Die Arbeit der KBF in der integrativen Kindertagesstätte Friedrichstraße läuft gut – die Zusammenarbeit der KBF-Führung mit der Gemeinde nicht.  Foto: Retter

Zum zweiten Mal in diesem Jahr waren die Winterlinger Gemeinderäte – und die Verwaltung – "stinksauer", und zwar auf die KBF. Der Grund: überplanmäßige Ausgaben – in sechsstelliger Höhe.

Winterlingen - Einen Vorgang wie diesen hat selbst Roland Heck, Fraktionschef der Bürgerliste, in 17 Jahren als Gemeinderat und Jahrzehnten als Journalist noch nicht erlebt, wie er in der jüngsten Sitzung in Winterlingen den Gästen Klaus Barthold und Wolfgang Welte, beide Stiftungsvorstände der KBF mit Sitz in Mössingen, echauffiert mitgeteilt hat.

Rechenfehler fällt nur dem Winterlinger Verwaltungsteam auf

Was war passiert? Per E-Mail hatte die gemeinnützige GmbH im Juli die Betriebskostenabrechnung 2020 für die Integrative Kindertagesstätte Friedrichstraße vorgelegt: mit einer Nachforderung von 285 885 Euro. Kaum dass Bürgermeister Michael Maier, Hauptamtsleiter Ludwig Maag und Kämmerer Bodo Erath nach Luft geschnappt hatten, rechneten sie nach. Und fanden heraus, dass die KBF sich satt verrechnet hatte. Die korrigierte daraufhin die Forderung auf 107 397 Euro, "weil Erstattungen für Personalkosten negativ bei den Einnahmen anstatt bei den Personalaufwendungen abgezogen wurden", wie es in der Sitzungsvorlage heißt.

Was hinzu kommt: Die Mehrkosten für die Freistellung der Kita-Leiterin mit 42 Prozent Stellenanteil für Leitungsaufgaben hat die KBF nun eingepreist – ohne Zustimmung der Gemeinde und obwohl das dem Kindergartenvertrag zwischen der Gemeinde als Trägerin und der KBF als Betreiberin widerspricht.

Schon im März hatte der Gemeinderat 200 000 Euro für Personalkosten nachbewilligt, weil die KBF sie falsch veranschlagt hatte – nun also nochmals eine sechsstellige Summe; zusammen mehr als 300 000 Euro.

Barthold: "Nach dem Gute-Kita-Gesetz sind wir verpflichtet"

Bürgermeister Maier gab Klaus Barthold zunächst Gelegenheit, das Dilemma zu erklären. Der argumentierte mit geringeren Einnahmen durch Elternbeiträge in der Coronavirus-Pandemie, mit schwankenden Sachkostenzuschüssen und der Tatsache, dass es nicht in KBF-Hand liege, ob ein Kind mit Förderbedarf integrativ betreut wird und das Regierungspräsidium die Fördermittel dafür bewilligt – das Sozialamt entscheide darüber, was das Planen schwierig mache.

Laut Sitzungsvorlage waren die Einnahmen 2020 von 287 865 auf 228 195 Euro zurückgegangen, was die Landesbeihilfen mit 28 885 Euro nicht kompensiert hatten. Die Personal- und Sachkostenzuschüsse des Regierungspräsidiums für die integrativ betreuten Kinder sei von 115 656 auf 86 275 Euro gesunken. Die Leitungsfreistellung hätten alle 13 Kommunen, für welche die KBF tätig ist, problemlos mitgetragen. Die KBF sei nach dem "Gute-Kita-Gesetz" dazu verpflichtet, die Leiterin 16 Wochenstunden für die Kita und fünf Stunden für den sonderpädagogischen Bereich freizustellen.

Michael Maier wurde deutlich: "Ganz so einfach ist es nicht, Herr Barthold. Wir haben einen Vertrag!" Das Gute-Kita-Gesetz setze die Gemeinde in ihren Kindergärten nicht um. Sollte heißen: Da gelte Gleichbehandlung für alle. "Und die ganze Landesförderung ist eine Mogelpackung: Die Leitungskraft kostet 76 000 Euro, das Land gewährt 51 000 Euro." Die Leitungsfreistellung koste 32 000 Euro im Jahr, wovon 20 000 Euro durch Zuschüsse abgedeckt seien. "Bleiben bei uns also nur 12 000 Euro." Besonders ärgerlich sei, dass beide Nachforderung in einem Jahr kämen: "Hätten wir nicht nochmal nachgerechnet, wäre der Fehler nicht registriert worden und wir hätten vielleicht brav bezahlt." Zudem erwarte er, "dass bei sechsstelligen Summen nicht nur eine E-Mail kommt".

Pfersich: "Für uns sind 307 000 Euro keine Peanuts!"

Auch Rainer Pfersich, Fraktionschef von "Zukunft Winterlingen", war "stinksauer": Schon im März habe die KBF 200 000 Euro draufgesattelt, nun noch mehr: "Für Winterlingen sind 307 000 Euro keine Peanuts! Wenn wir mit unseren Kunden im Autohaus so umspringen würden, hätte Winterlingen eine Werkstatt weniger. Gott sei Dank hat unsere Verwaltung nachgerechnet!" Er selbst komme, abzüglich der Landeszuschüsse, nur auf 60 000 Euro Fehlbetrag, und im Übrigen habe er sich "schon im März gewünscht, dass die KBF dagewesen wäre".

Damals habe man keine Einladung bekommen, entgegnete Barthold, worauf Maier antwortete, die 200 000 Euro Nachforderung seien "nur per E-Mail gekommen". Roland Heck setzte nach: "Haben sie damals zum Telefon gegriffen?" Barthold: "Es gab ein persönliches Gespräch." Maier: "Erst als wir nachgehakt haben." Hecks Frage, ob die Leitungsfreistellung "ein Muss oder ein Kann" sei, beantwortete Bathold mit "Muss", Ludwig Maag widersprach: "Nein." Die Umsetzung gelte erst, wenn eine neue Betriebserlaubnis erteilt werde. Im Klartext: So lange seien die Vereinbarungen gültig, auf denen die aktuelle Betriebserlaubnis basiere.

Emil Oswald: "So lassen wir Sie hier nicht gehen!"

So oder so: Für Heck ist der Vorgang "Vertragsbruch" und "ungeheuerlich", für Welte nicht, sondern nur "die Umsetzung eines Bundesgesetzes". Emil Oswald, im Brotberuf Rechtsanwalt, sprach gar von "Vertrauensbruch, wenn Sie meinen, dass Sie aufgrund eines Bundesgesetzes den Vertrag nicht einhalten müssen". Die Leitungsfreistellung einfach anzuordnen, ohne mit der Vertragspartnerin zu reden, sei "Diktatur: Wir brauchen Vertrauen und Verlässlichkeit, und beides ist nicht gegeben. So lassen wir Sie hier nicht gehen!"

Ewald Hoffmann ließ bittere Ironie in seiner Frage mitschwingen: "Das Jahr hat noch drei Monate. Haben wir noch mit weiteren Nachzahlungen zu rechnen?" Darauf Welte: "Wir werden wieder Sondereffekte haben durch Corona, aber ich gehe nicht davon aus." Den Planungsfehler räumte er ein.

Das stimmte Michael Maier etwas milder: "Wir wollen ja eine gute Zusammenarbeit und sind sehr zufrieden mit der Arbeit der KBF". Das werde man wieder "auf die Reihe kriegen".

Die Gemeinde hat durch Kurzarbeit Geld gespart – die KBF nicht

Auf Martin Kromers Frage erklärte Barthold, dass die Leitungsfreistellung durch Arbeitszeitaufstockung anderer Mitarbeiterinnen kompensiert worden sei – nicht durch zusätzliches Personal. Die KBF müsse nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TVL) bezahlen, nur dann erhalte sie Fördermittel. Es sei schwer, gutes Personal zu bekommen, und durch die Freistellung der Leiterin hoffe man auf bessere Bindung guter Mitarbeiterinnen.

"Hatten Sie in der Pandemie Kurzarbeit angemeldet?", hakte Pfersich nach. Welte: "Nein", das sei beim TVL nicht möglich. "Wir sind letztlich die Blöden!", entfuhr es Pfersich. "Sie geben die Kosten weiter, und wir müssen es zahlen. Was haben die Erzieherinnen während der Notbetreuung getan?" Sie hätten die Eltern unterstützt, so Barthold: durch Videos, Bastelmaterial, die Organisation einer Schatzsuche und Ähnliches. Die Gemeinde Winterlingen indes hatte Kurzarbeit angemeldet und so ihre steuerzahlenden Bürger entlastet – darauf spielte Pfersich an, und in der Sitzungsvorlage heißt es: "Das Betriebsergebnis 2020 zeigt eindrücklich, was passiert, wenn ein Träger nicht auf das Instrument der Kurzarbeit zurückgreift oder andere kostensenkende Personalmaßnahmen ergreift."

"Sie müssen die Zustimmung zur Leitungsfreistellung einholen oder selbst die Kosten tragen", so Oswald. In der Zusammenarbeit mit der KBF "funktioniert alles gut – nur auf der finanziellen Seite hapert es ganz enorm. Da wird Vertrauen zerstört."

Zu einer Abstimmung über die Nachzahlung der Gemeinde kam es am Ende nicht – ein Antrag von Roland Heck kam dazwischen, dem sich bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung alle anschlossen: Die Entscheidung wurde abgesetzt, "bis geklärt ist, ob das Gute-Kita-Gesetz die KBF in die Lage versetzt hat, ohne Rücksprache die Leitungsfreistellung umzusetzen". Andernfalls fordert Heck, "diese 107 397 Euro aus dem Abmangel herauszurechnen".

Kommentar: Beschädigt

Von Karina Eyrich

"Pacta sunt servanda!" galt schon im alten Rom: Verträge sind einzuhalten – auch von einer gemeinnützigen GmbH wie der Stiftung KBF, die als anerkannte Einrichtung und mit Erfolg die integrative Kindertagesstätte in Winterlingen betreibt. Personalentscheidungen – entgegen dem Vertrag und ohne Abstimmung mit der Gemeinde – zu treffen, ist ein starkes Stück. Sich bei der Nachzahlungsaufforderung um satte 178 488 Euro zu verrechnen, ein noch stärkeres. Dieselbe per E-Mail zu verschicken, ohne zum Telefon zu greifen, schlägt dem Fass endgültig den Boden aus. Und um Entschuldigung haben die Sitzungsvorstände den Gemeinderat überdies nicht gebeten für den groben Rechenfehler ihrer Buchhaltung. Der ist nur dank die Genauigkeit der Winterlinger Verwaltung aufgeflogen. Bitter, dass auf diese Weise der gute fachliche Ruf der KBF so beschädigt wird.