Seine Bilder zogen viele Blicke auf sich: Vinzenz Hensle (Mitte) im Gespräch mit Besuchern seiner Ausstellung Fotos: Ande Foto: Lahrer Zeitung

Vinzenz Hensle hat Stationen eines Nahtoderlebnisses in Bildern festgehalten

Von Marcus Ande

Kenzingen. Stärker könnte der Kontrast kaum sein: In dem Schalterraum eines Geldinstituts, wo jeder Vorgang bis auf die letzte Stelle hinterm Komma belegbar ist, hat Vinzenz Hensle von einem Erlebnis berichtet, für das es nicht nur keine Belege gibt, sondern das wohl auch an die Grenze des Vorstellbaren führt. Und dennoch – oder gerade deswegen – unzählige Menschen fasziniert hat. Der Nordweiler hat Stationen eines Nahtoderlebnisses in Bildern festgehalten.

Schon oft hat die Sparkasse Kenzingen eine Kunstausstellung präsentiert, doch noch nie war der Besucherandrang so groß wie bei "Der Weg". Rund 20 Bilder, überwiegend von starker Leuchtkraft, aber auch mit düsteren Elementen, zeichnen den Weg nach, den Vinzenz Hensle am 4. Juni 2011 bewältigte. Nach einem schweren Unfall in den Reben lag er bewusstlos an einer Böschung, als etwas geschah, das er selbst nicht begreifen konnte: Seine Seele habe den Körper verlassen und einen Weg zurückgelegt – nicht in dieser Welt, sondern "auf der anderen Seite".

Für den Hauptgeschäftsstellenleiter Christoph Gerber und seine Mitarbeiter bot sich in den vergangenen Wochen im Schalterraum der Sparkasse ein sich oft wiederholendes Bild: Sie sahen Menschen, die lange vor den an Stellwänden angebrachten, abstrakt und unwirklich erscheinenden Bildern standen und diese betrach teten. "Die Besucher suchten einen Sinn darin", schilderte Gerber seine Eindrücke. Aufgrund der außergewöhnlich starken Nachfrage wurde die Ausstellung "Der Weg" um zwei auf sechs Wochen verlängert. Am vergangenen Donnerstagabend ging sie mit einer Führung des Künstlers zu Ende.

Vinzenz Hensle, 54 Jahre alt, Familienvater, macht den Eindruck eines bodenständigen Menschen, mit handwerklichem Geschick, aber ohne künstlerische Ambitionen. Einer, der sicher mit Kelle und Mörtel hantiert, aber nicht mit feinem Pinsel und Acrylfarbe. Doch die Malerei sollte zum bestimmenden Element in seinem Leben werden. Ohne jemals ernsthaft gemalt zu haben, fing er vor rund drei Jahren während seines Reha-Aufenthalts in Bad Krozingen damit an. Noch heute kommentiert er seine Werke mit der Aussage: "Es ist für mich unvorstellbar, dass ich das gemalt habe".

Erschreckende Figuren, angenehmes Licht

Es entstand zum Beispiel dieses Bild: Am unteren Rand fließt in dunklem Rot der Schmerz ab, oben verschwindet am Horizont in blauen Tönen die irdische Welt mit der Böschung, an der sein Körper liegt, und im Zentrum erstrahlt in gelber Farbe das Licht – diese Szene stellt den Übergang dar in die andere Welt, wie Hensle erläutert. Sein "Weg", also seine Seelenwanderung, habe ihn weitergeführt, vorbei an Schrecken einflößenden Figuren, gemalt in sehr dunklen Tönen, hin zum Licht, das er als angenehm empfunden habe. Angesichts der unvorstellbaren Erfahrung habe er sich Fragen gestellt wie: "Wo bin ich?" und "Bin ich tot?"

Auf dem Weg ins Licht sei der Wendepunkt gekommen. "Von oben" habe er eine Stimme vernommen und von ihr gewissermaßen den Auftrag erhalten, zurückzukehren und zu berichten. "Das ist so gravierend in mich reingegangen, wie wenn ein Pferd gebrandmarkt wird", wählte der Pferdeliebhaber einen Vergleich aus seinem Umfeld.

Vinzenz Hensle war lebensgefährlich verletzt, hat aber dank glücklicher Umstände den schweren Unfall mit seinem Weinbergschlepper überstanden. Rund 50 Bilder seien bislang entstanden. Seine erste Ausstellung hatte er vor Jahresfrist in Bad Krozingen, seine zweite nun in Kenzingen. Weitere würden folgen, Anfragen lägen bereits vor.

Seine Malerei beschreibt nicht nur einen Weg, sie ebnet auch einen neuen – im Hier und Jetzt.

Das Ende ist offen.