Die Kirchengemeinden St. Josef und St. Lioba stehen nun unter der Leitung der beiden Pfarrbeauftragten Andrea und Bertram Bolz. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart müsse sich ihrer Meinung nach dringend ein neues Leitsystem überlegen.
Zum ersten Mal wurde ein Ehepaar in der Diözese Rottenburg-Stuttgart nun als Pfarrbeauftragte für eine komplette Seelsorgeeinheit eingesetzt. Das Ehepaar Bolz stand bisher an der Spitze der Seelsorgeeinheit Calw-Bad Liebenzell. Seit diesem Wochenende steht die Kirchengemeinde St. Josef in Calw offiziell unter der Leitung von Diakon Bertram Bolz – St. Lioba in Bad Liebenzell unter der von Gemeindereferentin Andrea Bolz. Und das für die kommenden fünf Jahre. Mit Unterschrift von Bischof Gerhard Fürst ernannte Domkapitular Holger Winterholer das Ehepaar am Sonntag zu Gemeindeleitern der beiden Kirchengemeinden.
Stelle jahrelang vakant
Die beiden Gemeinden hatten es seit 2017 schwer. Damals entschied sich der leitende Pfarrer Hans-Georg Unckell, in eine andere Seelsorgeeinheit zu wechseln. Die Kirchengemeinden rechneten mit einer mehrmonatigen Vakanz der Stelle. Doch dass die Stelle mehrere Jahre vakant bleibt, war nicht der Plan. Zwar waren für die priesterlichen Dienste in der Liturgie genügend Priester vor Ort, diese waren aber oft Pfarrvikare, die promovierten oder bereits für eine muttersprachliche Gemeinde verantwortlich waren. Immer wieder gab es verschiedene Administratoren für die Leitung der Gemeinden. Diese waren hauptsächlich auch Pfarrer einer eigenen Seelsorgeeinheit.
Deshalb wurden Gemeindereferentin Andrea Bolz und Diakon Bertram Bolz in dieser Zeit letztendlich viele Aufgaben zugewiesen, die über ihre normalen Dienste hinausgehen. Und da sich, wie Andrea Bolz betont, das Aufgabenfeld der beiden durch die Einführung als Pfarrbeauftragte kaum ändern würde, stellte das Ehepaar vor mehr als eineinhalb Jahren den Antrag beim Bischöflichen Ordinariat, die Gemeindeleitung oder Pfarrbeauftragung an sie zu übertragen. Am Sonntag wurden die beiden dann im Auftrag von Bischof Gerhard Fürst in das neue Amt eingesetzt. „Aus der gefühlten Verantwortung wurde eine verpflichtende Verantwortung“, beschreibt Andrea Bolz.
Immer weniger Priester
Nicht nur aufgrund des Pilotprojekts war dies eine Besonderheit. Denn Pfarrbeauftragte in der katholischen Kirche gehören in Deutschland noch zu den Ausnahmen. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart gebe es aktuell etwa fünf oder sechs Pfarrbeauftragte anstelle eines leitenden Pfarrers, erzählt das Ehepaar im Gespräch mit unserer Redaktion. Zum ersten Mal nun wird allerdings nicht nur eine Kirchengemeinde unter die Leitung eines Pfarrbeauftragten gestellt, sondern eine gesamte Seelsorgeeinheit. „Das ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung“, meint das Ehepaar.
Aber: „Die Diözese muss sich ein neues Leitsystem für die Gemeinden überlegen“, ist sich das Ehepaar sicher. „Andere machen schon XXL-Gemeinden mit nur einem leitenden Pfarrer“, erläutert Andrea Bolz.
Für fünf Jahre ist die Situation in Calw und Bad Liebenzell nun vorerst durch das Pilotprojekt geregelt. „Doch in den kommenden Jahren muss dringend was passieren“, unterstreicht Bertram Bolz. Nicht nur bleiben offene Stellen immer länger vakant, es werden immer weniger Priester und es wenden sich auch immer mehr Menschen ab, meint das Ehepaar. Dagegen müsse etwas getan werden. „Wir müssen die Einheit mehr pflegen. Nur gemeinsam überleben wir das – als Christen und nicht in Konfessionen“, unterstreicht der Diakon.