Eine Variante der Ansichten des geplanten Komplexes: Manche Bürger finden, dass die Massivität beschönigt wird. Am rechten Bildrand: die Markthalle. Illustration: Behnisch Architekten

Anhörung gerät zum Appell an die Investoren - Bürger fordern geringeres Bauvolumen.

Stuttgart - Beißende Kritik von Bürgern und eine Verwaltung, die unter Druck ist: Bei der Anhörung zur geplanten Neubebauung am Karlsplatz wehte am Mittwochabend ein Hauch von Stuttgart-21-Streit. Die Besucher forderten die Erhaltung der früheren Gestapo-Zentrale Hotel Silber.

Schon die äußeren Umstände waren nicht glücklich. Rund 200 Besucher mussten sich im Kleinen Sitzungssaal im Rathaus drängen, nicht wenige mangels Sitzgelegenheiten auf Treppenstufen Platz nehmen oder sich gegen Wände lehnen. Und die Pläne und Modelle, die das Büro Behnisch Architekten an die Wand warf, waren mitunter schwer zu erkennen.

Frühzeitige Bürgerbeteiligung macht Hoffnung

Sieht so eine vernünftige Bürgerbeteiligung aus? Die Vertreter der Initiative Gedenkort Hotel Silber und die anderen Besucher fanden das nicht. Sie waren selbstbewusst, nachdem Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler einen Tag früher und ein Stockwerk höher ganz andere Bürgerbeteiligungen gefordert hatte: frühzeitig anberaumt und mit maximaler Transparenz.

Diese Bürgerbeteiligung zum Projekt Da Vinci finde sehr frühzeitig statt, versicherte die Stadtverwaltung. Andererseits musste sie zugeben, dass die Stadträte mehrheitlich dem Land und der Firma Breuninger schon Vorgaben gegeben hatten: 47.000 Quadratmeter Geschossfläche für Ministerien, Läden, Lokale und ein Luxushotel, bei hervorragender planerischer Qualität 49000.

Den Unterschied, den das macht, stellte das Büro Behnisch in der Präsentation dar. Den Abzug von 2000 Quadratmeter habe man in erster Linie genutzt, um der Sporerstraße mehr Platz zu geben und die geplanten Dachlandschaften der beiden Gebäudekomplexe zu modellieren - also da und dort etwas an Höhe wegzunehmen. Besonders dort, wo die Gebäudekomplexe dem Betrachter später als zu massiv erscheinen könnten, wie von der Planie oder dem Schillerplatz aus oder bei der historischen (und deutlich niedrigeren) Markthalle. Schon vorher war bei den Simulationen das Volumen an der Münzstraße reduziert und der andere Komplex an der Holzstraße erhöht worden.

Architekt und Stadtverwaltung haben schweren Stand

Architekt und Stadtverwaltung hatten dennoch einen schweren Stand. Man müsse eine Reduzierung der Geschossfläche auf 30000 Quadratmeter anpeilen, hieß es. Die Darstellungen seien ungenügend. Dass die Architekten vom früheren Hotel Silber und der nachmaligen Gestapozentrale im Dritten Reich nur den Folterkeller und ein 20 Meter langes Fassadenteil in den Neubau integrieren wollen, erzürnte viele im Raum. Das wäre eine ungeheuerliche Attrappe, lautete der Vorwurf. Indem durch Glasöffnungen im geplanten Fußgängerbereich der Blick in den Keller gelenkt werde, rücke man einseitig die Folterungen in Erinnerung, sagte Harald Stingele von der Initiative Hotel Silber. Doch bezeichnend für den Charakter des Naziterrors sei ja gerade die bürokratische Perfektion gewesen, an der über dem Folterkeller 250 Beamte gearbeitet hätten. Wenn das Gebäude wegkomme, wäre dies Geschichtsfälschung, sagte Stingele. Kritik rief auch hervor, dass die Architekten dem Folterkeller und einem neuen Zugang darüber den Arbeitstitel "Denkort" gaben. Das sei eine Verharmlosung, hieß es. Es handle sich um die Zentrale der Geheimen Staatspolizei, in der Schreckenseinrichtungen und Terror in ganz Württemberg geplant worden seien.

Die Anhörung wurde so zu einem Appell an die Investoren, dem Architekturbüro weniger Bauvolumen vorzugeben und das Hotel Silber ganz zu erhalten. Damit stimmte auch für die Stadtplaner die Adresse der Wünsche eher, handle es sich doch nicht um ein Projekt der Stadt, wenngleich man das Konzept unterstützt. "Sie würden gern auf Augenhöhe mit jemandem sprechen, der nicht da ist", sagte Uwe Stuckenbrock vom Stadtplanungsamt, "wir sind aber nicht die kompetenten Gesprächspartner, die Sie eigentlich bräuchten." Das löste Kopfschütteln und Protestrufe aus. Die Herrschaftshaltung, die die Verwaltung demonstriere, könne sie sich seit Dienstag, dem Tag von Geißlers Schlichterspruch, nicht mehr leisten, rief ein Besucher.