Foto: Armbruster

Rund 250 Menschen senden am Kehler Rheinufer mit bunten Schirmen ein Zeichen der Solidarität über die Grenze

Kehl - In nur fünf Tagen ist es Peter Cleiß gelungen, Hunderte Menschen für eine Mahnwache am Rhein zu organisieren. Am Samstag versammelten sie sich in Kehl, um gegen die geschlossenen Grenzen zu protestieren – mit aufgespannten Regenschirmen.

Menschenkette an der Europa-Brücke formt sich 

Dutzende Menschen stehen am späten Samstagvormittag in kleinen Gruppen oder einzeln am Rheinufer, südlich der Europa-Brücke in Kehl. Einige reden miteinander, andere sehen sich mit fragendem Blick um. Etwas oberhalb, auf einer Terrasse, beobachten Polizeibeamte in gelben Westen das Geschehen. Es ist warm, die Sonne scheint. Auf dem Rhein zieht ein Polizeiboot seine Kreise. Fünf Minuten vor 12 Uhr – einer symbolischen Uhrzeit – geht es los.

"Stellen Sie sich bitte jetzt alle mit genügend Abstand und ihren Schirmen am Ufer auf", ruft Cleiß und bringt so Ordnung in das Getümmel. Eine Menschenkette, die sich zwischen Europa-Brücke und der "Passerelle" aufspannt, formt sich. Zunächst sind es rund 80 Personen.

An Freundschaft mit Frankreich festhalten

Erst am Montag vergangene Woche habe er mit der Planung begonnen, erklärt Organisator Cleiß im Vorfeld der Aktion. "Wir wollen ein deutliches Zeichen setzen, dass die Leute diesseits des Rheins weiter an der Freundschaft mit Frankreich festhalten." Eine Geste, die wie Balsam auf die gebeutelte deutsch-französische Beziehung wirken soll. Denn die zunächst einseitige Schließung der Grenze zu Frankreich Mitte März, hatte für Verstimmungen gesorgt.

"Wir wollen nicht hinnehmen, dass die Irritationen weiter zunehmen", erklärte Cleiß. Der Europa-Tag, der 9. Mai, erschien ihm und seinem Mitstreiter Jacques Schmitt vom Verein "Unir l’Europe" ("Vereint Europa") ideal für eine Aktion. "Ich habe ein großes Netzwerk in dem deutsch-französischen Milieu. Ich habe da sofort viele Mitstreiter bekommen", erklärt Cleiß. Auch Dieter Eckert, früherer Bau-Bürgermeister von Offenburg und Vorsitzender der Europa-Union Kehl, habe sich extrem engagiert. Dementsprechend viele rufen und winken am Samstagmittag mit ihren Schirmen ins nahegelegene Frankreich – im Laufe der Aktion werden es immer mehr.

Nur wenige Menschen standen auf der anderen Seite des Ufers 

Am gegenüberliegenden Ufer haben sich nur wenige Menschen eingefunden. Viele durften schlicht nicht: Zum Zeitpunkt der Demonstration gelten im Nachbarland immer noch die Ausgangsbeschränkungen.

Kurz nach 12 Uhr ziehen Dutzende weiterer Teilnehmer – begleitet von Polizisten – mit Europa-Flaggen von der "Passarelle" nach Norden an die Europa-Brücke. Sie werden von der Menschenkette dort mit Applaus begrüßt. Einige der Neuankömmlinge tragen T-Shirts der Bürgerinitiative "Pulse of Europe" und Schutzmasken in EU-Optik. "Salut mes amis", ruft jemand einen Gruß über den Rhein. Die Stimmung ist ausgelassen, viele Menschen unterhalten sich. Von der Polizei ist zu hören, dass es sich mittlerweile um rund 250 Menschen handele.

Organisator zeigt sich über Aktion glücklich

"Ich bin im doppelten Sinn glücklich", erklärt Cleiß. Zum einen sei er froh, dass die kurzfristige Planung gut funktioniert habe. Zum anderen, dass so vielen Menschen die grenzüberschreitenden Beziehungen ein so wichtiges Anliegen seien. Die geschlossene Grenze habe auch ihr Gutes: "Viele junge Menschen erleben jetzt, wie bescheuert es ist, wenn durch den Rhein eine Grenze gezogen wird." Sie würden diese Erfahrung nie wieder vergessen, ist Cleiß sicher. Derweil macht die Landespolitik den nächsten Schritt: Französche Pendler dürfen ab sofort wieder auf der deutschen Seite einkaufen.

Info: Erste Lockerungen in Straßburg

Die strenge Ausgangssperre in Straßburg wird vom heutigen Montag an schrittweise gelockert.

  • Die Geschäfte dürfen wieder öffnen, Wochenmärkte wieder stattfinden, und das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs wird erweitert.
  • In Bussen und Tramzügen besteht Maskenpflicht für alle Fahrgäste ab einem Alter von elf Jahren.
  • Restaurants, Bars und Cafés bleiben mindestens noch bis zum 2. Juni geschlossen, auch Parks werden im Elsass noch nicht wieder aufgemacht.
  • Bibliotheken werden schrittweise wieder geöffnet, der Hochschulbetrieb bleibt aber bis zum Herbst ausgesetzt.
  • Gottesdienste und Gebetsveranstaltungen sind vorerst bis zum 2. Juni untersagt. Ansammlungen von mehr als zehn Personen sind bis auf Weiteres verboten.