Die Betreiber von Kaffefahrten drohen mit Strafgebühren, um Kunden zum Mitfahren zu bewegen

Stuttgart - Die Kaffeefahrten-Mafia aus Norddeutschland, die seit Jahren mit falschen Gewinnversprechen Opfer zu dubiosen Verkaufsveranstaltungen lockt, bläst zu einem neuen Angriff auf die Region Stuttgart. Neuerdings wird mit Strafgebühren gedroht.

Eigentlich lässt sich der Mann aus Stuttgart-Vaihingen nicht so leicht ins Bockshorn jagen. Im Briefkasten findet er ein Schreiben einer Zentralen Gewinnverteilung aus Sögel, in der ihm eine "offizielle Gewinnbestätigung über 2500 Euro in bar" mitgeteilt wird. Was dahintersteckt, weiß der Betroffene längst: Eine Kaffeefahrt, bei der es natürlich keinen Gewinn geben wird, sondern nur überteuerte Magnetdecken, Nahrungsergänzungsmittel und Kochtöpfe. "Ich war mal im Herbst 2010 bei so einer Fahrt dabei", sagt er.

Doch dieser Brief ist anders: Es handelt sich um eine Reisebestätigung mit angehängter Busfahrkarte und "fest gebuchten Reisedaten". Der Vaihinger kann sich nicht erinnern, sich überhaupt angemeldet zu haben. Das eine Mal war genug. Und nun das: "Eine Stornierung ist jetzt leider nicht möglich, da Ihr Sitzplatz in der kurzen Zeit nicht weitergegeben werden kann", heißt es in dem nicht unterzeichneten Schreiben. Bei Nichtantritt der Reise würden die Gesamtkosten von 19,90 Euro in Rechnung gestellt. Also, antreten an der "gewünschten Haltestelle", 6.45 Uhr. Man darf sogar drei Gäste mitbringen. "Es sind noch Busplätze frei, die wir vergeben dürfen", heißt es.

Solche Schreiben tauchen derzeit öfter auf. Christian Gollner von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg rät dazu, sich nicht täuschen zu lassen: "Bei vorgeblich kostenlosen Reise zur Kaffeefahrt ist der Reisepreis gleich Null", sagt er. Folglich könnten auch keine anteiligen Stornogebühren anfallen. Dass die Branche inzwischen Reisebestätigungen verschickt werden, auch ohne dass sich der Betroffene überhaupt dafür gemeldet hätte, ist für Gollner neu. Es sei nicht ausgeschlossen, dass viele auf den Bluff hereinfallen. Dabei sei eindeutig: "Auf dieses Schreiben muss man nicht reagieren." Anders sei das bei konkreten Geldforderungen und Mahnungen: Hier sei grundsätzlich ein Widerspruch per Einschreiben mit Rückschein zu empfehlen.

90 Prozent der Gewinnmitteilungen beginnen mit der Postleitzahl 49

Der Absender, eine Postfachadresse in Sögel im Emsland im westlichen Niedersachsen, ist wohl kaum ausfindig zu machen: Die Mieter sind meist nur Strohmänner dubioser Vertriebsfirmen. Das Postfach ist in der Vergangenheit auch schon im Namen anderer angeblicher Firmen verwendet worden. Mieter soll nach Einschätzung von Experten ein Unternehmen mit Sitz im in einem kleinen Ort in der Provinz Groningen in den Niederlanden sein - mit dem Auto gerade mal 45 Kilometer von Sögel im Emsland entfernt. Erfahrungen zeigen, dass die Versender der Schreiben nicht immer die Organisatoren der Veranstaltungen sind, die wiederum an kleingewerbliche, fliegende Händler verkauft werden.

Etwa 90 Prozent solcher Gewinnmitteilungen beginnen übrigens mit der Postleitzahl 49. Vom Emsland übers Oldenburger Münsterland bis hinauf nach Bremen hat die Kaffeefahrten-Branche offenbar ihren Schwerpunkt. Etwa 100 Personen tummeln sich in oft wechselnden Teams in der Branche, weiß Günter Borchert vom Betrugskommissariat der Polizei Cloppenburg. Die Gründe dafür kennt aber auch er nicht: Das sei so gewachsen, sagt er.

Das Potenzial der dubiosen Händler ist groß: Wer in die Enge getrieben wird, gründet eine neue Firma: "Ein Berufsverbot gibt es nicht", sagt Borchert. Im jüngsten Fall der Storno-Drohung kann der Kripomann die Betroffenen beruhigen: "Es gab noch nie einen Fall, bei dem die Veranstalter diese Summe eingeklagt hätten."

Gerichtsurteile gegen die Veranstalter sind ebenfalls selten. So gilt es als Besonderheit, dass Anfang 2010 ein Betroffener aus Remseck, Kreis Ludwigsburg, nach einer Berufungsverhandlung im Stuttgarter Landgericht die Gewinnsumme über 1508,90 Euro tatsächlich bekam. Außerdem wurde vor einem Jahr in Mittelfranken eine Kaffeefahrt mit Teilnehmern aus Ludwigsburg gesprengt. Bei einem Lieferanten konnte die Polizei bestellte Pillen im Nennwert von 43.000 Euro beschlagnahmen. Der Händler wurde inzwischen vom Amtsgerichts Ansbach zu einer Geldstrafe wegen Verstoßes gegen das Heilmittelwerbegesetz verurteilt.