Manuel Seeger beschäftigt sich mit schulpflichtigen Heranwachsenden, die nicht mehr zu Schule gehen. Foto: Heinig

Er war früher selbst alles andere als ein Musterschüler. In seiner Schulzeit erfuhr ­Manuel Seeger am eigenen Leib, welchen Einfluss Lehrer auf ihre Schüler haben könnten – und wurde schließlich selbst einer. Heute beschäftigt er sich mit schulpflichtigen Heranwachsenden, die nicht mehr zu Schule gehen.

VS-Villingen - Der 37-Jährige stammt aus Leonberg und wechselte aufgrund familiärer Umzüge mehrfach die Schule, zeigte zwar Lernbereitschaft, aber mangelnde Leistungen. Empathischen Lehrern verdankt er es, dass er nach dem Realschulabschluss schließlich doch sein Abitur ablegen konnte.

Schulsystem von einer anderen Seite

Vor dem Lehramtsstudium an der Pädagogischen Hochschule für Deutsch, Musik und Sport in Freiburg absolvierte Manuel Seeger seinen Zivildienst in einer Schule für Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung. Eigentlich seien viele von ihnen eher lernbehindert gewesen aufgrund eines sozialen Umfeldes, das ihre Entwicklung stark beeinträchtigte, erinnert er sich.

Obwohl er damals selbst lieber Abstand von der Schule gewonnen hätte, verspürte er den Antrieb, das System von einer anderen Seite aus zu betrachten und seinen beruflichen Schwerpunkt auf eine positive Beeinflussung der Schülerpersönlichkeit zu legen. Bestärkt wurde er darin noch durch ein Praktikum an einer demokratischen Schule in Peru, wo er unter anderem half, aus Lehmziegeln und Stroh Schulräume zu bauen.

Manuel Seeger entschied sich nach dem Studium bewusst für das Unterrichten an einer Hauptschule. "Vermeintlich von der Gesellschaft abgehängte Kinder liegen mir einfach am Herzen", sagt der 37-Jährige. Er bewarb sich an der Bickebergschule in Villingen unter der damaligen Leitung von Hannes Bürner. Dort erwartete ihn der erwünschte Freiraum für die Umsetzung seiner pädagogischen Vorstellungen.

2020 trat das Schulamt an ihn heran und fragte, ob er das Projekt "Chance²" mit aufbauen und betreuen wolle, ein Angebot bei jugendlichem "Schulabsentismus". Die Zielgruppe sind Zwölf- bis 14-Jährige, die durch viele Fehlzeiten auffallen oder den Schulbesuch komplett verweigern (der Schwarzwälder Bote berichtete). Die Aufgabe reizte Seeger und er sagte zu.

Im Januar 2021 startete das vom Staatlichen Schulamt, der Stiftung "Lernen – Fördern – Arbeiten" und der Agentur für Arbeit getragene Projekt. Inzwischen betreut Seeger gemeinsam mit einer Lehrerkollegin und drei Sozialpädagoginnen acht Jugendliche. Lange habe man sich darüber ausgetauscht, wie man an das Problem der Jungen und Mädchen herangehen würde. "Jedes Kind hat seine eigene Geschichte", sagt Manuel Seeger, "in den wenigsten Fällen wird man von heute auf morgen ein Schulverweigerer". Auslöser seien nicht nur belastende familiäre Verhältnisse, Ursache können auch Sprachprobleme, die Schule oder die Klassenkameraden und Freunde sein. Das pädagogische Team entwickelte einen mehrschichtigen Plan: den Kindern Zeit geben, ihre Potenziale entdecken und sich entfalten lassen, sich an ihren Stärken orientieren und sie ermutigen, Neues auszuprobieren. Ziel sei, die Sechs- bis Achtklässler nach einem halben Jahr wieder in die Regelschule zu integrieren und sie dort zu einem Schulabschluss zu führen, sagt Seeger.

Schulabsentismus komme gar nicht so selten vor und er nehme zu, weiß er. Die Pandemie habe das Problem noch verschärft. Seine Motivation, sich mit "schwierigen" Kindern zu befassen, entnimmt der Vater dreier Kinder seinen eigenen Erfahrungen. Die Frage "Was steckt hinter dem Menschen?" sehe er als wichtiger an als die Vermittlung von Fachwissen, sagt er. Seien die Potenziale entdeckt und werden sie gefördert, dann komme die Akzeptanz, dass man eben auch etwas lernen muss, glaubt er.

Er spielt Tuba, singt und ist gern auf der Fasnet

Auch in ihm stecken Potenziale. Da wäre seine Musikalität, die er schon in seiner Jugend mit der Tuba im heimatlichen Posaunenchor, einem überregionalen Bläserkreis und einem Blechbläser-Quintett auslebte, später als Bariton-Sänger in einem Freiburger Bach-Chor, schließlich in der Villinger Stadtführung "Des Wächters Runde" und seit einigen Jahren auch an der Fastnacht mit "Lady Gack, Gack und den Südstadtfüchsen". Kurz sang er auch in der "Capella Nova", dann gründete sich 2014 das Gesangsensemble "Futa", das unter anderem bei einigen Mahnwachen des Vereins "Pro Stolpersteine" auftrat.

Lange war es an dieser Front still – am 15. Juli singt Manuel Seeger endlich wieder einmal vor Publikum: im Rahmen des Königsfelder Burgspektakels in einem Hörspiel mit szenischen Lesungen und dem Titel "Echos der ersten Welle".

Seine pädagogische Stärke könnte demnächst auch Eingang finden in die Weiterbildung zum "systemischen Gestaltcoach". Männern und Jungen Raum für Auseinandersetzungen mit einer "gesunden Männlichkeit" zu geben, sei dabei eine Idee, die er vielleicht einmal verfolgen werde.

Viele weitere Ideen und viele Interessen, aber derzeit keine Kapazitäten mehr, das ist das aktuelle Problem eines Familienvaters, der auch gerne bei der solidarischen Landwirtschaft mitwirkt und sich am Stadtradeln beteiligt. "Nachhaltigkeit", dafür steht Manuel Seeger ebenso engagiert ein wie für seine Schüler.