„Manche Kinder kommen früher in den Himmel“ steht unter diesem Plakat der Stiftung Kindergesundheit. Sie will damit auf die Gefahren von Passivrauchen aufmerksam machen. Foto: StN

Zigarettenqualm schädigt vor allem Kinder – Jedes zweite Kind in Deutschland lebt in Raucher-Haushalt.

Stuttgart - Jedes zweite Kind in Deutschland lebt in einem Haushalt, in dem mindestens eine Person raucht. An den Folgen von Passivrauchen sterben hierzulande jährlich etwa 3300 Nichtraucher. Selbst greifen junge Leute zwischen zwölf und 17 Jahren immer seltener zur Zigarette.

In der Nähe ihrer Eltern hält sich Diana, 13, nicht gern auf. Nicht weil sie die beiden nicht mag. Sondern weil sie der Zigarettenrauch stört. Die Eltern wissen das, wollen aber nicht auf dem Balkon rauchen. Freunde lädt Diana inzwischen nicht mehr gern nach Hause ein, der Qualm ist ihr peinlich. „Mich würde es nicht wundern, wenn ich bald Lungenkrebs bekomme“, schreibt sie in einem Internetforum, das Kinder bei Problemen mit ihren Eltern berät.

Mögliche Auswirkungen von Nichtraucherschutzgesetzen noch nicht erfasst

Fast 50 Prozent der deutschen Kinder zwischen drei und 14 Jahren leben mit mindestens einem Raucher zusammen, ein Viertel der Eltern sagt, dass sie zu Hause in Anwesenheit ihres Kindes rauchen. In Restaurants und Cafés sind knapp 70 Prozent der Kinder Passivrauch ausgesetzt.

„Allerdings haben wir die Zahlen von 2003 bis 2006 erhoben. Mögliche Auswirkungen von Nichtraucherschutzgesetzen wie es sie in Baden-Württemberg seit 2007 gibt, sind also noch nicht erfasst“, sagt André Conrad vom Umweltbundesamt. Er sagt aber auch, dass die Passivrauchbelastung für Kinder seit den 90er Jahren und bis zur Erhebung 2006 angestiegen ist.

Messen lässt sich das durch chemische Stoffe, die sowohl in Zigaretten als auch im Urin der Kinder nachgewiesen werden können. Der Rauch jeder einzelnen Zigarette enthält mehr als 4000 Chemikalien, darunter viele toxische und krebserregende Stoffe wie Nikotin, Benzol und Formaldehyd. Über die Raumluft werden diese winzigen Partikel auch von Nichtrauchern wieder eingeatmet. Vor allem der Rauch, der direkt von der glimmenden Zigarette kommt, ist sogar noch schädlicher als der gefilterte Qualm, den der Raucher selbst inhaliert. Zumal sich manche Stoffe erst durch die Reaktion mit dem Stickstoff in der Raumluft in krebserregende Stoffe verwandeln. „Passivrauchen hat deswegen eine höhere krebserregende Wirkung als Aktivrauchen“, sagt Thomas Kyriss, Lungenchirurg in der Gerlinger Klinik Schillerhöhe.

„Man kann von direkter Körperverletzung durch Eltern sprechen“

Schon kurzzeitiges Passivrauchen reizt die Atemwege, führt zu brennenden Augen und zu geschwollenen Schleimhäuten. Kinder rauchender Eltern leiden häufiger unter akuten und chronischen Atemwegserkrankungen wie Husten und haben öfter Mittelohrentzündungen als Kinder nichtrauchender Eltern. Sie schlafen schlechter und klagen über Schwindel, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen. Auch sind sie häufiger krank und neigen eher zu Allergien. „Man kann da schon von direkter Körperverletzung durch die Eltern sprechen“, sagt Christa Niemeier von der Landesstelle für Suchtfragen.

In der Telefonaktion unserer Zeitung weist sie aber auch noch auf ein weiteres Problem hin: die Vorbildfunktion der Eltern. So haben mehrere Studien gezeigt, dass die Kinder von Rauchern später häufiger selbst rauchen als die Kinder von Nichtrauchern.

Und doch verlieren immer mehr junge Leute die Lust am Rauchen. Während 2001 noch 28 Prozent der 12- bis 17-Jährigen zur Zigarette griffen, waren es 2011 nur noch zwölf Prozent. 71 Prozent dieser Altersgruppe gaben an, noch nie in ihrem Leben geraucht zu haben – und damit so viele wie nie zuvor. Und wer als Jugendlicher nicht raucht, fängt als Erwachsener kaum mehr damit an.

„Rauchen ist in den Lebensstil eingebettet“

Für Jugendforscher Klaus Hurrelmann ist diese Entwicklung angesichts der vielen rauchenden Vorbilder – fast jeder dritte Erwachsene in Deutschland raucht – eine kleine Sensation. Erklären tut er sich diese wie folgt: „Rauchen ist in den Lebensstil eingebettet. Die jungen Leute heute wollen fit, leistungsfähig und körperlich attraktiv sein. Diese Ziele können sie mit Zigaretten nicht erreichen. Zigaretten gehören für sie nur noch in die untere Gesellschaftsschicht, sie sind etwas für Versager.“

Der 13-jährigen Diana aus dem Internetforum zumindest ist der Rauchgeruch in ihrer Kleidung inzwischen so peinlich, dass sie sich vor dem Unterricht manchmal in der Schultoilette umzieht. Wie ihr die Experten im Forum geraten haben, legt sie ihren Eltern regelmäßig Infomaterial über Möglichkeiten zur Rauchentwöhnung hin. Außerdem hat sie mit ihrem Vater ausgehandelt, dass sie für jede gekaufte Zigarettenschachtel eine Taschengelderhöhung bekommt. Seitdem rauchen die Eltern zumindest weniger, es ist ihnen einfach zu teuer.