Mark Albrecht (rechts), Leiter des Lahrer Schaeffler-Werks, hat unter anderem OB Markus Ibert darüber aufgeklärt, dass es im Betrieb wieder aufwärts geht. Foto: Köhler

Kurzarbeit ist Geschichte, neue Fachkräfte werden gesucht: Das Schaeffler-Werk in Lahr erlebt wieder rosigere Zeiten. Beim Unternehmertreff gab es spannende Einblicke.

Mit mehr als 1200 Mitarbeitern zählt das Lahrer Schaeffler-Werk zu den größten Arbeitgebern der Stadt. „Es ist eine der tragenden Säulen am Wirtschaftsstandort Lahr“, leitete OB Markus Ibert das diesjährige Unternehmertreffen ein, zu dem Dutzende Vertreter der Lahrer Wirtschaft gekommen waren. Dort schlug er in seiner Eröffnungsrede ernste Worte an. Wirtschaftspolitisch gebe es „Anlass zur Sorge“.

 

Der Rathauschef begründete dies damit, dass Deutschland im „Global Innovation Index“, der die Innovationskraft einer Volkswirtschaft anzeigt, aus den Top Ten gerutscht ist und nun hinter China auf Rang elf liegt. „Wir müssen mehr investieren in Schulen, Bildung, Forschung, Start-ups und junge Unternehmen.“

Darauf schlug er den Bogen zur Kommunalpolitik und übersetzte seine Sorgen in Unternehmersprache: „80 bis 90 Prozent der Kommunen haben eine negative Gewinn- und Verlustrechnung“, also keinen ausgeglichenen Haushalt. Die – auch um weiter investieren zu können – im vergangenen Jahr beschlossene Erhöhung der Gewerbesteuer „tut weh“, doch Ibert betonte: „Wir brauchen uns gegenseitig“.

Für Investitionen braucht es wirtschaftlichen Erfolg

Beim Wettbewerb um Fachkräfte gehe es längst nicht mehr nur um die Lohntüte. Die Mitarbeiter müssten auch irgendwo leben, weshalb die Stadt Lahr sich bemühe, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. „Seit 2010 haben wir 2500 Wohnungen neu gebaut“, verdeutlichte Ibert. Er sprach – sicher mit Blick auf die im Gemeinderat anstehende Abstimmung über die Sport-Kita – auch Angebote für Kinderbetreuung an, für die die Stadt zu sorgen habe. Mit gezielten Investitionen soll Lahr ein „attraktiver Wirtschaftsstandort“ sein. Jedoch: „Wir sind an den Grenzen der Leistungsfähigkeit. Ohne wirtschaftlichen Erfolg können wir uns das nicht leisten“, unterstrich er die gegenseitige Abhängigkeit.

Die Nachrichten von Mark Albrecht, Leiter des Lahrer Schaeffler-Werks, dürften den OB dabei sehr gefreut haben. „Seit Anfang des Jahres gibt es bei uns keine Kurzarbeit mehr“, erklärte dieser. Im Gegenteil: Aktuell suche man dringend neue Fachkräfte, und zwar Industriemechaniker für die Produktion. „20 wären gut, am besten 40“, so der Werkleiter.

Albrecht gab auch einen Abriss über die Schaeffler- (oder auch Ina-)Historie am Standort Lahr: 1955 gegründet, hatte man sich zunächst auf die Herstellung von Fotoapparaten konzentriert. In den 1970er-Jahren wurden die Fertigungshallen kontinuierlich erweitert, sodass das Werk heute rund 100  Hektar umfasst, davon 48 Hektar Produktionsfläche. Der Automotive-Bereich, also die Zulieferung für die Automobilindustrie, umfasst inzwischen etwa 60 Prozent, 40 Prozent gehen in andere Industrie. Eine Zahl beeindruckte bei Albrechts Vortrag besonders: Jährlich laufen bei Schaeffler in Lahr 140 Millionen hydraulische Abstützelemente vom Band.

Anlagen sind bis zu 30 Meter lang

Wie solch eine Massenfertigung möglich ist, zeigte Simon Tornar, Leitung Instandhaltung und Werksanlagen, bei einem Rundgang. Er führte durch die riesigen Hallen, die mit den Rohren an der Decke, den bis zu 30 Meter langen Anlagen und zahlreichen Kisten mit noch zahlreicheren Kleinteilen keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass hier hocheffizient industriell gearbeitet wird.

Menschen bekommt man im Schaeffler-Werk, in dem Fotos zum Bedauern der Medienvertreter nicht gestattet waren, eher selten zu Gesicht. „Wo sind denn die 1200 Mitarbeiter alle?“, fragte ein Teilnehmer der Gruppe. Tornar erklärte, dass etwa 350 in der Verwaltung arbeiten, zwei Drittel der in der Produktion Beschäftigten hätten gerade nicht Schicht. Anhand mehrerer Beispiele erläuterte er, dass teilweise mehrere vollautomatisierte Anlagen mit Roboterarmen und Fließbändern von einer Fachkraft und einem Hilfsarbeiter bedient werden. „Nur so können wir den Preisdruck stemmen.“ Wenn doch mal ein Mitarbeiter vorbeikommt, dann oft auf einem Fahrzeug, das fertiggestellte Teile gerade abholt, um sie in den Logistikbereich zu transportieren.

Anlage stellt pro Minute 55 Ausgleichswellen her

Die Automatisierung erklärte Tornar bei einer Anlage, die Ausgleichswellen für das Münchner BMW-Werk herstellt. Zwölf Schritte durchläuft der Rohling, bis am Ende das fertige Produkt herauskommt. 55 Teile werden pro Minute fertiggestellt. Früher, so Tornar, sei noch ein Mitarbeiter für einen Zwischenschritt eingespannt gewesen. Er hatte die ein Kilogramm schweren Ausgleichswellen aus einem Auffangkorb gefischt und in eine Fassung eingesetzt, auf der sie durch die nächste Anlage transportiert wurden. „Das war eine große körperliche Anstrengung“, so Tornar. Heute übernimmt diese Tätigkeit ein Roboterarm. „Oben ist eine Kamera installiert, damit weiß der Roboter genau, wie er die Wellen greifen muss.“ Das funktionierte zumindest am Donnerstagabend fehlerlos. Der Rundgang machte unterm Strich deutlich, wie leistungsfähig die Lahrer Wirtschaft ist.

Das Werk

Im Schaeffler-Werk im Lahrer Westen waren nach eigenen Angaben Ende 2024 1236 Mitarbeiter beschäftigt. 1700 verschiedene Verkaufstypen werden dort produziert. Insgesamt hat das Werk mit 104 000 Quadramtetern die Kapazität, 177 Millionen Teile pro Jahr zu fertigen.