Der Kaufmann für Versicherungen und Finanzen hatte Provisionen kassiert, obwohl die Versicherungsverträge noch gar nicht liefen. Foto: © Gajus – stock.adobe.com

178 000 Euro – so viel Provision hatte sich ein Versicherungskaufmann von seinem Arbeitgeber erschlichen. Trotz des schweren Betrugs ist das Urteil milde – weil das Gericht eine Mitschuld bei der Versicherung sieht.

Villingen-Schwenningen - Eigentlich könnte der 37-Jährige stolz darauf sein, wie er sich über Jahre hochgearbeitet hat – erst Realschule, dann Abitur nachgeholt, die Ausbildung als Kfz-Mechaniker absolviert, mehrere Jahre bei der Bundeswehr gearbeitet und schlussendlich als erfolgreicher Kaufmann für Versicherungen und Finanzen in Lohn und Brot. Doch: Was trieb ihn dazu, Provisionsbetrug zu begehen und sogar einen Gehirntumor vorzutäuschen? Diese Frage blieb bei der Verhandlung vor dem Amtsgericht Villingen offen.

Der Fall an sich war – auch aufgrund des Geständnisses des Angeklagten – glasklar. Der Mann hatte in Villingen-Schwenningen als Außendienstmitarbeiter einer großen Versicherung gearbeitet. Im Oktober 2019 schloss der Angeklagte mit einem seiner Geschäftskunden eine Lebensversicherung über 1,7 Millionen Euro ab.

Lebensversicherung über 5,4 Millionen Euro

Mit der kurze Zeit darauf auftretenden Coronapandemie begründete der 37-Jährige einen Ratenaufschub bis Februar 2021 – laut Anklage war aber bereits zu einem frühen Zeitpunkt klar, dass die Lebensversicherung wieder gekündigt werden sollte. Ende Oktober 2019 überwies die Versicherung ohne auch nur eine Rate gesehen zu haben, die fällige Provision in Höhe von 45 000 Euro.

Im Juli 2020 folgte der zweite Fall – bei dem der Angeklagte einen Freund mit in die Betrügereien hineinzog. Diesem jubelte er einen Vertrag unter mit der Begründung, finanzielle Hilfe zu benötigen und auf diese Weise ein zinsloses Darlehen zu erhalten. Stattdessen handelte es sich um eine Lebensversicherung über 5,4 Millionen Euro – mit einer monatlichen Rate von 12 000 Euro. Die Provision in Höhe von 133 000 Euro wurde abermals sofort ausbezahlt. Ein Jahr später wurde die Versicherung schließlich auf die Provisionserschleichung aufmerksam – ein Gebietsvertreter erstattete deshalb Anzeige.

Schwere Erkrankung vorgetäuscht

Zu diesem Zeitpunkt hatte der 37-Jährige bereits seine schwere Erkrankung vorgetäuscht. Er erklärt auf Nachfrage der Staatsanwältin: "Ich musste mir etwas einfallen lassen, um bei der Arbeit aufzuhören. Und es durfte nicht offensichtlich sein. Ich bin bei bester Gesundheit." Es schien also durchaus berechnend, dass er Arbeit und soziales Umfeld hinter das Licht führte.

Auch für das Gericht und die Staatsanwaltschaft war er zwischenzeitlich nicht mehr erreichbar – die Folge: ein Haftbefehl samt Fahndung. Er konnte schließlich Ende Mai bei seiner Lebensgefährtin in Wolterdingen festgenommen werden und wanderte in den Knast.

Vom Geld ist nichts mehr übrig

Doch warum das alles? Zuvor habe sich seine Frau von ihm getrennt, tischte er als Begründung auf, "ich wusste nicht weiter!" Es seien "unüberlegte Aktionen" gewesen, er habe "zum ersten Mal im Leben den falschen Weg eingeschlagen".

Von den insgesamt 178 000 Euro sei mittlerweile nichts mehr über, die Staatsanwältin wunderte das nicht. "Sie haben ganz schön auf den Putz gehauen: Rolex, Reisen und große Barabhebungen", hielt sie ihm bei der Verhandlung vor. Doch der Kaufmann antwortet unaufgeregt: "Ich habe davor ähnlich verdient – habe also nicht anders gelebt als sonst."

Er möchte als Lkw-Fahrer arbeiten

Das wird sich nun angesichts der Schulden allerdings ändern. Bislang suche er sich noch Arbeit, sein Plan sei es, dass er als Lkw-Fahrer anheuert, einen entsprechenden Führerschein habe er noch von seiner Zeit bei der Bundeswehr.

Sein Verteidiger plädierte vor Gericht schließlich dafür, ihm die Reue abzunehmen – die Versicherungsverträge hätten "die Bosheit herausgefordert", bei anderen würde die Provision erst gezahlt, wenn Verträge laufen. Schlussendlich sah auch der zuständige Richter Christian Bäumler die vertragliche Konstruktion der Versicherung als "missbrauchsanfällig" und das Unternehmen deshalb nicht als sonderlich schützenswert an.

Urteil: zwei Jahre auf Bewährung

Deshalb wolle er den Angeklagten auch nicht ins Gefängnis schicken – eigentlich sei eine Bewährungsstrafe aber angesichts der hohen Schadenssumme kritisch. Doch genau diese erhielt der 37-Jährige: So verurteilte ihn das Gericht zu zwei Jahren auf Bewährung, der Haftbefehl ist aufgehoben worden. Und das Urteil wurde direkt rechtskräftig.