Leicht zu übersehen: Die automatisierte Durchfahrtskontrolle in bestimmten Birsfelder Quartiersstraßen. Foto: Rolf Rombach

Birsfelden hat dem Ausweichverkehr den Kampf angesagt. Vor einigen Wochen ist eine automatisierte Durchfahrtskontrolle in Dienst gestellt worden. Täglich hagelt es bis zu 130 Bußen.

Die Basler Vorortgemeinde Birsfelden hat mittlerweile eine gewisse Berühmtheit erlangt. Der Grund: Die neue automatische Durchfahrtskontrolle, die für eine Bußen-Flut sorgt. Medien im In- und Ausland berichteten darüber, und andere Gemeinden interessieren sich für das Modell.

 

Die Kontrolle soll den Ausweichverkehr von den Wohnquartieren fernhalten. Autos, welche die Quartiere auf bestimmten Routen in einer Zeitdauer unter 15 Minuten verlassen, erhalten eine Buße von 100 Franken.

Mittlerweile ebbt die Flut ab: Waren es anfangs durchschnittlich 1000 Bußen pro Tag, stellte die Gemeinde in der ersten Oktoberhälfte etwa 460, in der zweiten Hälfte rund 130 pro Tag aus, wie Martin Schürmann, Leiter der Gemeindeverwaltung Birsfelden, im Gespräch mit unserer Zeitung sagt. Er rechnet mit einer sinkenden Tendenz.

Deutlich weniger Verkehr

„Der Verkehr in den betroffenen Gebieten ist deutlich zurückgegangen“, freut sich Schürmann, der ein Bild wie zu Coronazeiten zeichnet. „Es ist extrem. Wo zuletzt bis zu 60 Fahrzeuge im Stau standen, sind es jetzt im Normalfall vier Autos, die an der roten Ampel stehen.“ Es sei nun wieder eine Quartier- und keine Ausweichstraße.

Dementsprechend gebe es positive Rückmeldungen aus der Anwohnerschaft. Allerdings erreiche ihn mit Blick auf kurze Hol-Bring-Fahrten auch Kritik, wie er einräumt. „Was die Kritiker ausblenden, ist, dass sie nun staufrei unterwegs sein können.“ Als Gründe für den Rückgang der Bußen nennt Schürmann etwa die Anpassung der Navigationssysteme seitens der Anbieter. Das bedeutet, dass jetzt auch digitale Lotsen die Autofahrer nicht mehr über die mit Bußen belegten Quartiersstraßen leiten. Darüber hinaus habe auch die Berichterstattung in den Medien einen Beitrag zum Rückgang geleistet, ist er überzeugt.

Verbot klar erkennbar

Es sei ein klar erkennbares Fahrverbot, da spiele es auch keine Rolle, ob Ortsunkundige oder Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig seien, gegen die Regel verstoßen, so der Leiter der Gemeindeverwaltung. Die Beschilderung sei unmissverständlich.

Anders argumentiert die Sektion beider Basel des Touring-Club Schweiz (TCS): „Das größte Problem ist, dass die Menschen das System nicht verstehen“, sagte dieser Tage Birgit Kron, stellvertretende TCS-Geschäftsführerin. Problematisch sei auch die Sprachbarriere.

Kron berichtete vor drei Wochen von einem französischen Pendler, der gleich fünf Mal erwischt worden sei und nun 500 Franken bezahlen müsse.

Überrascht von den Bußen wurden auch einige Anwohner und Gewerbetreibende, hier seien Bußen zurückgezogen worden.

Unterdessen hätten bislang rund 20 Prozent aller Betroffenen gezahlt, so Schürmann. Meistens würde aber erst nach der zweiten Mahnung eine Zahlung getätigt. Und wer im weiteren Verlauf nicht reagiere, würde Post von der Staatsanwaltschaft erhalten. Fünf Betroffene hätten ausdrücklich verlangt, ihren Fall an die Staatsanwaltschaft weiterzugeben. „Wir werden das mit Interesse beobachten.“ Und wenn ein Gericht die Durchfahrtsregel kippt? „Entweder wird man das Gerichtsurteil akzeptieren und die Verkehrsüberwachung anpassen, oder die nächst höhere gerichtliche Instanz anrufen. Letztlich wird es wohl auf den Einzelfall ankommen“, erklärt Schürmann.

Die TCS-Sektion beider Basel hat bereits angekündigt, Einsprachen gegen Bußen zu unterstützen. Klar sei aber: „Wird eine Buße bezahlt, ist sie akzeptiert“, kontert Schürmann. Und: Sollte sich die Umsetzung der Durchfahrtskontrolle vor Gericht als mangelhaft herausstellen, würden bereits gezahlte Bußen nicht erstattet werden. „Wir gehen nicht davon aus, dass das Gesamtsystem verworfen wird.“ Denn: Es bestehe eine rechtliche Grundlage, und die Gemeinde Birsfelden habe die Hoheit über die kommunalen Gemeindestraßen.

Zusätzliches Personal

Bei mehr als 1000 registrierten Übertretungen pro Tag zu Beginn der Kontrolle summierten sich die Einnahmen auf mehr als 100 000 Franken täglich, was für erhitzte Gemüter sorgte. „Wir haben das nie gemacht, um Geld zu verdienen, sondern um den Verkehr zu reduzieren“, macht Schürmann deutlich.

Einerseits führe die Überwachung zu Geldeinnahmen, andererseits zu Ausgaben, mit denen man nicht gerechnet habe – denn es musste angesichts des gestiegenen administrativen Aufwands mehr Personal eingestellt werden. „Die Einnahmen aus den Durchfahrtskontrollen werden die finanziellen Probleme der Gemeinde Birsfelden jedenfalls nicht lösen.“