"Habitation Moderne" baut in Kehl einen Gebäudekomplex mit 52 Wohnungen. Schon bei der Auftragsvergabe sind die Verantwortlichen auf große Probleme gestoßen. Foto: HM

Ärger über Vorschriften: Straßburger Unternehmen klagt über "deutlich restriktivere Regelungen".

Kehl - Verschiedene Regelungen, andere Normen, unterschiedliche Auslegung europäischen Rechts: Als sich die Straßburger Wohnungsbaugesellschaft "Habitation Moderne" entschlossen hat, auf Kehler Territorium unweit der Europabrücke ein Gebäude mit 52 Wohnungen zu errichten, waren Generaldirektor Jean-Bernard Dambier und der technische Leiter Jean-Marc Eich auf Komplikationen eingestellt. Dass es jedoch für ein französisches Unternehmen so schwierig werden könnte, nur wenige Meter von der Grenze entfernt im vereinten Europa ein Bauprojekt umzusetzen, hätten sie sich jedoch nicht träumen lassen.

Bereits Türmaße sorgen für große Probleme

In Deutschland sind Zimmertüren zum Beispiel entweder 1,98 Meter hoch oder 2,10 Meter. In Frankreich hat der Türrahmen eine lichte Höhe von 2,04 Meter. Und selbstverständlich sind auch die Breiten unterschiedlich. Damit entscheiden wenige Zentimeter darüber, dass sich ein französischer Schreiner gar nicht erst um den Auftrag bemüht, den "Habitation Moderne" für das Gebäude Ecke Straßburger Straße/Schulstraße ausgeschrieben hat. "Die französischen Handwerker wollen das Risiko nicht eingehen", sagt Eich und zeigt Verständnis: Jeder französische Handwerker hat seine Zulieferer, seine Einkaufskonditionen, seine Rabatte. Besorgt er sich sein Material in Deutschland, müsse er mit ganz anderen Kosten kalkulieren.

Auch unter behindertengerechten Wohnungen verstehen der deutsche und der französische Gesetzgeber etwas völlig anderes: Während in Deutschland gilt, dass bei Wohnhäusern mit mehr als vier Einheiten die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei zu erreichen sein müssen, muss nach französischen Vorschriften jede Wohnung rollstuhlgerecht umzubauen sein, ohne dass eine Wand versetzt werden muss.

Nachdem die Ausschreibung der einzelnen Lose nach europäischem Recht erfolgte, hätte es – so könnte man meinen – keine Probleme geben dürfen. Doch die deutsche Vergabeordnung Bau (VOB) ist "deutlich restriktiver als die französischen Regelungen", musste Eich feststellen. Um sich zurechtzufinden, hat "Habitation Moderne" eine deutsch-französische Anwaltskanzlei beauftragt und die Vergabeordnung ins Französische übersetzen lassen. "Das Recht ermöglicht allein schon viele Interpretationen", seufzt Eich, wenn dann noch Anwälte aus zwei Ländern und unterschiedliche Sprachen hinzukommen, könne es richtig kompliziert werden. So kompliziert, dass die Kosten allein für die Rechtsberatung in die Zehntausende gehen.

20.000 Euro hat das Unternehmen allein für die Ausschreibungen in den Zeitungen ausgegeben – trotzdem ist für vier Lose kein einziges Angebot eingegangen. Für weitere fünf Lose hat das Unternehmen nur ein oder zwei Angebote erhalten. "In Frankreich bekommen wir bei ähnlich großen Projekten 150 bis 170 Angebote", berichtet Dambier.

Weitere Projekte in Kehl sind fraglich

Um Finanzierungssicherheit zu bekommen, hat "Habitation Moderne" alle Lose gleichzeitig ausgeschrieben und mit Kostengrenzen versehen. In Frankreich ist es durchaus üblich, mit den Unternehmen Pauschalpreise zu vereinbaren. Gelingt es dem Auftragnehmer, die Arbeiten kostengünstiger auszuführen, erhöht er seinen Gewinn, überschreitet er den Kostenrahmen, dann geht das zu seinen Lasten. Die deutschen Unternehmen zierten sich, aber "wir wollten uns nicht auf ein Abenteuer einlassen", erklärt Dambier, warum "Habitation Moderne" lange verhandelt hat, um auch bei den deutschen Partnern Pauschalpreise durchzusetzen.

Selbst ein Unternehmen für den Rohbau des Großprojekts zu finden, war nicht einfach: Acht deutsche Unternehmen hat das Architekturbüro Grossmann im Auftrag von "Habitation Moderne" angeschrieben, zwei französische hat die Wohnungsbaugesellschaft selbst kontaktiert. Am Ende sind zwei übriggeblieben, mit denen weiter verhandelt wurde: ein deutsches und ein französisches. Für die Klempner- und die Schreinerarbeiten hat "Habitation Moderne" bislang gar kein Unternehmen gefunden, das Gleiche gilt für die Eindeckung des Flachdachs.

"Vieles ist ähnlich aber doch nicht gleich", sagt Dambier. "Man lernt viel", fügt Jean-Marc Eich hinzu. Ob "Habitation Moderne" noch weitere Projekte in Kehl verwirklichen wird – der Generaldirektor möchte darüber im Moment nicht sprechen. Zunächst will er abwarten, wie sich die Bauphase gestaltet und wie sich die Wohnungen vermieten lassen.