Christian Jung (FDP) vom Petitionsausschuss des Landtags in Horb. Er fordert von Kommunen und Kassenärztlicher Vereinigung: Einigt euch vor Ort für eine pragmatische und gute Lösung. Foto: Juergen Lueck

Der Petitionsausschuss des Landtags versucht, in Horb die Kinderarzt-Krise zu lösen. Christian Jung (FDP) hat einen konkreten Vorschlag. Doch schon wieder sagt die KV, warum das nicht geht.

Hoher Besuch im Innovationszentrum Horb: Der Petitionsausschuss des Landtags ist zum Vor-Ort-Termin gekommen. Mitglied Christian Jung (FDP) hat auch einen Lösungsvorschlag: Ein gemeinsames Projekt von Kommunen und der kassenärztlichen Vereinigung.

 

Die Kinderarzt-Krise schwelt in der ganzen Region. Miriam Hempel, eine der Initiatorinnen der Petition: „Wir haben 2023 die erste Petition gestartet. Durch die Rückgabe des Kassensitzes von Michael Nagel in Horb im Oktober ist dann die Welle richtig hochgeschwappt. Eltern werden über die KV-Terminvermittlung Termine angeboten, für die sie 120 Kilometer einfach fahren müssen. Eine Mutter wollte vier Monate vor der U-Untersuchung einen Termin haben. Die Antwort: Wir haben nur einen Termin in 15 Monaten – für die darauffolgende U-Untersuchung.“

Horbs Gemeinderätin Julia Fischer (CDU) und Miriam Hempel aus Rottweil: So dramatisch ist die Lage für Eltern bei der Kinderarztversorgung. Foto: Jürgen Lück

Christian Jung (FDP) vom Petitionsausschuss: „Bei mir im Wahlkreis in Karlsruhe haben Landkreis und Kommunen ein Kinder-MVZ gegründet. Hier in Horb habe ich den Eindruck, dass es Platz hat. Da muss man sich bewegen.“

Horbs OB Peter Rosenberger (CDU) streckt die Hand Richtung Björn Weiße von der kassenärztlichen Vereinigung (KV) aus. Der Jurist war gekommen, weil sich die Kommunalberatung der KV wegen der Differenzen mit Horb nicht mehr zum Termin getraut hätten, wie er sagt. Rosenberger: „Okay. Wir setzen den Hut auf. Ihr gebt uns das Geld, falls beim kommunalen MVZ etwas nicht funktionieren sollte. Und Sie vom Land machen im Gesetz einen Sonderparagrafen, der das möglich macht. Wir sind zwar pleite, aber dafür würden wir etwas anderes verkaufen.“ Dann zu Weiße: „Machen Sie mit?“

Björn Weiße von der KV erklärt, warum die schnelle Lösung nicht geht. Foto: Jürgen Lück

Die Frust-Ansage der Kassenärztlichen Vereinigung

Die Antwort des KV-Vertreters ist deutlich. Er erklärt zwar, dass die Kommunalberatung da begleiten könnte. Aber dass – selbst wenn Horb das schnell stemmen könnte – das erst mal nichts ändern würde. Der Grund: Der Horber Kinderarzt Michael Nagel hatte zwei Angestellte. Weil er die Sitze zur Wiederbesetzung ausgeschrieben hat, gelten diese 2,75 Kinderarzt-Sitze immer noch als belegt. Damit darf sich kein neuer Kinderarzt im Landkreis Freudenstadt ansiedeln.

Auf Nachfrage von Petentin Hempel bestätigt Weiße sogar, dass aufgrund dieser Vorschrift im Landkreis Rottweil ein Kinderarztsitz anderthalb Jahre nicht neu belegt werden durfte, weil der Mediziner überraschend verstorben war.

Weiße: „So ist die Gesetzeslage. Dieses Ausschreibungsverfahren dauert zunächst sechs Monate, kann aber bis zwei Jahre verlängert werden.“ Das habe den Sinn, dass beispielsweise Kinder von Medizinern in die Praxis einsteigen können, aber noch nicht ganz so weit sind. Weiße: „Vor 40 Jahren haben Ärzte ihre Praxis gegründet und sind davon ausgegangen, dass sie durch den Verkauf des Praxissitzes ihre Altersversorgung sichern können.“

Bürgermeister: „Das ist eine Scheindebatte“

Eutingens Bürgermeister Markus Tideman (SPD): „Das ist eine Scheindebatte. Da gibt es keine kurzfristige Lösung. Gibt es nicht die Möglichkeit, dass man bestehende Kinderärzte höher vergütet, wenn sie zusätzliche Patienten aufnehmen?“

KV-Jurist Weiße: „Wir dürfen gesetzlich nur 0,2 Prozent der Mittel, die wir für die Vergütung der Ärzte bekommen, für Fördermaßnahmen ausgeben. Man darf auch nicht vergessen – Geld, was wir in Fördermaßnahmen stecken, verlieren wir an Volumen an Honoraren für die Ärzte. Wo nehmen wir es weg, wo geben wir es hin?“

Petitionsausschuss fordert „Leuchtturmlösung“

Jung vom Petitionsausschuss: „Meine Erwartung wäre es, dass von kommunaler Seite und dem Landkreis in Zusammenarbeit mit den umliegenden Landkreisen in Zusammenarbeit mit der KV eine Lösung erarbeitet wird. Das kann ein positiver Leuchtturm für das ganze Land sein.“

KV-Vertreter Weiße: „Wir können auch keine Ärzte backen.“

Eutingens Bürgermeister Tideman: „Wir machen das gerne was möglich ist. Wir sind seit Oktober dran, eine Lösung zu finden. Bisher haben wir bei all unseren Bemühungen nichts bewirken können.“

KV: „Kommunen und wir müssen wieder konstruktiv zusammenarbeiten“

Der KV-Vertreter: „Wir werden in gut zwei Wochen ein Open-Table-Gespräch mit Landkreisen, kommunalen Vertretern und Arzt-Vertretern machen. Wir haben schon kreative Lösungen in der Vergangenheit gefunden. Die betroffenen Kommunen und wir müssen wieder konstruktiv zusammenarbeiten. Deshalb bin ich selbst gekommen. Meine Leute haben sich geweigert.“

Katrin Schindele (CDU) vom Petitionsausschuss: „Die Lösungen sind leider noch nicht in greifbarer Nähe.“

Christian Jung: „Es war gut, dass man sich öffentlich ausgetauscht hat. Nichtsdestotrotz sind Kommunen, Landkreis und die kassenärztliche Vereinigung aufgefordert, gemeinsam zu einer Lösung zu kommen. Allein durch diesen Termin heute konnten wir feststellen, dass das Klima zwischen Kommunen und KV durchaus optimierungsfähig ist.“

Zufrieden ist anders: Empfingens Bürgermeister Ferdinand Truffner, Eutingens Bürgermeister Markus Tidemann und Horbs OB Peter Rosenberger während der Sitzung des Petitionsausschuss des Landtags in Horb. Foto: Jürgen Lück

Rosenberger: „Selbst mit MVZ dürften wir keinen Kinderarzt anstellen“

Offenbar haben Horbs OB Peter Rosenberger (CDU) und seine Kollegen Ferdinand Truffner (CDU, Empfingen) und Tideman (SPD) gekämpft wie die Löwen. Auf massiven Druck der Eltern. Und vielleicht so erreicht, dass sich jetzt doch etwas bewegt.

Rosenberger sagt: „Selbst wenn wir jetzt schon ein MVZ hätte, könnten wir keinen einzigen Kinderarzt anstellen. Weil alle Sitze offiziell immer noch als belegt gelten.“