Was ist political correctness: wenn man Diskriminierung zu vermeiden versucht. Foto: dpa

Übertreiben wir’s mit der „political correctness“? Es gibt Ausreißer. Aber es ist eine gute Idee, Menschen nicht allein deshalb zu beleidigen, weil sie nicht weiß und männlich sind oder anders leben oder lieben als die Mehrheit, kommentiert Katja Bauer.

Berlin - Das Ludwigsburger Cafe Mohrenköpfle trägt seinen Namen seit 80 Jahren. Daran wird sich auch nichts ändern. Das ist gut so – nicht nur, weil „Biskuitgebäck mit Schokoüberzug“ein seltsamer Name für eine Konditorei wäre. Die Chefin hat sich durchaus Gedanken gemacht – sie sagt, wenn man 100 Leute in der Stadt fragt, was ein Mohrenköpfle ist, antworten exakt null: eine Beleidigung für einen schwarzen Menschen. Eine Umbenennung aus Gründen der geschmähten „politischen correctness“ ist schlicht nicht nötig. Es fordert sie auch niemand.

Das ist nicht ganz unwichtig, denn glaubt man lauten Stimmen, kann es heutzutage ein normaler Mensch praktisch gar nicht mehr richtig machen. Die eindeutig gute Idee eines respektvollen Umgangs scheint in eine Art frömmlerisches Extrem zu kippen und jede Menge Sprech- und Benimmverbote zu produzieren. Und ja: Schon der Begriff „politisch korrekt“ ist ein Problem. Er stempelt den als unkorrekt ab, der zum Beispiel ein Gendersternchen ablehnt. Wenn man schon mindestens als Sprachgrobian gilt, sobald man Widerspruch anmeldet, wie soll man da kontrovers diskutieren?

Der Begriff „korrekt“ ist ein Problem

Zudem lassen sich Beispiele dafür finden, wie eine mit viel Zeit zur Debatte ausgestattete Minderheit für absurde Entwicklungen sorgt. In Berlin ist es einem Studentenausschuss, pardon: Studierendenausschuss, gelungen, einen Wettbewerb zur Fassadenneugestaltung zu erzwingen, weil sich einige Frauen von einem romantischen Gedicht an der Wand unangenehm berührt fühlten. Die Frauen, der Dichter – sie wurden gar nicht gefragt.

Aber, und das ist wichtig: Es handelt sich um Randerscheinungen. Der Alltag der meisten Menschen sieht anders aus. Einer Umfrage zufolge reden 42 Prozent, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, dazu ist es überhaupt nur jedem Dritten schon mal passiert, dass er auf eine unkorrekte Ausdrucksweise hingewiesen wurde. Es sei in diesem Zusammenhang die Frage erlaubt: Vielleicht war der Hinweis ja berechtigt? Die AfD, zu deren Wahlkampfschlagern die Angst vor Veränderung gehört, schlachtet das Thema auf ihre Weise aus – nach dem Motto: Man wird doch wohl noch sagen dürfen, dass man nichts mehr sagen darf! Wütend fordert Spitzenkandidatin Alice Weidel, die politische Korrektheit auf dem „Müllhaufen der Geschichte“ zu entsorgen – übrigens ein Zitat von Trotzki.

Auf dem Müllhaufen der Geschichte liegt viel sprachlicher Unrat

Welch schlechte Idee das wäre, merkt man, wenn man darüber nachdenkt, was auf jenem Müllhaufen an Unrat schon liegt: jede Menge pauschale Werturteile über Menschen, die nicht zur Mehrheitsgesellschaft gehören. Und auch das ist gut so. Es gehört zu den wirklich wichtigen zivilisatorischen Errungenschaften unserer Gesellschaft, darauf zu verzichten, jemanden allein deshalb zu beleidigen, weil er nicht weiß und männlich ist, weil er nicht lebt, liebt oder glaubt wie die Mehrheit im Land.

Das gilt auch für die bisweilen gegenüber unangenehmen Fragen hochsensible Weidel, die selbst eine Sprache pflegt, in der Flüchtlinge zum „Mob“ werden und der Konkurrent zum „Schandfleck“. Die Politikerin, die in Lebensgemeinschaft mit einer Schweizerin lebt, welche ihre Wurzeln in Sri Lanka hat, kann mit gutem Recht erwarten, dass sie in keiner politischen Auseinandersetzung wegen ihrer Homosexualität diskreditiert wird, und auch nicht, weil sie eine Person mit einem Migrationshintergrund liebt, den man in der AfD „kulturfremd“ nennt. Dieser Respekt vor dem anderen, der anders lebt, ist politisch korrekt. Er gehört nicht auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt.

katja.bauer@stzn.de