Ein Rottweiler: Diese Rasse gilt nicht als Kampfhund. Trotzdnm werden immer wieder Beißattacken von Hunden dieser Rasse gemeldet. Foto: dpa

Die Kommunen müssen prüfen, ob ein Hund als gefährlich eingestuft wird. In Stuttgart gab es vergangenes Jahr rund 1300 Beißattacken. Tiere einschlägiger Rassen waren nicht darunter.

Stuttgart - Nach der tödlichen Hundeattacke in Hannover ist die Debatte um Gefährlichkeit und Kontrolle von Kampfhunden wieder aufgeflammt. Ein Staffordshire-Terrier-Mischling hatte am Dienstagabend seine 27 und 52 Jahre alten Besitzer in ihrer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus zu Tode gebissen. Die Staatsanwaltschaft Hannover ordnete nach dem Unglücksfall vom Dienstagabend eine Obduktion an. Die Stadt muss entscheiden, ob das Tier eingeschläfert wird.

In Stuttgart wurden 2017 rund 1300 Hundeattacken gemeldet, bei denen ein Mensch oder ein anderer Hund gebissen worden war. Sogenannte Kampfhunde sind nicht darunter gewesen, wie auch schon in den Vorjahren nicht, erklärt Stefan Kinkelein vom städtischen Ordnungsamt. Die Vorfälle sind nicht nach Schwere oder Rasse aufgeschlüsselt. Allerdings steigen die Fallzahlen, weil es immer mehr Hunde in Stuttgart gibt. 2017 waren es mehr als 14 300 Tiere und damit rund 25 Prozent mehr als vor zehn Jahren.

Die Umsetzung der im jeweiligen Bundesland geltenden Hundeverordnung ist Aufgabe der Kommunen und des zuständigen Ordnungsamtes. Laut der baden-württembergischen Kampfhundeverordnung gelten drei Rassen als besonders gefährlich und aggressiv und damit grundsätzlich als Kampfhund: American-Staffordshire-Terrier, Bullterrier und Pitbull-Terrier. Neun weitere Rassen gelten als Tiere mit Eigenschaften von Kampfhunden: Staffordshire Bullterrier, Dogo Argentino, Bullmastiff, Bordeaux-Dogge, Fila Brasileiro, Mastin Espanol, Mastino Napoletano, Mastiff und Tosa Inu.

Im ersten Quartal 2018 haben in Stuttgart 30 Kampfhunde den Test absolviert

In Stuttgart sind nach Angaben des Ordnungsamtes derzeit 92 Kampfhunde registriert. Das sind 22 mehr als 2016 „plus Dunkelziffer“, sagt Kinkelein.

Im vergangenen Jahr wurden in Stuttgart insgesamt 14 Hunde ihren Besitzern weggenommen, davon waren fünf Kampfhunde. Die Halter hatten den vorgeschriebenen Wesenstest für die Tiere verweigert.

Im ersten Quartal 2018 haben bereits 30 Kampfhunde den Test absolviert und bestanden, der von bevollmächtigten Tierärzten durchgeführt wird. „So viele hatten wir seit Jahren nicht mehr“, sagt Kinkelein. „Wir kontrollieren streng. Das spricht sich bei Haltern rum, was dazu führen kann, dass wir mehr erwischen oder die Hunde besser versteckt werden.“

Wie der Test abläuft, ist genau vorgeschrieben. Der Hund wird mit verschiedenen Alltagssituationen konfrontiert, in denen er gereizt reagieren könnte. So begegnet er nacheinander einem Wanderer mit Hut und Stock, einem Jogger, einem Passanten mit aufgespanntem Regenschirm und einem Spaziergänger mit Babypuppe im Kinderwagen.

Städtische Mitarbeiter kontrollien regelmäßig Parks, Grünanlagen und Wohnungen

Nach einem Punktesystem bewertet der Prüfer, wie der Hund reagiert: Er darf sich erschrecken, ausweichen oder neugierig schauen, aber keine Zeichen von Aggressivität zeigen. Bellen, Zähnefletschen, Knurren und Vorwärtspreschen geben Punktabzug. Im Test wird nicht nur der Hund bewertet, sondern auch sein Halter und dessen Fähigkeit, mit dem Tier umzugehen.

Nach Aussage Kinkeleins kontrollieren die Mitarbeiter des städtischen Vollzugdienstes regelmäßig Parks, Grünanlagen und Wohnungen. Wenn sich dabei herausstellt, dass ein Hund von einer als gefährlich eingestuften Rassen abstammt, muss er zum Wesenstest und der Besitzer ist verpflichtet, künftig 612 Euro Hundesteuer pro Jahr zu bezahlen, fast sechsmal so viel wie für einen nicht gelisteten Hund. Trotzdem sagt Kinkelein: „Wir werden wahrscheinlich nie jeden Kampfhundbesitzer erwischen.“ In Hannover werden die Obduktionsergebnisse aufgrund derzeit langer Wartezeiten in der Medizinischen Hochschule erst am Freitag erwartet.