Sieben Jahre nach der Idee des damaligen Breuninger-Chefs und sechs Jahre nach der Präsentation der ersten Vision ist endlich alles klar. Der Gemeinderat hat am Donnerstag den Bebauungsplan für das neue Dorotheenquartier genehmigt.
Stuttgart - Rund 200 Millionen Euro will die Firma Breuninger gleich neben ihrem Stammsitz investieren, um den Standort gegen neue Konkurrenz am Rand des Stadtkerns zu wappnen und zukunftssicher zu machen. Am Donnerstag wurde der neue Bebauungsplan dafür beschlossen. Nur vier Mitglieder des 60-köpfigen Gemeinderats stimmten dagegen: Rep-Einzelstadtrat Dr. Rolf Schlierer sowie Mitglieder der Fraktion SÖS/Linke. Ein Stadtrat enthielt sich. Der Rest machte den Weg für ein Vorhaben frei, das ganz zu Beginn des Pläneschmiedens aufs Höchste umstritten gewesen war. OB Fritz Kuhn (Grüne) brauchte nicht abzustimmen – er hatte die Sitzung zu diesem Zeitpunkt schon verlassen.
Die Zustimmung war also groß. Inzwischen haben die Pläne auch fast nur noch die Grundidee mit dem gemein, was sich der damalige Breuninger-Chef Willem G. van Agtmael 2006 ausgedacht und was er 2007 für die Öffentlichkeit unter dem Arbeitstitel „Da Vinci“ enthüllt hatte. 2010 legte das Büro Behnisch Architekten bei einem Architektenwettbewerb einen grundlegend anderen Entwurf vor. Im ständigen Dialog mit Breuninger und mit der Stadt wurde er weiterentwickelt. Auch den Kurswechsel nach dem Regierungswechsel, das ehemalige Hotel Silber nicht abzubrechen, sondern zum Gedenken an die Opfer von Nazi-Verbrechen zu erhalten, mussten Stefan Behnisch und seine Kollegen im Konzept umsetzen.
Der Plan sieht nun so aus, dass es drei Neubauten geben wird. An der Dorotheenstraße, wo das Innenministerium auszog, werden die Neubauten vier Sockelgeschosse haben. Darüber erhebt sich eine zweigeschossige Dachlandschaft. An der Sporerstraße – neben dem mächtigen Stammsitz von Breuninger – ist alles höher: Die Dachlandschaft setzt über fünf Sockelgeschossen ein und bringt es auf bis zu vier Geschosse. So modellierten die Architekten das Gros der Baumasse zum Kaufhaus hin. An der Dorotheenstraße, wo die Neubauten zu Denkmälern wie dem Alten Waisenhaus, der Markthalle, dem Alten Schloss und dem Karlsplatz aufschließen, hat man abgemildert.
Weisheit vieler habe viele Verbesserungen ermöglicht
Tatsächlich ist auch die oberirdische Nutzfläche im Lauf der letzten Jahre von 49 000 auf jetzt noch 38 270 Quadratmeter reduziert worden. Einstmals hätte van Agtmael am liebsten den kompletten historischen Karlsplatz mit einer Tiefgarage unterbaut. Von etwa 700 Parkplätzen ist auch schon lang nicht mehr die Rede. Kurz vor der Fertigstellung des Bebauungsplanentwurfs reduzierte Breuninger die Zahl noch einmal von 400 auf 320. Von einem Luxushotel redet man schon lang nicht mehr. Auf der Grundfläche von 2,12 Hektar wird es neben Büros, fast komplett für Landesministerien, Einzelhandel sowie 2990 Quadratmeter Wohnfläche auf oberen Etagen geben.
Das Projekt sei auf dem langen Weg „wesentlich verbessert worden“, sagte Städtebaubürgermeister Matthias Hahn (SPD). In der Beschlussvorlage steht: Es komme zwar zu Veränderungen des Stadtbildes. Hieraus resultierten jedoch „keine erheblichen Auswirkungen auf die Schutzgüter (Stadt-)Landschaft sowie auf Kulturgüter“.
Nur um Stuttgart 21 sei mehr gerungen worden, urteilte Michael Kienzle (Grüne). Letzten Endes habe die Weisheit der Bürger, Bezirksbeiräte und Stadträte viele Verbesserungen ermöglicht: „Es hat sich für Breuninger und fürs Stadtbild gelohnt.“ Dem stimmte Alexander Kotz (CDU) weitgehend zu. Roswitha Blind (SPD) meinte, mit einer hervorragenden Darstellung, wie sich die zunächst diskutierten Pläne auswirken würden, habe das Stadtplanungsamt eine „Reduzierung auf ein einigermaßen erträgliches Maß“ eingeleitet. Mit den Freien Wählern hätte man an der Holzstraße noch höher bauen, dafür am Karlsplatz Höhe reduzieren können, sagte Jürgen Zeeb. Insgesamt sei man mit dem Kompromiss zufrieden. Ähnlich äußerte sich die FDP über den „zurückgestutzten Entwurf“. Er bewundere die Geduld von Breuninger und Behnhisch, sagte Günter Stübel.
Rockenbauch: Bezahlbarer Wohnraum entsteht nicht
Er habe immer noch Zweifel, ob das „Glasungeheuer“ an diesem Ort angemessen sei, sagte Hannes Rockenbauch (SÖS/Linke). Es handle sich um die Fortsetzung der alten Stuttgarter Investorenplanung auf der Basis von Renditestreben. Bezahlbarer Wohnraum entstehe mit den 22 Wohnungen nicht. Immerhin: „Dank des Planungsamts konnten wir den Investor in Zaum halten und ihm rund 10 000 Quadratmeter Geschossfläche abtrotzen“. Rolf Schlierer urteilte, Schlimmeres sei verhindert worden. Dennoch werde Stuttgart insgesamt durch „diese mehr oder weniger gesichtslose Investorenarchitektur“ erneut gesichtsloser.
Was geplant ist und wie es sich auswirken dürfte, wird am Sonntag umfassend bei einer „Mittendrin“-Veranstaltung der Stuttgarter Nachrichten erhellt, für die es allerdings keine Eintrittskarten mehr gibt. Wer schon eine Karte hat, ist um 15 Uhr zunächst zu Kaffee und Kuchen in der Karlspassage im Kaufhaus Breuninger eingeladen. Die Veranstaltung selbst beginnt um 16 Uhr.