Anlagen wie diese dienen zur Erkundung tieferer Erdschichten, um sie für Geothermie nutzbar zu machen. Manchmal können Bohrungen so auch zu Beben führen. Foto: Archiv

Geothermie: Bohrungen der Firma Fonroche Ursache / Präfektur entsendet Spezialisten zur Untersuchung

Kehl/Straßburg - Als am Freitag bei Straßburg die Erde bebte, bekamen das auch viele Ortenauer zu spüren – Besorgnis und Verunsicherung waren die Folgen. Die Stadt Kehl hat nun ihre Infos rund um die Vorfälle zusammengefasst – ein echter Geothermie-Krimi.

"Weil schon die Erdstöße im November, vor allem aber die Beben am Freitag auch in Kehl Besorgnis ausgelöst haben, ist es mir wichtig, unseren Wissensstand mit der Bevölkerung zu teilen", erklärt Kehls Oberbürgermeister Toni Vetrano in einer Pressemitteilung der Stadt vom Samstagabend.

Die Verwaltung fasst darin ihre Infos zu den wiederholten Erdbeben im Zusammenhang mit der geothermischen Anlage der Firma Fonroche auf dem ehemaligen Areal der Raffinerie Reichstett/Vendenheim zusammen.

Erde bebte zuerst am 12. November 2019

Damals war es nördlich von Straßburg zu einem Erdbeben mit einer Stärke von 3,2 auf der Richterskala gekommen, das auch in Kehl spürbar war.

Mehrere Beben im Oktober und November 2020

Zwischen dem 28. Oktober und dem 11. November hat die Erde im Norden von Straßburg mehrfach gebebt – laut der Stadtverwaltung mindestens fünf Mal. Gleich nach dem ersten Erdstoß hat das Unternehmen Fonroche eingeräumt, dass dieser durch Aktivitäten auf dem Gelände der Geothermiezentrale ausgelöst worden sei.

Presseerklärung des Fonroche-Chefs am 18. November

Vor knapp drei Wochen hat sich der Direktor des Geothermie-Unternehmens Fonroche, Jean-Philippe Soulé, gegenüber Medienvertretern geäußert: Nach seiner Sicht der Dinge sei das Beben vom 12. November 2019 nicht durch den Betrieb der geothermischen Anlage ausgelöst worden.

Ursache für die neuerlichen Erdstöße seien die am 1. Oktober begonnenen Tests gewesen, die dazu dienten, die Ursache für den Erdstoß im vergangenen Jahr zu finden. So sei der Erdstoß am 28. Oktober mit einer Stärke von 2,6 auf der Richterskala dadurch ausgelöst worden, dass die Injektionen gestoppt worden seien.

Das Beben sei eine Reaktion gewesen, die man nicht erwartet habe, sagte Soulé gegenüber dem Fernsehsender France 3. Danach habe man zum einen begonnen, die Ursache für das Beben zu suchen, und zum anderen nach einem Verfahren zu forschen, um die Tests fortsetzen zu können. Nach Soulés Angaben wurde nur ein Sicherheitskreislauf in Gang gebracht, weil ein komplettes Einstellen der Injektionen seinen Aussagen zufolge weitere Erdstöße auslösen könnte.

Erneute Erschütterungen am Freitag, 4. Dezember

Am Freitag kam es um 6.59 Uhr erneut zu einem Erbeben, einem mit einer Stärke von 3,5 auf der Richterskala. Ein weiteres mit einer Stärke von 2,7 wurde um 11.10 Uhr registriert.

Das Epizentrum des ersten Bebens befand sich laut Bericht der Dernières Nouvelles d’Alsace in vier Kilometern Tiefe unter der Gemeinde La Wantzenau, also in der Nähe der geothermischen Anlage; das zweite ereignete sich wohl in fünf Kilometer Tiefe; beide Erdstöße werden von den Seismologen als von Menschen induziert eingestuft (wir berichteten).

Das erste Erdbeben vom Freitag sei das stärkste, das seit Beginn geothermischer Aktivitäten im Ballungsraum Straßburg registriert wurde, heißt es zudem in der Pressemitteilung der Stadt Kehl.                                         

Fonroche erklärt Ursachen am Freitagmorgen

Vom Regierungspräsidium Freiburg sei der Stadt am Freitag eine E-Mail des Fonroche-Direktors weitergeleitet worden, erklärt die Stadtverwaltung. Diese wurde am Freitagmorgen, 8 Uhr von Soulé an die Behörde geschickt. Die Beben vom Freitag seien im Zusammenhang mit der Stabilisierungszirkulation aufgetreten, die mit 38 Kubikmeter pro Stunde und einem stabilen Druck von 61 bar betrieben worden sei, zitiert die Stadt aus der E-Mail.

Weitere Beben seien möglich, bis die Stabilisierung eingetreten sei. Jetzt solle die Stabilisierungszirkulation ausschleichend bis zum Stillstand heruntergefahren werden: Am Freitagmorgen sei die eingepresste Wassermenge bereits um 1,5 Kubikmeter pro Stunde auf 36,5 Kubikmeter reduziert worden. Das Herunterfahren geschehe sehr langsam, um das geothermische Reservoir nicht zu destabilisieren.

Fonroche will Geothermiestandort nicht aufgeben

Bis zum kompletten Stillstand werde in etwa ein Monat vergehen, heißt es ergänzend in einem Bericht der elsässischen Zeitung Dernières Nouvelles d’Alsace. Und dort stellt von Fonroche auch klar, dass dieser als Vorsichtsmaßnahme herbeigeführte Stillstand, nicht bedeute, dass die Geothermiezentrale in Vendenheim aufgegeben werden solle.

Präfektur entsendet noch am Freitag Spezialisten

Die Präfektin des Bas-Rhin, Josiane Chevalier, habe am Freitagnachmittag nach einer Abstimmung mit den Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden im Umfeld der Geothermie-Zentrale sowie mit der Präsidentin der Eurométropole, Pia Imbs, eine sofortige Einstellung der Aktivitäten auf dem Gelände gefordert, berichtet die Stadtverwaltung Kehl.

"Die regionale Umweltbehörde hat noch am Freitagvormittag ein Spezialisten-Team auf das Gelände geschickt, um die Vorfälle zu untersuchen", so die Präfektur in einer Pressemitteilung. "Sie haben dort sämtliche wissenschaftlichen Erkenntnisse/Daten mitgenommen, um eine Analyse vornehmen zu können."

Die Aktivitäten von Fonroche, die zu einem Stillstand führen sollen, werden laut Pressemitteilung von Experten beurteilt und von staatlichen Stellen täglich überwacht. Außerdem werde eine behördliche Untersuchung der Vorgänge eingeleitet, berichtet die Stadt.

Veranstaltung

Am Freitag, 11. Dezember, ab 19 Uhr soll eine Veranstaltung live ins Internet übertragen werden, an der Vertreter von Fonroche, staatlicher Behörden und unabhängige Experten teilnehmen. Diese Veranstaltung war bereits vorgesehen, bevor sich die neuerlichen Erdbeben am Freitag ereignet hatten.

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