Der 39-jährige Hauptangeklagte vor Beginn des Prozesses im Sitzungssaal des Landgerichts Konstanz im Gespräch mit seiner Verteidigerin. Die Anklage wirft dem Mann und den Mitangeklagten Handel mit mehr als 1,6 Tonnen Drogen vor. Foto: Hartung

Ein 39-Jähriger soll mit 1,6 Tonnen Drogen gehandelt haben und muss sich jetzt vor dem Konstanzer Landgericht verantworten. Am dritten Prozesstag bescheinigte ihm ein Gutachter die volle Prozessfähigkeit.

Donaueschingen/Konstanz - Die Fußfesseln schwangen zwischen ihren Beinen und schellten aneinander. Die Blicke der Anwesenden richteten sich nur auf sie. Nach Betreten des Raums hob der Mitangeklagte seine Hand und grüßte seine Familienangehörigen im Zuschauerraum. Anschließend setzten sich Haupt- und Mitangeklagter auf ihre Plätze im vorderen Bereich des Saals. Von hier aus sahen sie nur das Gericht – und nicht mehr die neugierigen Blicke in ihren Rücken. Es war der dritte Prozesstag: Die Anklage spricht vom Handel mit über 1,6 Tonnen Drogen im Raum Donaueschingen.

Auf einer Leinwand im Saal gab es zunächst Lichtbilder von Fundstücken und -orten vom Tag der Festnahme Mitte Februar. Diese zeigten unter anderem Drogen, Bargeld und Streckmittel in den Wohnungen der Angeklagten. Dabei waren auch Bilder eines Kleinwagens in einer Donaueschinger Tiefgarage zu sehen, der als Drogenlager fungierte.

Marihuana und Revolver im Auto gefunden

In dem Fahrzeug fanden die Fahnder große Mengen an Marihuana sowie mehrere Revolver mitsamt Munition. Die Waffen befanden sich eingewickelt in Frischhaltefolie in einer Discounter-Tüte. Während die Gerichtsprotokollantin durch das PDF-Dokument scrollte, schüttelte die 61-jährige Mitangeklagte, die gleichzeitig Mutter des Hauptangeklagten ist, nur ungläubig den Kopf.

Nach der Bilderschau sagte schließlich die Beamtin der Zollfahndung Stuttgart aus. Sie hatte innerhalb der Ermittlungskommission "Tiberius" zu den Kontobewegungen der Angeklagten im Zeitraum von April 2018 bis Oktober 2020 ermittelt. Laut den Finanzermittlungen hat der Hauptangeklagte in dieser Zeit einen Scheinjob bei einer Donaueschinger Hausmeisterfirma gehabt, um ein legales Einkommen zu fingieren. Demnach habe der Hauptangeklagte von einem drogenabhängigen Bekannten monatlich ein Scheingehalt erhalten und diesen im Gegenzug mit Drogen versorgt.

240.000 Euro Bargeld in der Tasche

Bei der Festnahme habe man beim Hauptangeklagten rund 240 000 Euro und beim Mitangeklagten 12 000 Euro Bargeld gefunden, sagte die Zollfahnderin. Das Geld sei anschließend bei der Bundesbank eingezahlt worden. Zum Zeitpunkt der Festnahme habe der Hauptangeklagte zudem etwa 50 000 Euro auf mehreren Konten liegen gehabt, zwei Immobilien besessen und mehrere tausend Euro Schulden bei Lieferanten gehabt. Die Bankkonten der anderen Angeklagten hätten dagegen jeweils eine geringe vierstellige Summe aufgewiesen, sagte die Zöllnerin aus.

Keine Persönlichkeitsstörung

Im Anschluss bescheinigte ein Gerichtsgutachter keinem der Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit aufgrund des Drogenkonsums. Diesen Eindruck hatte er in Gesprächen mit den Angeklagten gewonnen. Zuvor hatte der Hauptangeklagte davon gesprochen, vom Drogenkonsum eine Persönlichkeitsstörung bekommen zu haben. Der Gutachter habe diese jedoch nicht feststellen können, wie er sagte: "Es waren bei ihm trotz des Konsums immer die kognitiven Fähigkeiten vorhanden, um das Drogengeschäft zu führen." Er bescheinigte dem Hauptangeklagten "das Potenzial und die Motivation, sich künftig mit seiner Sucht auseinanderzusetzen".

Auch bei dem 39-jährigen Mitangeklagten habe er Anzeichen für eine schwere Drogenabhängigkeit festgestellt, sagte der Gutachter. Jedoch bestehe auch hier der Wille zu Reflexion und Auseinandersetzung mit der Sucht. Eine erfolgreiche Drogentherapie halte er daher bei beiden für möglich. Diese könnte bis zu zwei Jahre andauern.

Mitangeklagter ist alkoholabhängig

Anders sei die Lage aber beim 44-jährigen Mitangeklagten, so der Gutachter. Hier sehe er eine schwere Alkoholabhängigkeit, die bereits seit dem Jugendalter vorhanden sei. Aufgrund fehlender Strukturen in seinem Leben halte er eine Therapie daher "für wenig erfolgversprechend". Das Risiko eines Rückfalls sei zu hoch, so der Gutachter. "Die einzige Möglichkeit sehe ich darin, dass er in einer Einrichtung für Betreutes Wohnen lebt und bei möglichen Rückfällen aufgefangen wird."

Zur mitangeklagten Mutter des Hauptangeklagten legte der Gutachter trotz Drogenvergangenheit keinen Bericht vor. Wie aus dem Bericht eines Bewährungshelfers hervorging, konsumiere die 61-Jährige seit mehreren Jahren keine illegalen Betäubungsmittel mehr.

Beim Fortsetzungstermin am Montag, 22. November, 10 Uhr, soll die Beweisaufnahme geschlossen werden. Staatsanwaltschaft und Verteidiger halten ihre Plädoyers. Gegen Spätnachmittag könnte dann das Urteil verkündet werden.

Info: Die Anklage

Dem Hauptangeklagten, einem 39-Jährigen aus dem Raum Donaueschingen, legt die Staatsanwaltschaft zur Last, in der Zeit von Juni 2018 bis Februar 2021 im Raum Donaueschingen in 50 Fällen mit größeren Mengen Betäubungsmittel gehandelt zu haben – über 1,6 Tonnen Drogen insgesamt. Die Staatsanwaltschaft belegt das mit einer langen Liste von Drogenkäufen und -verkäufen, viele davon in einem sechsstelligen Bereich. Der 39-jährige Mitangeklagte ist seit der Kindheit mit dem Hauptangeklagten befreundet. In Sachen Drogengeschäft habe er Teile der Vorräte des Hauptangeklagten an einen Freund weiterverkauft, der damit eigenen Handel betrieben habe, so die Anklage. Einen Schlüssel und freien Zugang zu den Drogenlagern soll dieser aber nicht gehabt haben. Der 61-jährigen Mutter des Hauptangeklagten wird zur Last gelegt, von den Geschäften ihres Sohnes gewusst und ihn in einigen Fällen auch unterstützt zu haben. Es geht laut Anklage unter anderem um das Überlassen des gemeinsamen Autos und die Unterstützung bei der Anmietung einer Garage, in beiden Fällen, um größere Mengen Drogen vor dem Verkauf sicher zwischenzulagern. Der 44-jährige Mitangeklagte soll dem Haupttäter über eine gewisse Zeit ein Stockwerk in seinem Haus frei zugänglich überlassen haben, um Drogen in Metallspinden und einer Kühltruhe zu bunkern. Als Gegenleistung sei er mit Drogen für den Eigenkonsum versorgt worden.