Zusammenrücken, kann es in manchen Kitas künftig heißen. Foto: dpa

Überbelegungen von Kindergartengruppen werden mit Flüchtlingen begründet – sehr zum Ärger der Kitaträger.

Stuttgart - Susanne Eisenmann bemüht sich, alle Befürchtungen zu zerstreuen: „Die kurzfristige und geringfügige Überbelegung der Gruppen geht keinesfalls zu Lasten der Betreuungsqualität“, erklärt die Kultusministerin ihre neue Verwaltungsvereinfachung, die für Kinder von drei Jahren bis zur Einschulung gilt. Mit bis zu zwei Flüchtlingskindern können Kindergartengruppen künftig überbelegt werden, damit die Kinder schnell integriert werden können. Wenn aber die Höchstgrenze überschritten ist, müssen sich die Träger selbst verpflichten, weiteres geeignetes Betreuungspersonal einzustellen.

Das können Ehrenamtliche sein, Mütter oder andere geeignete Personen. Die ganze Gruppe profitiere von der zusätzlichen Person, betont ein Sprecher von Kultusministerin Eisenmann. Dass eine ausgebildete Erzieherin gefunden werden könnte, bezweifeln die Experten jedoch angesichts des Fachkräftemangels. Die Grünen sehen durchaus „die Gefahr, dass die Qualität der frühkindlichen Bildung eingeschränkt wird“, wie ihr Fraktionschef Andreas Schwarz der Ministerin schreibt.

Man sei sehr für Vereinfachung, sagt Benjamin Lachat, Sozialdezernent beim baden-württembergischen Städtetag. „Wir müssen kurzfristig auf Bedarfe reagieren können.“ Dafür könne so eine Selbstverpflichtung und eine Verwaltungsvereinfachung hilfreich sein. Zumal sie, wie Lachat erwartet, „in der Fläche überschaubar wäre“. In wie vielen Fällen die Gruppengrößen überschritten würden, weiß auch das Kultusministerium nicht zu sagen. Engpässe sieht der Gemeindetag wie die katholischen und evangelischen Landesverbände der Kindertagesstätten vor allem bei Plätzen für Kinder über drei Jahren. Das liege an Neubaugebieten in einzelnen Orten, an altersgemischten Gruppen, in denen kleinere Kinder die Plätze der Über-Dreijährigen belegten, aber eher selten an Flüchtlingskindern.

Kirchen und Kommunen sind verärgert

Dass das Kultusministerium die Flüchtlingskinder als Begründung für die Überschreitung der Höchstgrenzen anführt, bringt Kirchen und Kommunen in Wallung. „Wir wollten die Fokussierung auf die Flüchtlinge genau nicht“, sagt Georg Hohl vom Landesverband evangelischer Kindertagesstätten. Geradezu sprachlos sei man gewesen über ein Schreiben des Ministeriums an die Träger und man habe geschlossen beim Ministerium protestiert. Besonders unglücklich findet Hohl, dass das Ministerium die neue Regelung nach dem Protest unverändert öffentlich gemacht habe. „Die Verbände sind enttäuscht“, sagt Ursula Wollasch, die Geschäftsführerin des Landesverbands katholischer Kindertagesstätten. Sie sieht nach wie vor steigenden Bedarf bei Plätzen im Ü3-Bereich, „da können wir keine Neiddiskussion gebrauchen. Das ist gesellschaftspolitisch verfehlt.“ Dass das Landesjugendamt bei der Überbelegung mit Flüchtlingen nicht mitreden soll, kritisieren die Verbände durch die Bank. Schon jetzt lasse das Amt begründete Überschreitungen zu, aber es achte auf die Qualitätsstandards.

Wollasch wie Hohl betonen, dass in Baden-Württemberg die Zusammenarbeit zwischen Trägern, Verbänden und Ministerien traditionell deutlich besser sei als in anderen Bundesländern. Umso schockierter zeigen sich die Verbände jetzt. Manche Experten sehen die Ursache für die für sie irritierende Vorgehensweise auch darin, dass nicht nur die Spitze des Ministeriums, sondern auch das zuständige Referat neu aufgestellt sei. Georg Hohl jedenfalls ist davon überzeugt, „wir werden wieder zu konstruktiver Zusammenarbeit zurückkommen.“

Katholische Kitas fordern Pakt für Bildung

Darauf hofft auch Ursula Wollasch. Sie setzt auf Inhalte. „Wenn wir von Flüchtlingskindern sprechen, müssten wir von einer Reduzierung der Gruppengrößen, nicht von einer Überbelegung reden“, sagt die Expertin. „Wir sollten eine Qualitätsdebatte führen“, meint sie und hielte ein Sonderprogramm für die richtige Maßnahme. Entsprechende Forderungen der Kitaträger seien von Seiten des Ministeriums aber stets „mit Schweigen kommentiert worden“.

Einem Pakt für gute Bildung und für Familien sollte sich Eisenmann widmen, sagt Wollasch, das würde die Qualitätsdebatte voranbringen und „dann bringt sie die Akteure wieder an einen Tisch.“