Ihren 175. Geburtstag, der im nächsten Jahr gewesen wäre, wird der Kindergarten Wilhelmspflege in der Schwenninger Metzgergasse nicht mehr erleben. Foto: Mareike Kratt

Im Sommer geht in der Metzgergasse eine fast 175-jährige Ära zu Ende: Der Kindergarten Wilhelmspflege wird seine Pforten für immer schließen. Das sind die Hintergründe.

„Das Ende des Kindergartens ist jetzt eingeläutet“, sagt Klaus Gölz, geschäftsführender Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde, und in seiner Stimme klingt Wehmut mit. Denn was sich in den vergangenen Monaten bereits angebahnt hatte, wird zum Ende des laufenden Kindergartenjahres bittere Realität.

 

Nach fast 175 Jahren wird die Wilhelmspflege – einer der ältesten Kindergärten in ganz Baden-Württemberg – schließen. Ab dem Sommer wird kein Kinderlachen mehr durch die Räume hallen.

Nur noch eine Gruppe

Und die Gründe sind einleuchtend: Seit mehr als einem Jahr habe die evangelische Kirchengemeinde als Träger durch den anhaltenden Personalmangel nur noch eine einzige Ü 3-Gruppe an der Metzgergasse betreiben können. Und diese Situation sei für alle Beteiligten überaus schwierig und unbefriedigend gewesen, kommentiert Klaus Gölz. Vor allem für die verbleibenden Mitarbeiter sei der Minimal-Betrieb zum Nachteil und zur Belastung geworden, habe man sich kaum noch gegenseitig vertreten können und sei dem Druck ausgesetzt gewesen, nicht krank werden zu dürfen.

Zusätzliche Belastung

Die daraus resultierenden Notgruppen seien wiederum eine zusätzliche Belastung für die Eltern gewesen. „Wir konnten nicht mehr so zuverlässig und guten Gewissens wie üblich betreuen“, zieht der Pfarrer ein Fazit. Auch rein betriebswirtschaftlich sei der Ein-Gruppen-Betrieb eigentlich nicht mehr sinnvoll gewesen.

Pauluskindergarten im Blick

Bei den daraus folgenden Überlegungen habe man dann in Richtung Pauluskindergarten, der auch von der evangelischen Kirchengemeinde betrieben wird, geschaut. Ist der Kindergarten eigentlich eine dreigruppige Einrichtung, können derzeit nur zwei Gruppen aufrecht erhalten werden – ebenso aufgrund von Personalmangel. So seien die Überlegungen naheliegend gewesen, die verbleibende Gruppe aus der Wilhelmspflege im kommenden Kindergartenjahr in den Pauluskindergarten einzugliedern, berichtet Klaus Gölz.

Eine gute Lösung

In Gesprächen mit Eltern, Erziehern und der Stadt habe man die Entscheidung besiegeln können. Von den 25 Kindern, die derzeit noch in der Wilhelmspflege betreut werden, werden zehn in die Schule kommen, fünf werden in den Pauluskindergarten wechseln. Für die übrigen Kinder habe man eine andere, gute Lösung gefunden, so der Pfarrer. Für die Mitarbeiter bedeute der Wechsel in den Neckarstadtteil wiederum eine Entlastung – sie können wieder in einem größeren Team arbeiten.

Überhaupt freut man sich im Pauluskindergarten, nach den Sommerferien wieder auf drei Gruppen wachsen zu dürfen. Die Erzieher sowohl in der Wilhelmspflege als auch im Pauluskindergarten seien kräftig dabei, ein neues Konzept zu erarbeiten. Ein Vorab-Besuch im Neckarstadtteil ist zudem geplant.

Derzeit wird saniert

Bis die dritte Gruppe wieder mit Leben gefüllt werden kann, müssten die Räumlichkeiten noch saniert werden, erklärt Klaus Gölz. Derzeit sei die Stadt, der das Gebäude gehört, dabei, sie baulich zu ertüchtigen, so dass einem Wechsel zum Kindergartenjahr 2025/26 eigentlich nichts im Weg stehe. „Alle versuchen die neue Situation gut hinzubekommen“, lautet sein Fazit.

„Traurig und schmerzlich“

Dennoch ist Klaus Gölz nicht nur positiv gestimmt. Das Ende der Wilhelmspflege sei eine„absehbare, aber traurige und schmerzliche Sache“. Vor allem, wenn man auf die jahrzehntelange Historie zurückblickt. „Es hängt sehr viel Geschichte dran“, kommentiert der geschäftsführende Pfarrer. Und nennt die Zeit um 1910, als im Kindergarten mit seinem damals sehr innovativen Konzept bis zu 300 Kinder betreut wurden. Oder die Zeit des Nationalsozialismus, in der die Wilhelmspflege für die evangelische Kirche eine bedeutende Rolle gespielt hat. Hier habe man versucht, sich so lange wie möglich vor den Nationalsozialisten zu schützen.

Als das Gebäude allmählich in die Jahre gekommen war, habe man lange nach einer Nachfolge gesucht – vergeblich. So sei das Gebäude in Neunzigerjahren „kurz“ ertüchtigt worden. Überlegungen rund um die Zukunft hat es fortan immer wieder gegeben, regelmäßig stand die Wilhelmspflege auf der Tagesordnung der städtischen Gremien. Sanierung? Neubau? Auslagerung in ein Provisorium?

Doch Klaus Gölz muss feststellen: Der Kindergarten ist weder richtig ertüchtigt worden, noch ist für ihn eine Nachfolge gefunden. „Es hätte etwas Gutes entstehen können“, sagt er mit Blick auf die Konzepte und Ideen, die eigentlich vielfältig waren – und in Sachen Familienzentrum mit Eingliederung des Kinderschutzbundes zwischenzeitlich sogar weit gediehen. Auch die Pläne rund um eine neue Kindertagesstätte in der unteren Bürkstraße, die als Ersatz für die Wilhelmspflege dienen sollte, dauern vonseiten der Stadt an.

Schon neue Pläne fürs Grundstück

Pläne für das Grundstück, auf dem das altehrwürdige Gebäude steht, hat die Verwaltung seit vergangenem Jahr aber bereits: Hier soll mit einem Neubau in Anbindung an das bestehende und grundlegend zu sanierende Heimat- und Uhrenmuseum am Muslenplatz ein Teil der neuen Museumslandschaft entstehen.

„Es hat wehgetan, dass die Stadt bereits solche konkreten Nachfolge-Pläne hat, statt nach einer guten Lösung für den Kindergarten zu suchen“, kommentiert der Pfarrer die Entwicklung.

Lange Zitterpartie

Alles in allem ist er jedoch froh, dass die jahrelange Hänge- und Zitterpartie in Sachen Zukunft der Wilhelmspflege für alle Beteiligten nun ein Ende hat. Letztendlich habe nicht die Entscheidung durch Verwaltung oder Stadträte das Aus des Kindergartens besiegelt, sondern der Personalmangel dem Ganzen eine Dringlichkeit verliehen.

Ein gemeinsamer Rückblick

Die Einladung
Für die Öffentlichkeit plant die evangelische Kirchengemeinde als Träger des Kindergartens Wilhelmspflege am Samstag, 12. Juli, ein Abschiedsfest. Dazu sind alle eingeladen, die sich mit dem traditionsreichen Kindergarten verbunden fühlen, blickt Pfarrer Klaus Gölz voraus. „Somit wird die Ära Wilhelmspflege hoffentlich zu einem versöhnlichen Abschluss kommen.“