Eine kleine Karte soll großes Unheil verhindern: Die Bezahlkarte für Flüchtlinge soll neben vielen anderen einen positiven Nebeneffekt haben: Schleuser ausbremsen – und die sind auch im Schwarzwald-Baar-Kreis offenbar aktiv.
Die Liste der Verbesserungen, die die kleine Karte im Scheckkartenformat mit sich bringen soll, ist lang. Kein Bargeld mehr für Asylbewerber. Was nach harter Kante klingt, ist auch durchaus so zu verstehen, denn: Die Bezahlkarte soll längst nicht nur organisatorischen Aufwand minimieren, sondern auch Kriminelle ausbremsen. Weil Bargeld ein probates Mittel im Geschäftsgebaren der Schleuser ist und man sichergehen will, dass die Auszahlungen an Asylbewerber für deren Zwecke gar nicht erst eingesetzt werden, setzt man stattdessen auf die Bezahlkarte.
Und dass Schleuser ihr Unwesen keineswegs nur in den unmittelbaren Grenzregionen treiben, sondern sich durchaus auch in die Niederungen des Schwarzwald-Baar-Kreises vorgewagt haben und hier ihrem schmutzigen Geschäft mit der Notlage der Menschen nachgehen, zeigen diverse Ermittlungen und Durchsuchungen in der Region.
Und auch auf den Betreuungsaufwand in den Asylbewerberunterkünften des Schwarzwald-Baar-Kreises wirkt sich das neue System aus. Welche Erfahrungen man machte und wie es läuft, das war jetzt Thema im Kreisausschuss für Bildung und Soziales.
Unter den Ersten
Der Schwarzwald-Baar-Kreis gehörte zu den ganz Schnellen: Schon im Januar wurde die Bezahlkarte für die Flüchtlinge hier eingeführt – zuerst erhielten sie nur neu zugewiesene Personen, nach und nach aber auch jene, die schon länger hier leben und in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind. Bis Ende März sollen alle von ihnen die neue Karte erhalten haben. Danach geht es weiter mit den Asylbewerbern in den Anschlussunterbringungen.
Einführung läuft nicht reibungslos
Es haperte bei der Einführung. Einerseits verlangsamten diverse Krankheitsfälle die Ausgabe, andererseits funktionierte das zugehörige Onlineportal nicht zuverlässig. Und die Einführung ist offenbar in jedem einzelnen Fall eine eher mühsame Angelegenheit, liege doch jeder Fall anders bezüglich der Einkommenssituation, und wirken sich mögliche Sprachbarrieren auch hier negativ aus.
Trotz aller Hürden: „Am Ende der Einführung sieht die Verwaltung trotz des aktuellen Aufwands einen Mehrwert, da voraussichtlich weniger Abrechnungsaufwand entsteht und die Heimleitungen sowie Sachbearbeiter keinen Geldkontakt mehr haben werden“, wurde berichtet. Endlich kann auf die durchaus aufwendige regelmäßige Bargeldauszahlung in den Einrichtungen verzichtet werden, sind flexible Zahlungen möglich und ist der Geldfluss auch automatisch mühelos dokumentiert. Weil die Bezahlkarte einer normalen Debit-Karte ähnelt und die Akzeptanzstellen zahlreich sind, sei sie auch für die Leistungsempfänger eine praktikable Lösung.
Verwaltung wagt keine Aussage zu Schleusern
Ob sich die Schleuserbanden damit wirklich ausbremsen lassen? Die Kreisverwaltung äußert sich zu dieser Frage allenfalls zurückhaltend und meint, es erscheine „möglich“, dass eine Finanzierung von illegalen Schleusergruppen über die Auszahlungen an die Asylbewerber nicht mehr möglich sei. Zumindest aber werde sie „erheblich erschwert“.
Immer wieder fliegen Schleuser in der Region auf
Immer wieder waren Schleuser in der Vergangenheit etwa auch in Villingen-Schwenningen aufgeflogen. An einem Märztag im Jahr 2018 beispielsweise wurde eine Polizeiaktion öffentlich, nachdem die Spezialkräfte im Morgengrauen schwer bewaffnet und mit einem Rammbock in der Villinger Innenstadt unterwegs waren und eine Wohnung durchsuchten. Der Vorwurf: „gewerbliches und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern“, wie damals Sabine Dittmann als Pressesprecherin der Bundespolizeiinspektion Kempten auf Nachfrage unserer Redaktion zu Protokoll gab. Auch in Hüfingen haben zeitgleich solche Durchsuchungen stattgefunden. Später wird klar: Inder und Pakistani sollen von den in Villingen gesuchten Drahtziehern über die Grenze nach Deutschland gebracht worden sein. Ein Teil der Bande saß bald in Haft, der andere war über alle Berge.
So funktioniert das Geschäft mit den Menschen
Im Laufe des Verfahrens sickern immer wieder brisante Details durch: Mit gemieteten Mietwagen sollen die Schleuser mehrere zehntausend Kilometer zurückgelegt und die Menschen über die Grenze gebracht haben. An der österreichischen Grenze erwischt, führte die Spur schließlich nach Villingen-Schwenningen.
2023 ein weiterer Fall in der Region – 170 Einsatzkräfte durchkämmten Örtlichkeiten in vier Bundesländern, eine davon in Dornhan bei Rottweil. Drei mutmaßliche Schleuser gingen den Beamten ins Netz, die Ausländer von Ungarn und Österreich nach Deutschland eingeschleust haben sollten – „mit dem dafür erhaltenen Entgelt sollen die türkischen und syrischen Staatsangehörigen ihren Lebensunterhalt finanziert haben“, heißt es später bei der Bundespolizeiinspektion in Frankfurt. Ob das „Entgelt“ beispielsweise erhaltenes Bargeld ist, das Asylbewerber für ihren Lebensunterhalt von den Behörden erhalten hatten, war zwar nicht belegt, Berichte über ähnliche gelagerte Fälle kamen allerdings immer wieder zu genau diesem Schluss, da die Auftraggeber, die vielfach bemüht waren, Familienmitglieder in Sicherheit holen zu lassen, über keine anderweitigen Einnahmen verfügten. Mit einer Bezahlkarte stünde ihnen dieses Geld so – zumindest barrierefrei – nicht zur Verfügung.