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Auch in den turbulentesten Zeiten blieb Rainer Lorz der ruhende Pol in der Führungsetage der Kickers. Im Interview spricht er über die Perspektiven des Fußball-Regionalligisten.

Stuttgart - Auch in den turbulentesten Zeiten blieb Rainer Lorz der ruhende Pol in der Führungsetage der Stuttgarter Kickers. Vor der Mitgliederversammlung an diesem Dienstag (19 Uhr) im SSB-Waldaupark äußert sich der Aufsichtsratschef über die Perspektiven des Fußball-Regionalligisten.

Herr Lorz, überlegt man sich in Zeiten eines Wettskandals nicht dreimal, ob man in einem Verein Verantwortung übernimmt?

Natürlich macht man sich seine Gedanken, klar. Aber letztendlich sind diese neuerlichen Manipulationsvorwürfe ein gesamtgesellschaftliches Problem. Bestechlichkeit gibt es in der Wirtschaft, und vor krimineller Energie ist man auch in einem Fußballverein nicht gefeit.

Kann man gar nichts dagegen tun?

Schwierig. Wir bei den Kickers schauen ganz besonders auf eine charakterlich einwandfreie Elf. Aber zu 100 Prozent lässt sich nicht in einen Spieler hineinschauen.

Kommen wir zur Mitgliederversammlung und den anstehenden Neuwahlen. Warum ist Edgar Kurz nicht nur deshalb ein guter Präsident, weil es kein anderer machen will?

(Lacht). Edgar Kurz ist sogar ein ganz ausgezeichneter Präsident.

Weil ...

... er sich im Fußball auskennt, wirtschaftliche Kompetenz einbringt und ein integrativer Typ ist, der nicht auf Konfrontationskurs aus ist. Und ganz wichtig: Ihm liegt nichts daran, sich in der Vordergrund zu spielen. Er hat es nicht nötig, sich zu profilieren. Das macht die Sache leichter.

Eigentlich war nach dem Rücktritt von Dirk Eichelbaum doch alles auf Sie hinausgelaufen.

Dann müsste der Tag mehr als 24 Stunden haben. Nein, das hätte aus beruflichen Gründen beim besten Willen nicht funktioniert.

Warum bleiben Sie als Aufsichtsratschef am Ball?

Weil die Chaos-Tage vorbei sind, wir die richtigen Pflöcke eingerammt haben und die Arbeit hier wieder Spaß macht.

Das war vor einem halben Jahr noch anders.

Eindeutig. Vergangenen Mai nach dem 1:4 gegen den VfR Aalen saßen wir in den Gremien zusammen und dachten, die Welt geht unter. Die Lizenz zu bekommen, war ein echter Drahtseilakt. Doch die Weichenstellung hat funktioniert: Trainer Dirk Schuster hat sich irrsinnig gut eingearbeitet und Geschäftsführer Jens Zimmermann sorgt für frischen Wind im ganzen Verein.

Bleibt die angespannte finanzielle Lage.

Was die Liquidität betrifft, sieht es freundlicher aus als in der Vergangenheit. Auch im Hinblick auf die Rückzahlung des Darlehens an den DFB (Anm. d. Red.: 200000 Euro plus Zinsen bis 15. Mai 2010) arbeiten wir an Lösungen. Es sind viele kleine Schritte, die uns nach vorne bringen.

Haben Sie Ihr Aufsichtsratsteam für die Mitgliederversammlung schon beisammen?

Ja, wir konnten drei Kandidaten finden.

Um wen handelt es sich?

Um Dr. Nico Kleinmann, einen Wirtschaftsprüfer aus Stuttgart, den Unternehmer und langjährigen Kickers-Fan Oliver Dornisch aus Oldenburg und den früheren Fan-Sprecher Philipp Pfeifer. Dazu kommt als kooptiertes Mitglied der Ministerialdirektor Karl Weinmann. Er soll beratend tätig sein und die Kickers auch im Bereich der Eliteschulen des Sports noch stärker verankern.

Warum braucht man in der Regionalliga überhaupt einen Aufsichtsrat?

Zum einen wollen wir ja nicht ewig in der Regionalliga bleiben. Zum anderen sind die Aufsichtsratsmitglieder als Verbindunspersonen zum Beispiel zur Stadt wichtig. Je mehr wir an Bord haben, umso besser ist das für die Kickers.

Präsident Edgar Kurz tut sich dagegen sehr schwer, neue Präsidiumskollegen zu finden.

Warten wir es ab. Bis Dienstag abend ist noch Zeit.

Ist ein Sportfachmann im Präsidium aus Ihrer Sicht nicht unabdingbar?

Wenn sich jemand geeignetes finden lässt, wäre so ein Mann sicher ein Vorteil. Aber auf Teufel kommt raus jemanden zu überreden, dieses wichtige Amt zu übernehmen, macht keinen Sinn.

Dabei hat der in Schieflage geratene Unterbau einen Verbindungsmann, der sich um die Belange kümmert, doch dringend nötig.

Dass wir im Nachwuchsbereich besser dastehen können, steht außer Frage. Aber vor allem bei der Oberligaelf war klar, dass zehn Abgänge eine Lücke reißen werden. Diese Probleme kann kein Einzelner lösen. Wir bauen auf eine enge Verzahnung aller Trainerteams. Auch der Jugendleiter und unser Geschäftsführer sind in die Entscheidungen eingebunden. Klar ist: Eine gute Nachwuchsarbeit ist die Zukunft der Kickers.

Wo stehen die Blauen, wenn in drei Jahren wieder Neuwahlen anstehen?

Unser Plan sieht vor, uns in dieser Saison zu konsolidieren, nächstes Jahr in der Regionalliga oben mitzuspielen und im dritten anzugreifen und um den Aufstieg zu kämpfen.

Und wenn es schon in dieser Saison mit dem Sprung nach oben klappen würde?

Daran verschwenden wir eigentlich keinen Gedanken. Aber dankend ablehnen würden wir kaum.