Klicken Sie sich durch eine Auswahl an über- und unterbelegten Park-and-ride-Plätzen in der Region Stuttgart.
S-Bahn-Halt Österfeld, überbelegt
In Stuttgart-Vaihingen hat es eine Weile gedauert: Das Parkhaus Österfeld mit 510 Plätzen, anfangs von Autofahrern gern ignoriert, gilt mittlerweile als dauerhaft belegt. Trotzdem gebe es dort keinen weiteren Bedarf, sagt Bezirksvorsteher Wolfgang Meinhardt, „weil die umliegenden Firmen ihren Mitarbeitern zusätzlich Parkplätze bieten“. Foto: Michele Danze

Der neue Stuttgarter OB würde seinen feinstaubgeplagten Bürgern gerne Luft verschaffen. Auf viel mehr Park-and­ride-Plätze im S-Bahn-Netz sollte Fritz Kuhn dabei nicht setzen. Denn bisher plant jede der 179 Kommunen für sich.

Stuttgart - 108 P+R-Anlagen gibt es im Ballungsraum an Regionalbahnhöfen, S-Bahnhöfen und Stadtbahn-Haltestellen. Die allermeisten wurden mit dem Bahnhof gebaut. Rund 17.000 Parkplätze listet der Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) auf seiner Homepage auf – von vier kostenlosen Plätzen an der Böblinger Heusteigstraße bis zur gebührenfreien 774-Stellplätze-Anlage in Vaihingen/Enz. Neue Parkplätze sind in den vergangenen Jahren fast nur dann dazugekommen, wenn das Netz erweitert wurde.

Und nicht alle stehen an der richtigen Stelle: Im Stuttgarter Bezirk Mühlhausen etwa ist die P+R-Anlage Wagrainäcker mit nur zehn Prozent der 134 Plätze mit am schlechtesten gefüllt. „Die Anlage liegt für ein P+R-Angebot eigentlich an der falschen Stelle“, sagt Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler: Leute, die aus dem Remstal kommen, fahren gleich durch bis Bad Cannstatt oder Ludwigsburg, Leute aus Neugereut nehmen Stadtbahn oder Bus. Auch die Auslastung des Parkhauses Albstraße in Degerloch mit nur 55 Prozent ist laut VVS-Geschäftsführer Horst Stammler unter anderem wegen der „sehr stadtnahen Lage“ vergleichsweise gering – zu stadtnah.

Einen Überblick über die Park-and-ride-Plätze in Stuttgart finden Sie hier

Außerhalb der Landeshauptstadt stehen Stuttgarter Belange weniger im Blickpunkt als die eigenen – schließlich bauen nicht Stuttgart oder die Deutsche Bahn die Parkplätze, sondern die jeweilige Standortkommune. Die kann zwar 75 Prozent ihrer Baukosten vom Land als Zuschuss bekommen, für Grunderwerb und Unterhalt muss sie aber selbst aufkommen. Also fragen sich Bürgermeister und Gemeinderäte allerorten: „Was haben wir davon?“

„Und die Preisvorstellungen waren jenseits von Gut und Böse“

Eine, die ruhig mal ein Dankesschreiben aus der Landeshauptstadt bekommen könnte, ist Ulrike Binninger. Die Ehefrau des Bundestagsabgeordneten Clemens Binninger ist von Beruf Bürgermeisterin der 5400-Einwohner-Kommune Nufringen im Kreis Böblingen. Als solche kämpft Ulrike Binninger seit Jahren um mehr P+R-Plätze an „ihrer“ S-Bahn-Haltestelle – und darum, dass diese kostenlos bleiben. „Wir machen das für die Anwohner“, sagt sie und erinnert sich mit Grausen, wie Pendler nicht nur aus dem Hinterland der S 1 das angrenzende Wohngebiet verstopften, wenn die 169 P+R-Plätze belegt waren. Das sind sie oft schon frühmorgens, weil Nufringen auf der Zonengrenze liegt und auch viele Herrenberger mit dem Auto rüberfahren, obwohl ihre Stadt einen S-Bahn-Anschluss hat. „Wir machen das auch für die P+R-Nutzer“, räumt Binninger ein und schiebt nach: „Die sind ganz schön hartnäckig.“ Sprich: Das wilde Parken lief zeitweise aus dem Ruder.

Nufringen unterhält die P+R-Plätze, die Eigentum der Bahn sind – und Binninger verhandelte vier Jahre lang mit dem Schienenkonzern, um Raum für weitere 30 Stellplätze zu bekommen. Doch die Bahn wollte nur alles zusammen verkaufen, sagt die Bürgermeisterin, „und die Preisvorstellungen waren jenseits von Gut und Böse“. Also brach sie die Verhandlungen ab, wies die wilden Parker per Flugzettel auf die 180 Parkplätze bei den Mehrzweckhallen in der Nähe hin und führte im Wohngebiet eine Anwohner-Parkzone ein. „Seitdem hat sich die Situation für die Anwohner entspannt“, sagt Binninger. Aber der P+R-Platz ist immer noch überbelegt.

Ganz anders hat am anderen Ende der S 1 die Stadt Wendlingen ihre Probleme gelöst. Nach Wendlingen fährt die S-Bahn seit 2009, die Stadt erwarb 2011 die 265 Stellplätze beim Bahnhof. Das Problem: Weil man sich auch hier eine Zone sparen kann, fährt mancher mit dem Auto von Kirchheim/Teck herüber. „Unsere Bürger haben sich beschwert, dass sie morgens keine Parkplätze am Bahnhof bekommen“, sagt Bürgermeister Steffen Weigel. Zumal diese – anders als in Kirchheim – umsonst waren. Also hat die Stadt vor zwei Monaten eine Tagesparkgebühr von zwei Euro eingeführt. Seitdem findet man wieder Parkplätze – und der Verkehr auf einer wichtigen Durchgangsstraße ist laut Weigel auch etwas weniger geworden. „Es gab allerdings Anrufe und E-Mails aus dem Umland von verärgerten Pendlern, die sagten, sie fahren jetzt wieder mit dem Auto“, sagt Weigel – womöglich nach Stuttgart. Der Bürgermeister bittet um Verständnis: „Uns geht es hier in erster Linie um die Menschen, die in Wendlingen wohnen.“

„Mit P+R machen wir 160.000 Euro Miese im Jahr“

Auch Peter Friedrich darf schon von Berufs wegen nicht nur auf die Bedürfnisse der Landeshauptstadt schauen. Friedrich ist Betriebsleiter der Stadtwerke Leinfelden-Echterdingen, die Parkplätze an den S 2/S 3-Haltestellen in Oberaichen und Leinfelden sowie ein großes Parkhaus in Echterdingen betreiben. „Mit P+R machen wir 160.000 Euro Miese im Jahr“, begründet Friedrich, warum er wenig tun kann, um die Auslastung in Oberaichen (30 Prozent), Leinfelden (35 Prozent) und Echterdingen (60 Prozent) zu steigern. „Es ist schwierig, Werbung für etwas zu machen, das keinen Gewinn bringt“, sagt Friedrich, „zumal den Vorteil Stuttgart und die Pendler etwa aus Steinenbronn haben.“

Am Beispiel der Stadt auf den Fildern zeigt sich, dass der Erfolg von P + R oft von Kleinigkeiten abhängt. In Leinfelden ist der Teil des Parkplatzes auf der Stadtseite der Schienen laut Friedrich werktags stets belegt. „Auf der anderen Seite, zu der man zwei Minuten außen rum fahren muss, sind es nur 30 Prozent“, sagt Friedrich. In Oberaichen dagegen fehlt das Einzugsgebiet, und die Pendler aus LE-Musberg fahren lieber gleich nach Stuttgart-Rohr – wo sie sich eine VVS-Zone sparen. Das macht bei einem normalen Jahresticket zur City 250 Euro.

In Stuttgart sind auch andere Probleme die gleichen wie außerhalb. Der Vaihinger Bezirksvorsteher Wolfgang Meinhardt ärgert sich über offenbar viele Musberger in Rohr ebenso wie über die Auswärtigen, die den Bereich um die Stadtbahn-Haltestelle Fauststraße zuparken. „Unser Bezirksbeirat regt deshalb an, die Tarifzonen zu ändern“, sagt Meinhardt.

OB Kuhn hat „aktuell nichts zu kommentieren“

VVS-Geschäftsführer Horst Stammler bewirbt das P+R-Angebot auf der VVS-Homepage (www.vvs.de) und in den Amtsblättern der jeweiligen Kommune. Während ein Bahn-Sprecher findet, dass im Angebot insgesamt „noch eine gewisse Luft drin ist“, sagt Stammler: „An Plätzen, die voll ausgelastet sind, besteht Bedarf auszubauen.“ Namen will er keine nennen: „Da muss man sich erst mal die Situation vor Ort anschauen.“ Ähnlich äußert sich Jürgen Wurmthaler vom Verband Region Stuttgart, der für die S-Bahn zuständig ist. „Wir wollen, dass Autofahrer umsteigen“, sagt Wurmthaler, „deshalb wirken wir beim S-Bahn-Ausbau immer auch auf P+R hin. Wir haben aber keinen originären Einfluss, dass ein Parkplatz gebaut wird.“

Was will Stuttgart also tun, damit weniger Pendler in die Stadt fahren? Auf eine Anfrage an Oberbürgermeister Fritz Kuhn vom Montag ließ sein Sprecher am Mittwoch lediglich ausrichten, dass „es aktuell nichts zu kommentieren“ gebe. Der OB werde sein Programm, mit dem er bis zu 20 Prozent weniger Individualverkehr in der City kommen will, vor den Sommerferien vorstellen.