Jugendreferentin Aida Serrano Barrero sorgt sich um die Kinder und Jugendlichen in der Pandemie, sieht die tiefgreifenden Erfahrungen aber auch als Chance. Foto: Schönfelder

Inzidenzen, Impfzahlen, Kurzarbeit und Lockdown beherrschen die Schlagzeilen. Besonders betroffen von der Pandemie sind Kinder und Jugendliche. Wie geht es ihnen? Was bedeuten Home-Schooling oder die Unterbrechung der meisten sozialen Kontakte für sie, wie erleben sie die Pandemie?

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Dunningen - Ganz nah dran ist Aida Serrano Barrero, Jugendreferentin der Gemeinden Dunningen und Eschbronn. Sie zeichnet im Gespräch mit unserer Zeitung ein höchst differenziertes Bild.

Jugendarbeit, oder speziell Jugendsozialarbeit, ist ein schwieriges Unterfangen, hat viel mit Vertrauen zu tun und soll den Kindern und Jugendlichen den Weg in die Welt der Erwachsenen ebnen. Damals, vor fast genau 20 Jahren, setzte sich die Erkenntnis in den Rathäusern durch, dass eine hauptamtliche Jugendpflege sinnvoll und nötig ist. Allerdings musste Serrano bei Null anfangen und erst einmal die wichtigsten Strukturen aufbauen.

Ein Stück Freiraum

Inzwischen gibt es zwei Jugendräume in Dunningen und Seedorf, die von den Jugendvereinigungen betreut werden. In Lackendorf hat sich ebenfalls eine Gruppe zusammengefunden, die den dortigen Jugendraum betreibt. Oberstes Prinzip ihrer Arbeit, betont Serrano, sei die Freiwilligkeit. Wer an den Projekten und Angeboten des Jugendreferats teilnehme, tue dies aus freien Stücken.

Die Jugendräume seien Bereiche, in denen sich die Jugendlichen frei bewegen könnten, ein Ort der Reflektion: "Wo will ich hin, wer bin ich?", und ein Übungsraum, in dem die Jugendlichen Verantwortung übernehmen und sich ausprobieren können. Sie sehe sich als Begleiter der Jugendlichen auf diesem schwierigen Weg, sagt Serrano. Zwar im Hintergrund, aber immer greifbar. "Wir sind für alle Kinder und Jugendlichen da, nicht nur für die Problemfälle", betont die Jugendreferentin. Und dazu gehört der Blick über den Tellerrand. Die Referate arbeiten über die Gemeindegrenzen hinweg zusammen, mitunter kreisweit. Sie stimmen sich ab, loten Fianzierungsmöglichkeiten aus und organisieren Aktionen, auch an den Schulen.

Das Interesse der Kinder und Jugendlichen habe sich in den vergangenen Jahren geändert, hat Serrano festgestellt. Banden sie sich früher langfristig an einen Verein, pickten sie sich heute in einer schnellebigen Gesellschaft attraktive Angebote kurzfristig heraus. Viele hätten sogar die Befürchtung, etwas zu verpassen, wenn sie nicht rechtzeitig dabei sind. Dennoch gebe es natürlich auch langlebige Beziehungen, beispielsweise zum Sportverein. Die Schule etwa sei ein "Biotop", in dem Cliquen gebildet und Freundschaften gepflegt würden. Hier lebten die Kinder in einem sozialen Umfeld, in dem sie sich sicher fühlten. Dabei gehe es um Zusammenleben und Selbstwahrnehmung, so beschreibt es Serrano. Aber in der Jugendarbeit, auch an der Schule, würden Werte und soziales Verhalten vermittelt, in der Grundschule darf’s dann auch mal spielerisch zugehen. Jugendarbeit in Dunningen und Eschbronn ist vielfältig.

Unterstützung der Vereine

So ist es Serrano und ihrem Team gelungen, trotz Corona, eine attraktives Ferienprogramm auf die Beine zu stellen. "Ohne die tatkräftige Unterstützung der Vereine wäre das nicht gegangen," sagt Serrano. Und das, obwohl die Vereine gerade erst den eigenen Betrieb wieder hochfahren. Das weiß die Jugendreferentin überaus zu schätzen.

Und schon ist sie im Gespräch mit unserer Zeitung beim Thema schlechthin der vergangenen beiden Jahre – beim Virus, das alles veränderte. "Der erste Lockdown war ein unglaublicher Cut", so Serrano, "ein Einschnitt für alle." Und viele Kinder mussten die Situation erst einmal verarbeiten und fragten sich: "Was passiert mit uns?" Serrano: "Wir haben sie alle eingesperrt." Waren Schule und Zuhause bisher strikt getrennt, so gab es monatelang keine klare Grenze mehr. Aus dem Klassenzimmer wurde ein Laptop. "Schüler und Lehrer wurden auf ein winziges Bild auf einem Bildschirm reduziert. Das ist sicher nicht die Art von Kontakten, die Kinder brauchen."

Die Frustration sei auf beiden Seiten gewachsen, ebenso der Druck für alle. Ganz praktisch gab es große Schwierigkeiten. Während an der Schule der Stundenplan das Zeitmanagement übernimmt, müssen sich die Kinder nun selbst organisieren. Und was geht in einem Zehnjährigen vor, der merkt, dass er den Anschluss verliert, Fragen an den Lehrer erst mit großer Verzögerung beantwortet werden können und die Eltern arbeiten? Und die, die jetzt mit der Schule fertig seien, hätten sich ihre Abschlussfeier sicher auch anders vorgestellt. Hinzu kämen oft auch Zukunfstsängste: "Was wird aus mir? Finde ich eine Lehrstelle? Wie geht es mit Corona weiter?" Deshalb herrschte große Erleichterung, als die Schulen wieder öffneten.

Und was für die Schulen gilt, das gilt erst recht für Serranos Arbeit. Probleme, die es vorher bereits in den Familien gab, eskalierten in der Pandemie. Indes, die Kontaktaufnahme war im Lockdown schwierig. "Manche Familien hat man im Auge behalten, dabei geht es auch um Risiko-Minimierung."

Sobald es wieder möglich war, habe sie telefonisch Kontakt zu den Familien gesucht und Hausbesuche vereinbart. "Ich bin nirgendwo abgewiesen worden, der Gesprächsbedarf war groß", habe sie festgestellt. Ganz deutlich sei die Überforderung von Kindern und Eltern gewesen. Oft sei das Gespräch ein "Herz-Ausschütten" gewesen. Endlich wieder mit jemanden außerhalb der Familie reden zu können, das sei für viele schon eine Erleichterung gewesen. Wobei klar sein müsse, dass es für viele Probleme keine schnelle Lösung gebe, und das bedeute, Zeit zu investieren, um etwas zu bewegen. Bei solchen Besuchen gehörten die Eltern dazu, aber ihre Sorge gelte den Kindern. "Viele Kinder sind einfach müde. Seit fast zwei Jahren werden sie wie wir alle mit schlechten Nachrichten bombardiert." Das mache etwas mit den Kindern, denn: "Das Kind trägt eine Maske, ich sehe das Kind nicht."

Lockdown als Chance

Auf der anderen Seite gingen die Kinder sehr bewusst mit der Situation um. Sie hielten von selbst Abstand, trügen die Masken, wenn sie es müssten. Und natürlich hätten die Kinder und Jugendlichen auch Ängste. So hätten sie zu Anfang auch Angst um die Oma gehabt, dass sie sie anstecken könnten. "Kinder setzen sich sehr stark mit der Situation auseinander, sie fragen nach oder holen sich die Informationen aus dem Netz", weiß Serrano.

Und doch sieht die Jugendreferentin in der Pandemie für viele eine persönliche Chance. "Corona hat unser aller Leben durcheinander gebracht, aber es ist auch eine Chance, sich selber neu zu erfinden." Für ihre eigene Arbeit bedeute das auch, zu reflektieren, Dinge zu überprüfen, auch die, die nicht funktionieren, Ballast abzuwerfen. Oftmals sei im Alltag die Auswertung zu kurz gekommen. Jetzt habe man Ruhe, Dinge neu zu bewerten.

Sie werde die Kinder und Jugendliche unterstützen, die tiefgreifenden Erfahrungen von Corona als Chance für die Zukunft zu sehen.