Lahm will Kapitän bleiben:  Rückhalt in der Mannschaft, Kritik von Teammanager Bierhoff.

Durban - Die junge Generation fordert ihren Alt-Kapitän zum Machtkampf heraus. Der Anspruch von Philipp Lahm, über die WM hinaus Spielführer zu bleiben, ist ein deutliches Signal an Michael Ballack: Für den verletzten Capitano ist kein Platz mehr in der Nationalmannschaft.

Als Michael Ballack (33) am Montag gegen 19 Uhr in Johannesburg ins Flugzeug stieg, war seine Welt noch einigermaßen intakt. Als er am Dienstagmorgen in Frankfurt die Gangway hinunterstieg, war sie aus den Fugen geraten. Denn solange der Kapitän a. D. auf dem Heimflug von der WM sanft schlummerte, hatte sein Vertreter Philipp Lahm (26) in Südafrika eine Lawine losgetreten.

"Werde das Amt nicht freiwillig abgeben"

"Die Rolle des Kapitäns macht mir sehr viel Spaß. Ich habe Freude daran. Ich werde das Amt ganz sicher nicht freiwillig abgeben", sagte der Münchner und schob die Verantwortung weiter: "Das wird die Entscheidung des Bundestrainers sein." Wie auch immer sich Joachim Löw entscheidet: Einen der beiden wird er brüskieren.

Aber erst nach der WM, kündigte Löw gestern Abend an. Zum Wirbel, den Lahm ausgelöst hat, sagte er: "Das stört uns hier überhaupt nicht." Teammanager Oliver Bierhoff war schon zuvor sichtlich um Mäßigung bemüht. "Der Zeitpunkt war nicht so glücklich gewählt. Das Thema darf jetzt keine Rolle spielen", rüffelte er Lahm für dessen Äußerungen so kurz vor dem WM-Halbfinale gegen Spanien am heutigen Mittwoch (20.30 Uhr/ARD und Sky) in Durban. Bierhoff räumte ein, dass Ballack bei seiner überstürzt wirkenden Abreise nichts von Lahms bevorstehenden Aussagen gewusst habe, und bedauerte, "dass sie zu Missinterpretationen führen konnten". Bierhoff: "Es gibt keine Missstimmung in der Mannschaft." Der Status quo sei klar: "Lahm ist unser WM-Kapitän, Ballack ist unser Kapitän."

Der DFB unterstützt Lahms Ansprüche

Lahm sieht das anders - wie eine Szene im Spiel gegen Argentinien sichtbar machte. Nach einem gewonnenen Duell an der Eckfahne zupfte er sich als Erstes die Kapitänsbinde zurecht - so viel Zeit muss sein, um seine Ansprüche deutlich zu machen. Ansprüche, die der DFB im Übrigen unterstützt: Die Medienabteilung hätte Lahms brisante Äußerungen nie ohne Zustimmung durch Bundestrainer Löw autorisiert - tags zuvor hatte sie ähnlich lautende Passagen noch aus Interviews mit Lahm gestrichen.

Der überwältigende WM-Erfolg spiegelt die persönliche Tragik des Michael Ballack wider. Der Turnierverlauf hat das junge Team wohl entscheidend von ihrem verletzten Capitano entfremdet, der nun auf verlorenem Posten kämpft. Nach Ballacks eher autoritärem Führungsstil hat sie rasch Gefallen gefunden an Lahms Art, die auch andere Meinungen zulässt. Sportlich ersetzt Bastian Schweinsteiger Ballack souverän.

"Ballacks Ausfall war ein Glücksfall"

"Für Deutschland war Ballacks Ausfall ein Glücksfall", sagt Ex-Nationalspieler Bernd Schuster. "Sonst wäre Schweinsteiger nie so groß herausgekommen." Schon zu Turnierbeginn hatte Lahm geschwärmt: "Das ist die beste Nationalmannschaft, in der ich je gespielt habe." Lahm ist seit 2004 dabei - im gleichen Jahr war Ballack Kapitän geworden. Mit dem Neu-Leverkusener war die DFB-Auswahl 2002 Vize-Weltmeister, 2006 WM-Dritter und 2008 EM-Zweiter - zum großen Wurf hat es aber nie gereicht.

Ballack war erst am Donnerstag nach Südafrika gereist und wollte ursprünglich bis zum Finale bleiben. Beim glanzvollen 4:0 gegen Argentinien hatte er wehmütig festgestellt, dass die Mannschaft ohne ihn klarkommt. "Für mich tut es schon weh", sagte er. Zum Finale am Sonntag will er wieder nach Johannesburg fliegen. Dann droht die nächste Belastungsprobe zwischen Jung und Alt. Es wird wohl nicht die letzte sein.

Es sei denn, Ballack beherzigt den Rat von Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus: "Wenn er jetzt sagen würde, die Mannschaft ist ohne mich stark genug, ich trete zurück, würde er Größe beweisen und sein Gesicht wahren. Das wäre besser, als nicht mehr berufen zu werden." Wohl wahr.