Eine massive Welle an Grippepatienten und kranke Mitarbeiter bringen die Klinken im Kreis Rottweil an die Kapazitätsgrenzen. Am Dienstagabend wurde gemeldet, dass alle Betten voll belegt sind und Patienten auch in umliegenden Kliniken nicht mehr unterkommen können.
Kreis Rottweil - Es liest sich alarmierend: Die Ärzte im Kreis Rottweil wurden am Dienstag per Mail informiert, dass Kliniken voll ausgelastet sind und möglichst keine Patienten mehr eingewiesen werden sollen. Und nicht nur das: Auch in den umliegenden Klinken sei keine Aufnahme möglich. Darüber informierte der Notfallpraxis- und Kreisbeauftragte der Ärzte, Thomas Sterzing, seine Kollegen auf Bitte der Ärztlichen Leiterin der Helios-Klinik, Miriam Stengel. Wir fragen in den Kliniken Rottweil und Oberndorf nach dem Ernst der Lage.
Sehr viele Krankheitsfälle seit dem Wochenende
Miriam Stengel bestätigt im Gespräch mit unserer Redaktion, dass es seit dem Wochenende sehr viele Krankheitsfälle gibt – vor allem seien dies Grippe-Patienten. Diese "Welle" sei über das Wochenende und am Montag über die Klinik hereingebrochen. In der Folge habe es dann auch zunehmend Krankmeldungen von Beschäftigten gegeben.
"Da ist es tatsächlich zunächst schwierig, den Ansturm zu versorgen", sagt sie. Es kämen auch junge Leute mit wirklich schweren Grippeverläufen in die Klinik. Während die jüngeren eher typische Grippe-Symptome zeigen, müsse man bei älteren Patienten oft genau hinschauen. So käme es bei einigen Patienten zum Beispiel zum Kreislaufkollaps, ausgelöst durch eine schwere Grippe, oder zur Austrocknung bei hohem Fieber.
Auch Kliniken im Umland voll
Es habe sich dann herausgestellt, dass sich die Lage in Oberndorf und den Krankenhäusern im weiteren Umland ähnlich darstellt. Verlegungen seien also nicht möglich, so die Ärztliche Leiterin.
Glatteis-Unfälle in Oberndorf spürbar
Wir fragen auch in Oberndorf nach der aktuellen Lage. Geschäftsführer Andor Toth erklärt ebenfalls, dass die Grippewelle mit ursächlich für die Vollbelegung sei. "Omikron ist derzeit nicht führend, sondern die Influenza. Zusätzlich erkranken auch unsere Mitarbeitenden", so Toth. Für diese Ausfälle würden Leiharbeitskräfte eingesetzt, sofern vorhanden. Außerdem sei der Herbst traditionell eine Jahreszeit mit vielen internistischen und – bei zusätzlichem Glatteis – vielen unfallchirurgischen Patienten.
SRH Krankenhaus kann derzeit nur 70 Betten betreiben
Das SRH Krankenhaus Oberndorf kann laut Toth nach der PPUGV (Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen) und den vorhandenen Mitarbeitenden derzeit nur 70 Betten betreiben. Zur Verstärkung der beiden größeren Stationen von den dreien wurde eine Station geschlossen und das Personal auf die größeren übergeleitet.
Reanimationen und Notfälle nur eingeschränkt behandelbar
"Vorzeitige Entlassungen, im Sinne einer unvollständigen Behandlung, gibt es nicht", erklärt er auf Nachfrage. Fakt ist aber: "Bei einer Vollbelegung sind wir dann aber auch nicht mehr in der Lage, weitere Patienten aufzunehmen. Es trotzdem zu tun wäre fahrlässig." Reanimationen und Notfälle seien nur eingeschränkt behandelbar, da auch die Intensivkapazitäten und Beatmungsbetten seit Wochen ausgelastet sind. "Wir sind dann gezwungen nach der Erstversorgung zu verlegen", so der Geschäftsführer.
Notfallversorgung in Rottweil gewährleistet
Und die Notfallversorgung in Rottweil? Die Helios-Klinik versuche trotz allem, die Notfallversorgung aufrecht zu erhalten, erklärt Miriam Stengel. Man müsse deshalb eventuelle Notfälle trotz Überbelegung irgendwie unterbringen. "Da treffen zwei schwierige Felder aufeinander", sagt sie. Zum einen natürlich die Patientenversorgung, zum anderen müsse sie natürlich auch den Mitarbeiterschutz im Blick haben.
Lage entspannt sich leicht
Inzwischen sei die Lage aber schon etwas besser als am Dienstag, man habe geschaut, was an geplanten OPs verschoben werden kann - wenn dies medizinisch vertretbar sei. Außerdem habe es vorzeitige Entlassungen gegeben – natürlich auch nur, wenn diese möglich sind. Dies sei beispielsweise bei älteren, pflegebedürftigen Patienten der Fall, die sich nach einem Kreislaufkollaps schnell wieder stabilisiert haben, und die zurück nach Hause oder ins Pflegeheim verlegt werden können. Doch auch das bedürfe natürlich der Absprache, betont sie, weil auch dort womöglich Pflegekräfte kurzfristig nicht zur Verfügung stehen.
Sonst erst zur Fasnet
Die gute Nachricht: "Wir wissen aus Erfahrung, dass so eine Welle auch recht rasch wieder abebbt", so die Ärztliche Leiterin. Grippewellen dieser gebe es in jeder Saison, allerdings normalerweise erst im Februar – wenn auch die Fasnet im Gange ist. Der Unterschied könnte sein, dass die Kapazitäten diesmal generell schon überall begrenzter seien. In der Klinik müsse man die Lage jeden Tag neu bewerten, um die notwendigen Maßnahmen zu treffen und die Patientenversorgung mit den vorhandenen Ressourcen bestmöglich zu organisieren - immer mit Blick auf den Mitarbeiterschutz. Den Mitarbeitern gelte großer Dank für ihr außergewöhnliches Engagement. Das schätze man sehr, so Stengel.
Ob es zur oder nach der Fasnet also die nächste Grippewelle gibt? Man darf gespannt sein.