Euro pro Kind zu erhöhen. Was halten Sie davon?
Davon halte ich wegen der damit verbundenen ungerechten Effekte nichts. Wenn nur der Freibetrag erhöht wird und nicht das Kindergeld, dann geht die Schere zwischen den gut Verdienenden, die vom Freibetrag profitieren, und den Durchschnittsverdienern immer weiter auseinander.
Aber als Kompensation soll es ja einen erhöhten Kinderzuschlag geben.
Ja, aber das hilft eben dem Durchschnittsverdiener überhaupt nicht. Deshalb kann da von keiner Kompensation die Rede sein.
Warum?
Es bezahlen die Falschen: In dem nun erwogenen Modell lässt man diejenigen den Kinderzuschlag für die Geringverdiener-Haushalte finanzieren, die knapp über dem Existenzminimum verdienen und auf die Kindergelderhöhung verzichten sollen. Aber die gut Verdienenden freuen sich über die Erhöhung der Freibeträge. Unter Gerechtigkeitsaspekten ist das eine Katastrophe. Das Projekt hat eine deutliche soziale Schieflage.
Wie sähe Ihr Modell aus?
Wir wollen eine – besteuerte – Kindergrundsicherung, die sich am Existenzminimum orientiert. Wer einen Spitzensteuersatz von 42 Prozent hat, der zahlt diesen auch auf die Grundsicherung. Der Durchschnittsverdiener zahlt 19 Prozent, und wer zum Kreis gehört, der heute den Kinderzuschlag erhält, zahlt darauf keine Steuern.
Was wäre der Vorteil?
Eine solche Lösung hätte den großen Vorteil, dass im Gegenzug sehr viel Bürokratie entfällt: Die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder würde es nicht mehr geben, Kindergeld und Bafög würden wegfallen, der Unterhaltszuschuss und noch viele andere Leistungen. Das alles würde durch die Grundsicherung abgedeckt – die ganze unerträgliche Antragsbürokratie wäre verschwunden. Diese Grundsicherung würde nach unserem Modell derzeit bei etwas über 500 Euro pro Kind liegen.
Eine aktuelle Prognos-Studie legt nahe, dass der Staat wegkommen sollte von direkter finanzieller Förderung, um lieber in Betreuungsinfrastruktur zu investieren.
Alles richtig. Aber Kind sind auch Menschen, und deshalb bleibt es immer dabei, dass auch deren Existenzminimum nicht besteuert werden darf. Richtig ist: Mit Geld kann der Staat kaum für mehr Kinder sorgen. Eine intelligente junge Frau entscheidet sich dann für Kinder, wenn sie in einer verlässlichen Beziehung lebt. Da gibt es übrigens keine guten Botschaften: Die jungen Frauen wollen heute noch immer zu über 90 Prozent Kinder haben. Bei den jungen Männern ist der Kinderwunsch in den letzten zehn Jahren von 89 auf 68 Prozent gesunken.
Die Prognos-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das Betreuungsgeld weniger angenommen wird, als es die alte Bundesregierung erwartet hatte.
Und das obwohl bei dieser Leistung keine große Antragsbürokratie erforderlich ist. Das Betreuungsgeld führt nur dazu, dass viele Kinder, die es nötig hätten, wichtige Frühe Hilfen zu Integration, Spracherwerb und Entwicklung nicht erhalten. Es führt zweitens dazu, dass sich viele Eltern, die dennoch arbeiten gehen, auf dem grauen Markt nicht staatlich geprüfter Erzieher bedienen und so das Betreuungsgeld mitnehmen – das ist Kinderschutz mit den Füßen getreten. Es kann nicht richtig sein, dafür belohnt zu werden, ein staatliches Bildungsabgebot nicht in Anspruch zu nehmen.